Bikini Kill wieder auf Tour: Riot Grrrl kehrt zurück

Bikini Kill sind so laut wie eh und je, tun aber auch nicht so, als wären sie noch 17. Am Sonntag spielten sie in Huxleys Neuer Welt in Berlin.

Die Lichter strahlen pink, im Zentrum des Bildes tanzt lächelnd die Sängerin von Bikini Kill

Kathleen Hanna und ihre Kolleginnen rocken wie eh und je. Hier in Berlin in Huxleys Neuer Welt Foto: David Baltzer

Es dauert nur wenige Minuten, bis Kathleen Hanna die Sorge zerstreut, an diesem Konzertabend könne sich ein auch nur irgendwie peinlich geartetes Comeback ereignen. Die inzwischen 53-jährige Sängerin von Bikini Kill shoutet und schreit, heult und kreischt wie eh und je; ihre gellende Stimme klingt auch heute noch so, als könne sie eher Panzerglas zerbersten als bloß Gläser zerspringen lassen. „You’re dumb, I’m not / You’re fucked, I’m not / Me and my girlfriends gonna push on through / Riot Grrrl is gonna stomp on you“, singt Hanna im Song „This is not a test“, während Be­su­che­r:in­nen freudig hin- und herhüpfen und sich unter so mancher Maske wohl ein breites Lächeln abzeichnet.

Bikini Kill waren in den neunziger Jahren die wohl wichtigste Band der Riot-Grrrl-Bewegung, die sich damals in Olympia, Washington, formierte. Die Gruppe um Kathleen Hanna sowie Schlagzeugerin und Sängerin Tobi Vail gründete sich 1991 und ging 1997 auseinander. Mit selbst gemachten Fan­zines – eines davon trug den Titel „Bikini Kill“ –, dem Organisieren von Shows und einer florierende Bandszene (neben Bikini Kill etwa Team Dresch und Bratmobile) brachte diese Subkultur damals eine ganze Generation junger Frauen zum Punk, zum Selbermachen, zur Selbst­ermächtigung.

Viele queere Frauen

Bei einem Auftritt und Book-Release der britischen Postpunkerinnen The Raincoats spielten Bikini Kill vor fünf Jahren erstmals wieder zusammen, seit 2019 touren sie auch wieder. Neben Bassistin Kathi Wilcox aus dem Original-Line-up steht nun die neue Gitarristin Sara Landeau mit auf der Bühne.

In Deutschland sind Bikini Kill erstmals seit 1996 auf Tour, rund 1.600 Be­su­che­r:in­nen sind am Sonntagabend ins ausverkaufte Huxleys in Berlin-Neukölln gekommen. Der Großteil scheint die Heldinnen von einst noch mal bestaunen zu wollen, jedenfalls sind überwiegend nicht mehr ganz faltenfreie Gesichter im Publikum zu sehen. Dazwischen sind aber auch Fans, die wohl noch nicht geboren waren, als Bikini Kill Klassikeralben wie „Pussy Whipped“ (1993) oder „Reject All American“ (1996) veröffentlicht haben.

Viele queere Frauen sind gekommen – wenig verwunderlich, schließlich standen Bikini Kill dafür, Punk nicht nur (wieder) weiblicher, sondern auch queerer zu machen. „We are tired of boy band after boy band, boy zine after boy zine, boy punk after boy punk after boy …“, stand auf einem manifestartigen frühen Flyer der Band.

Feministische Hymnen

Heute, rund dreißig Jahre nach der Blütezeit von Riot Grrrl, strahlen Bikini Kill noch immer etwas Ikonisches aus. Kathleen Hanna trägt navygrünes Oberteil mit Glitzer und pinkfarbene Leggings, Gitarristin Sara Landeau kommt in knallrotem Oversuit auf die Bühne, Bassistin Wilcox steht in schwarz-silbernem Glitzeroberteil da, während hinten am Schlagzeug das rote Haar Tobi Vails immer wieder über ihre bunte 80er-Sonnenbrille weht. Vail wechselt zwischendurch ans Mikrofon, singt etwa „Distinct Complicity“ (1996) und „I hate danger“ (1995), auch ihre Stimme hat nichts an Wut und Wucht verloren.

So reiht sich feministische Hymne an feministische Hymne; tanzend und die Arme schwingend singt Kathleen Hanna Songs wie „Sugar“ (1993) und „Lil Red“ (1993), in denen sie gegen männliche Selbstbedienungsmentalität polemisiert: „These are my tits, yeah / And this is my ass / And these are my legs / Watch them walk fucking away / These are long nails to scratch out your eyes“, heißt es etwa in letzterem Stück. Vor 30 Jahren klangen diese Zeilen dabei sicher anders als heute, wo der Pop-Mainstream von emanzipierten Künstlerinnen dominiert wird.

Warum redet man sich Negatives ein?

Doch auch heute singt Hanna jede Zeile so, als wolle sie das Patriarchat endgültig zum Einsturz bringen – und das Publikum singt viele Verse schlafwandlerisch mit. Auf politische Ansagen verzichten Bikini Kill, dagegen streuen sie mal ein Lob für die – wirklich gute – Vorband Snoozers ein, oder aber Kathleen Hanna erzählt von ihrer Therapie und einem bemerkenswerten Satz ihrer Therapeutin: „She said to me: ‚If you wouldn’t say it to your best friend, why would you tell it to yourself?‘“ Warum redet man sich selbst negative Dinge ein, die man gegenüber der besten Freundin nicht äußern würde?

Aus den Riot Grrrls von einst sind inzwischen natürlich gestandene Riot Wmmmn geworden, so versucht das Quartett auch gar nicht erst, die jugendliche Energie damaliger Shows zu erreichen – und das ist auch gut so. Eher geben Bikini Kill ein routiniertes Set, das es den zu spät Geborenen und Gekommenen ermöglicht, diese großen Songs live zu erleben.

Nach gut einer Stunde folgt während einer kurzen Zugabe „Rebel Girl“, das programmatischste Bikini-Kill-Stück überhaupt. „Rebel girl you are the queen of my world“, shoutet Kathleeen Hanna mit ihrem charakteristischen hohen Stimmtimbre. Die ersten Reihen hüpfen nun kollektiv, der Boden des Huxleys biegt sich und vibriert. Es sind zweifelsohne good vibrations, die da übertragen werden.

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