Raubkunst im Humboldt Forum: From Berlin with Love

Große Restitutionswoche in der Hauptstadt: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat das Placet für die Rückgabe von „Benin-Bronzen“ gegeben.

Auch diese Benin-Bronzen dürfen vielleicht bald zurück Foto: dpa

Auf einmal geht es Schlag auf Schlag: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hat den Weg frei gemacht für die Rückgabe einer „ihrer“ berühmtesten Schätze: der „Benin-Bronzen“. Wie erst am Dienstagabend bekannt wurde, hat der Stiftungsrat unter dem Vorsitz von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bereits am Montag seinem Präsidenten Hermann Parzinger Vollmachten erteilt, für eine Reihe von Sammlungsstücken aus kolonialen Kontexten Rückgabe-Verhandlungen mit den Herkunftsländern aufzunehmen. Dies betrifft zum einen die Figur „Ngonnso“ aus Kamerun (taz berichtete), zum anderen Objekte aus Namibia und Tansania – und eben die berühmten Bronzen.

Die Benin-Bronzen sind ein Konvolut aus mehreren Tausend Skulpturen, Tafeln und Reliefs aus dem 16. bis 18. Jahrhundert aus dem früheren Königreich Benin auf dem Gebiet des heutigen Nigeria. Als englische Truppen 1897 die gleichnamige Hauptstadt im Zuge einer kolonialen „Strafexpedition“ weitgehend zerstörten, fielen die Kunstschätze in ihre Hände.

In Europa lösten sie wegen ihrer Schönheit und Einzigartigkeit einen regelrechten Sammelhype aus. Für Berlin organisierte der damalige Direkto­rial­assistent des Königlichen Museums für Völkerkunde, Felix von Luschan, den Ankauf Hunderter Bronzen über Auktionen und Händler. Heute hat Berlin daher die weltweit zweitgrößte Sammlung (nach London) mit 580 Objekten.

Trotz des offenkundigen Unrechtskontextes hat die SPK Forderungen nach Rückgabe seitens Nigerias seit 1972 blockiert, wie die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy in ihrem Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst“ detailliert nachzeichnet. Die Blockade-Haltung der Institution beim Thema Restitution allgemein weichte erst langsam auf nach dem Rücktritt von Savoy aus dem wissenschaftlichen Beirat des Humboldt-Forums 2017 und der damit neu entfachten Debatte um den Umgang mit Raubkunst und kolonialem Erbe in Deutschlands wichtigstem kulturpolitischen Aushängeschild.

Dann kam Bewegung in die Sache

Doch noch zur – wegen Corona zunächst nur digitalen – Eröffnung des Forums im Dezember 2020 und trotz öffentlichkeitswirksamen Drucks vonseiten des nigerianischen Botschafters zeigten sich die Humboldt-Macher zögerlich. Die Benin-Bronzen würden einer der Publikumsmagneten der ethnologischen Ausstellung, sagte damals noch im Brustton der Überzeugung der Generalintendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh. Erst als im Zuge der echten Eröffnung voriges Jahr das Thema auch international Beachtung fand, kam richtig Bewegung in die Sache.

Deutschland, das sich international als geläuterter postkolonialer Player und „Partner Afrikas“ präsentieren will, musste gegenüber Frankreich aufholen, dessen Präsident Emmanuel Macron 2017 die grundsätzliche Bereitschaft zur Rückgabe kolonialen Raubguts verkündet hatte. So kam es im April vorigen Jahres zur Erklärung der deutschen Museen, in der sie erstmals „substanzielle Rückgaben“ von Benin-Bronzen anboten. Neben Berlin finden sich diese vor allem in Hamburg, Stuttgart, Dresden und Köln. Seither wird darüber mit Nigeria verhandelt.

Am Freitag sollen nun Roth und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit ihren nigerianischen Amtskollegen eine Absichtserklärung unterzeichnen, die den Weg für die Eigentumsübertragungen freimacht. Für die nigerianische Seite sollen Kulturminister Lai Mohammed und der Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, dabei sein. Dabei sollen nach dpa-Information symbolisch zwei Bronzen aus der Berliner Sammlung übergeben werden.

Mit dem Beschluss von Montag hat die SPK zugestimmt, dass ihr Teil der Benin-Sammlung zurückgegeben werden darf. Ziel sei, „dass das Eigentum an allen in Berlin befindlichen Objekten, die im Rahmen der sogenannten Britischen Strafexpedition von 1897 in Benin geraubt wurden, an Nigeria übertragen werden soll“, erklärte Parzinger. Nicht betroffen sind somit einige wenige Stücke aus Benin, die bereits vorher in die kaiserliche Kunstsammlung kamen.

Noch keine konkrete Auswahl

Auch sollen nicht alle rückübertragenen Bronzen zurückgehen: ein Teil der Objekte werde wohl als „langfristige Leihgabe“ in Berlin bleiben können, darüber sei man sich mit Nigeria einig, so Parzinger weiter. Die konkrete Auswahl sei noch nicht getroffen. Alle anderen, die nicht in Berlin bleiben, sollten „so zügig wie möglich“ nach Nigeria zurückgehen. Wann genau, könne man nicht sagen, so eine Sprecherin der SPK auf taz-Anfrage – dies hänge auch von der nigerianischen Seite ab.

Ab 17. September, wenn mit dem Ostflügel im 2. und 3. Stock der letzte Teil des Humboldt-Forums eröffnet wird, soll auch die Benin-Sammlung inklusive Bronzen gezeigt werden.

Wie die Ausstellung angesichts der neuen Entwicklung aussehen wird, ist offen. Allerdings war von den Ku­ra­to­r*in­nen ohnehin geplant, einen Raum der „Strafexpedition“ und dem Thema Kolonialismus zu widmen.

Ebenfalls am Montag entschied der Stiftungsrat, dass 23 Objekte aus Namibia, die bereits im Mai zu Forschungszwecken in die frühere deutsche Kolonie zurückgebracht wurden, dort bleiben können. Auch hierzu kann Parzinger nun Verhandlungen aufnehmen.

Gleiches gilt für eine ungenannte Zahl von Objekten aus Tansania, „die als Kriegsbeute aus dem Maji-Maji-Krieg und weiterer Kriege seit der Kolonialeroberung identifiziert wurden“, so die SPK in einer Erklärung von Montag.

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