Wennaus Spiel Ernst wird

Die Spielwarenindustrie gilt als Plastikhölle schlechthin. Doch seit einiger Zeit setzt auch sie auf nachhaltige Materialien und klimapolitische Spielziele

Von Wilfried Urbe

Die Plüschtier-Serie „Bottle 2 Buddy“ der Heunec Plüschwarenfabrik will auf die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll aufmerksam machen und den Einsatz für Umweltschutz fördern. Alle Plüschtiere sind nach Herstellerangaben aus recyceltem PET-Kunststoff hergestellt. Es gibt verschiedene Wald- und Meeresbewohner wie Igel, Fuchs, Frosch oder Oktopus. Diese Tiere seien besonders durch Müllablagerungen betroffen. Ihre Produktion sowie der Transport zum Verbraucher erfolgen laut Hersteller CO2-bilanziert und klimaneutral.

Die Kinder von heute sind die Eltern von morgen. Das weiß auch die Spielebranche. Ebenso, dass das Bewusstsein für Umwelt und gesellschaftliche Gerechtigkeit immer größer wird. Also setzt die ja sowieso unter Plastikverdacht stehende Spieleindustrie auf das Thema Nachhaltigkeit. Wie sehr das inzwischen in der Branche angekommen ist, zeigte die letzte Spielwarenmesse in Nürnberg. Noch nie gab es dort so viele Erzeugnisse, die damit werben, nachhaltig hergestellt zu sein. Und noch nie wollten so viele Spielzeuge den Kindern die mit diesem Thema verbundenen Aspekte nahebringen.

„Toys go Green“ hatten das die Veranstalter*innen in Nürnberg genannt und den Trend in vier Kategorien unterteilt: „Made by Nature“ (Spielwaren aus natürlichen Materialien wie Holz, Bambus, Kork, Mais, Wolle und Kautschuk), „Inspired by Nature“ (Spielwaren, die auf biobasierten Kunststoffen aufbauen, wie Zucker, Stärke, Zellulose und Proteine), „Recycle & Create“ (Spielwaren aus recycelten Rohstoffen und Upcycling) und schließlich „Discover Sustainability“ (Spielwaren, die für Umweltschutz und Nachhaltigkeit sensibilisieren sollen).

„Unsere jahrzehntealten Baukästen sind immer noch einsetzbar, auch das verstehen wir unter Nachhaltigkeit“

Wilhelm Schoch, Geschäftsführer von Fischertechnik

Das klingt alles toll, aber nach wie vor werden Spielwaren zu 80 Prozent aus Kunststoff gefertigt. Damit ist die Spielwarenindustrie die kunststoffintensivste Industriebranche. Ein Problem, dem sie begegnen muss.

Und so lehnen sich die großen Hersteller mit ihren Versprechungen ziemlich weit aus dem Fenster. Der Produzent von Playmobil, die Horst Brandstätter Group, gibt beispielsweise an, einen „relevanten Beitrag“ leisten zu wollen, „um die Umwelt und ihre Ressourcen zu schützen“. Die Produktreihe „Wiltopia“, die Playmobil jetzt auf den Markt bringt, bewirbt der Hersteller als erste Produktreihe aus dem eigenen Haus, die aus über 80 Prozent nachhaltigen Materialien bestehen wird, ein großer Teil aus recyceltem Kunststoff.

Die „Green Energy“-Reihe der Firma Fischertechnik will Kindern ermöglichen, die Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Strom aus regenerativen Quellen zu erforschen. Es sollen Interesse sowie Verständnis für diese zukünftigen Energieformen geweckt werden. Durch die Veranschau­lichung möglicher Kombinationen von Energieformen, etwa im Ökohaus-Modell, sollen Kinder die Energieversorgung kennenlernen, mit der sie es zu tun haben werden.

„Umweltbewusstsein kann gut auf spielerische Weise vermittelt werden“, wirbt Björn Seeger, Sprecher von Playmobil, für das neue Segment. So sollen Kinder mit „Wiltopia“ den Regenwald in der Amazonasregion entdecken und seine Wichtigkeit für das gesamte Ökosystem verstehen.

Abb.: Playmobil

Playmobil betont immer wieder, auf den „verantwortungsvollen Umgang mit allen Ressourcen und den Auswirkungen auf die Umwelt“ Wert zu legen. Man arbeite mit dem Umweltmanagementsystem (DIN EN ISO 14001) sowie mit einem Energiemanagementsystem (DIN EN ISO 50001) und mit erneuerbaren Energien von Photovoltaikanlagen auf den Dächern und durch Blockheizkraftwerke.

Wie funktioniert eine Brennstoffzelle und wie kann man damit Wasserstoff produzieren? Und wie lässt sich mit Wasserstoff ein Fahrzeug umweltfreundlich antreiben? Der „H2 Fuel Cell Car“- Baukasten von Fischertechnik will die Erzeugung von Wasserstoff vermitteln und erklärt, wie dieser zum Antrieb eines Autos genutzt werden kann. Das Produkt ist laut Herstellerangaben auf Biokunststoffbasis gefertigt.

Playmobil gilt als „Systemspielzeug“. Jeder, der mal Teile dieses Herstellers besessen hat, wird wissen, was das heißt: Es bedeutet, dass es in den meisten Fällen verschenkt, vererbt, weitergegeben wird und über Generationen im Einsatz ist. Neue Produkte werden mit älteren Artikeln kombiniert. Sollte „der seltene Fall“ auftreten, so der Playmobil-Sprecher, dass ein Verbraucher ein Produkt entsorgt, werde es komplett dem Recyclingprozess zugeführt, sodass „praktisch kein Abfall daraus entsteht“.

 Foto: Heunec

Auch der Geschäftsführer von Fischertechnik, Wilhelm Schoch, betont: „Unsere jahrzehntealten Baukästen sind immer noch einsetzbar, auch das verstehen wir unter Nachhaltigkeit.“ Vor Kurzem hat der Hersteller aus Waldachtal einen Baukasten auf den Markt gebracht, bei dem die Kunststoffbauteile zu mindestens 60 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Als Basis für die Kunststoffbestandteile dient Rizinusöl, das aus dem Samen des Wunderbaums gewonnen wird. „Diese stehen nicht in Konkurrenz mit Nahrungs- und Futtermitteln, auch nicht mit den entsprechenden Anbauflächen“, ergänzt Schoch, „damit besteht keine Gefahr, dass landwirtschaftliche Flächen für Tiere oder Menschen dafür eingesetzt werden“.

Er verweist außerdem auf die „jahrelange Erfahrung“ des Mutterkonzerns Fischer mit dem Befestigungssortiment Greenline: Die entsprechenden Dübel und der Montagemörtel seien mindestens zu 50 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen produziert. Die Produktlinie Fischer Tip, die „Bastelbedarf für groß und klein“ anbietet, besteht schon jetzt aus Kartoffelstärke. Und der Brennstoffzellen-Bausatz „H2 Fuel Cell Car“ von Fischertechnik wurde letztes Jahr zum Top-Spielzeug gekürt.

Rezyklat ist der Hauptbestandteil von Playmobils „Wiltopia“. Es wurde unter anderem aus ausgedienten Kühlschränken gewonnen. Die Figurensets beinhalten auch seltene Tierarten wie Seekuh oder Ameisenbär und sollen Kindern das Ökosystem spielerisch näherbringen.

So weit die Firmen. Was aber ist dran an den Versprechungen, auf biobasierte Kunststoffe setzen zu wollen? Die meisten großen Hersteller seien da noch in einem Experimentierstadium, sagt der Chemiker Harald Käb. Er ist seit über 25 Jahren im Bereich biobasierte Kunststoffe tätig, hat den Europäischen Biokunststoffverband aufgebaut sowie geleitet und berät die Spielwarenmesse und den deutschen Spielwarenverband. Er sagt, dass die Vorreiter in der Vermeidung von Kunststoffen und dem Ersatz durch nachhaltigere und kreislauffähigere Stoffe vor allem die großen, namhafte Unternehmen wie beispielsweise Lego sind. Firmen wie diese hätten angekündigt, ab 2030 nur noch recycelbare Kunststoffe oder Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen einsetzen zu wollen.

 Foto: Heunec

Die größte Herausforderung für die bekannten Marken sei dabei, die bisherige Qualität und Spielzeugsicherheit auch mit den neuen Stoffen zu gewährleisten. Gerade die Sicherheit der nachhaltigen Materialien, Verfügbarkeiten, technische Parameter wie Langlebigkeit, Belastbarkeit oder UV-Stabilität seien noch nicht ohne Weiteres abzubilden. Käb verweist außerdem darauf, dass grundsätzlich zwischen biobasierten und biologisch abbaubaren Kunststoffen unterschieden werden müsse, „auch wenn diese beiden Arten nicht klar definiert sind“.

Beim „Zesty –The Slow Game“ von CreativaMente sollen die Spieler lernen, wie man die Umwelt schützt. Gespielt wird in Gruppen über einen Zeitraum von mehreren Tagen. Themen sind Natur, Konsum, Umweltverschmutzung, Gesellschaft und Emotionen. Papier, Pappe und Holz sind zertifiziert und stammen aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Die Papierbestandteile sind nach Herstellerangaben aus chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier, bedruckt mit Offsetfarben auf Basis pflanzlicher Öle. Der Bleistift soll zu 100 Prozent umweltfreundlich, bleifrei und biologisch abbaubar sein, weil er mit den enthaltenen Samen eingepflanzt werden kann.

Biobasierte Kunststoffe hätten das Ziel, fossile Ressourcen zu ersetzen und geringere CO2-Emissionen zu verursachen. Abbaubare Kunststoffe hingegen könnten eine umweltsichere Kreislaufwirtschaft in Bereichen ermöglichen, bei denen der Kontakt mit der Natur so gut wie unvermeidlich ist.

Der Bausatz „Eco 3D Build“ der australischen Firma mierEdu basiert auf dem pädagogischen Ansatz namens STEAM (Science, Technology, Arts, Engineering and Mathematics). Dahinter steckt das Konzept, spielerisch die Bereiche Kunst und Wissenschaft miteinander zu verbinden. Mit dem Bausatz können die Kinder selbst Tiere und Pflanzen zusammenbauen und auf diese Weise mehr über deren Aufbau erfahren. Dazu würden hier kognitive Fähigkeiten und räumliches Konstruktionswissen gefördert. Das Produkt und die Verpackung ist laut Herstellerangaben aus nachhaltigem Papier produziert und mit pflanzlicher Tinte bedruckt.

Biobasierte Kunststoffe werden aus Biomasse hergestellt. Mit ihnen, so Käb, sei eine CO2-Einsparung von 20 bis 70 Prozent möglich. Allerdings gebe es gerade bei den hochwertigen, langlebigen Kunststoffen wie beispielsweise ABS noch kein biobasiertes Ersatzprodukt, das in den bestehenden Fertigungsprozessen eingesetzt werden könnte.

 Foto: fischertechnik

Am aktuellen Gesamtbedarf an Kunststoffen von aktuell 350 Millionen Tonnen pro Jahr machen biobasierte Kunststoffe etwa ein Prozent aus. „Dafür werden 0,02 Prozent der weltweiten Agrarflächen zur Biomasseproduktion benutzt“, schätzt Käb. Voraussetzung für eine Steigerung der Produktion sei die nachhaltige Biomassebereitstellung, die weder die Lebensmittelproduktion noch den Naturschutz gefährden dürfe.

Die Spielwarenindustrie muss sich also noch ganz schön viel einfallen lassen, um tatsächlich „nachhaltig“ zu werden.