Technoparade durch Berlin: Party Marke Mottenkiste

Loveparade-Erfinder Dr. Motte lud zum Tanz – und 200.000 Old-School-Raver kamen. Für Kritik sorgte Mottes Posieren mit einem Querdenkersymbol.

Menschen in bunten Kostümen tanzen vor dem Brandenburger Tor

Sieht aus wie 1999, ist aber 2022: Ra­ver*­in­nen am Brandenburger Tor Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Spätestens als sich am Samstag die „Rave the Planet“-Parade gegen Abend durch den Tiergarten schlängelte, hatte man das Gefühl, dass die gute alte Loveparade tatsächlich zurück war.

Das Gedränge war riesig und die Euphorie war da, das Techno-Bum-Bum klang auch nicht so viel anders als damals, und die Leute tanzten wie verrückt den Musik-Trucks hinterher. Die Zahl der Teil­neh­me­r:in­nen übertraf dabei alle Erwartungen, auch jene von Loveparade-Erfinder und Rave-the-Planet-Veranstalter Dr. Motte. Von 300.000 sprach er noch am Samstag, die Polizei taxierte die Zahl am Samstag dann auf 200.000. Es war jedenfalls so voll, das die 18 Musikwagen mit rund 150 Künst­le­r:in­nen zeitweise feststeckten. Noch kurz bevor das Ziel, die Siegessäule, erreicht wurde, brach deswegen die Polizei in Absprache mit dem Veranstalter die Parade ab.

Viel wurde im Vorfeld diskutiert: Muss das wirklich sein, die Loveparade unter anderem Namen wiederzubeleben, die Mitte der Nullerjahre an den Betreiber einer Fitnesskette verkauft wurde und die mit dem Unglück in Duisburg, wo während des Techno-Umzugs 21 Menschen zerquetscht wurden, eigentlich ihr Ende gefunden hatte?

Braucht es das überhaupt noch, einen Straßenumzug der Raver, die ihr Lebensgefühl in der Öffentlichkeit ausstellen wollen, wo doch an jedem Wochenende in Berlin das Clubvolk überdeutlich sichtbar durch die Stadt zieht? Und Dr. Motte: Ist der mit seinen 62 Jahren – am Samstag hatte er Geburtstag – nicht langsam zu alt dafür, als ewiger Fürsprecher der Technojugend aufzutreten? Und wie politisch ist diese Parade, die als Demonstration angemeldet war, denn überhaupt?

Die Menschenmassen jedenfalls entschieden, dass sie immer noch gern zu Techno auf den Straßen tanzen. Man sah viele Ältere, wahrscheinlich getrieben von einer Loveparade-Nostalgie, die hier mittanzten. Manche trugen Blumen im Haar, was nochmals daran erinnerte, wie sehr sich Raver zu den Love-and-Peace-Idealen der Hippies hingezogen fühlen. Und man sah „Fck AFD“-Slogans auf T-Shirts.

Hauch einer positiven Botschaft

Alle zogen sie friedlich und gemeinsam durch die Straßen. Ob man das nun groß als den richtigen Schritt in Richtung Weltfrieden begreifen möchte so wie Dr. Motte, mag man bezweifeln. Aber zumindest den Hauch einer positiven Botschaft sendeten die Vibes hier aus.

Dr. Motte hatte sich ja auch eigentlich redlich darum bemüht, seine Parade politisch aufzuladen. Die Berliner Clubkultur möge als immaterielles Kulturerbe der Unesco anerkannt werden, lautete nur eine seiner vielen Forderungen. Aber auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen für Kulturschaffende wolle man auf die Straße gehen. Davon sprach er, der neben anderen Stars der Loveparade-Generation wie etwa Westbam, auch selbst auflegte beim Umzug, auch nochmals in einer Rede, die er hielt.

Wer also auf der Parade mitlief, konnte sich eigentlich sicher sein: Für irgendetwas, das man als vernünftiger Mensch nur gut finden kann, demonstriert man gerade, auch wenn es sich so anfühlt, als würde man bloß tanzen.

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Nach der Parade ist in den sozialen Medien jedoch ein Video aufgetaucht, in dem Dr. Motte ganz offensichtlich seine Solidarität mit der sogenannten Freedomparade zum Ausdruck bringt, einer regelmäßig stattfindenden Demo von Coronaleugnern. Dr. Motte winkt von einem Musikwagen herab mit einem bekannten Symbol der Freedomparade. Womit der Rave-the-Planet-Veranstalter es tatsächlich geschafft hat, dass man über die genaue Bewertung seines Loveparade-Comebacks noch einmal genauer nachdenken müsste.

Und Ende August findet in Berlin schon der nächste Techno-Umzug statt: der Zug der Liebe. Bleibt zu hoffen, dass man dort die Distanz zu Querdenken besser hinbekommt.

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