Expertenrat zu Klimaschutzprogrammen: Nicht sofort und nicht genug

Der Expertenrat kritisiert die „Sofortprogramme“ zum Klimaschutz: Bei Gebäuden sei der Erfolg zweifelhaft, bei Verkehr bisher kaum Ehrgeiz zu sehen.

LKWs stehen dicht an dicht auf einer Autobahn

Zu viele LKWs auf den Straßen: Stau auf der A4 bei Bautzen Foto: Robert Michael/dpa

BERLIN taz | Die Sofortprogramme zum Klimaschutz aus den Bundesministerien für Bauen und Verkehr wirken entweder nicht sofort oder praktisch gar nicht. Das ist kurz zusammengefasst das Fazit des Prüfberichts vom „Expertenrat für Klimafragen“, der laut Klimaschutzgesetz (KSG) die Pläne der Regierung begutachtet und sein Urteil am Donnerstag vorgestellt hat. Neben Kritik an den Plänen fordern die fünf ExpertInnen des Rates von der Bundesregierung auch, Lücken im Klimaschutzgesetz zu beseitigen.

Die Bereiche Bauen und Verkehr hatten 2021 die Emissionslimits laut KSG überschritten und mussten deshalb Sofortprogramme vorlegen, wie sie ihre Ziele künftig erreichen wollen. Das Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen unter Klara Geywitz (SPD) hat 15 Maßnahmen vorgelegt, die – wenn alles gutgeht – bis 2030 die Einsparziele erreichen können, so die Experten. Vor allem mit einem besseren Gebäude-Energiegesetz, mehr Geld für effiziente Häuser und bessere Heizungen sei es möglich, die geforderten 137 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 einzusparen. Allerdings sei die Erreichung dieser Ziele „nur teilweise wahrscheinlich“, eine Einhaltung des Gesetzes damit „für diesen Sektor nicht sichergestellt“.

Noch trüber sind die Aussichten beim Ministerium für Digitales und Verkehr von Volker Wissing (FDP). Die sechs vorgeschlagenen Maßnahmen – vor allem besserer Radverkehr und mehr Homeoffice – brächten nur eine Minderung von 14 Millionen Tonnen, ein Bruchteil der laut Gesetz erforderlichen 261 Millionen, die im Verkehrsressort bis 2030 vermieden werden müssen. Was das Ministerium vorgelegt hat, „erfüllt nicht die Anforderung des Gesetzes an ein Sofortprogramm“, man habe deshalb davon abgesehen, die Maßnahmen im Detail überhaupt zu prüfen.

Das Verkehrsministerium beharrte dagegen darauf, man habe ein „den Anforderungen des KSG entsprechendes Sofortprogramm vorgelegt“. Um die Ziele im Verkehr bis 2030 zu erreichen, stimme man derzeit das „übergreifende Klimaschutzprogramm der Bundesregierung“ ab, erklärte eine Sprecherin. Der grüne Klimaminister Robert Habeck wiederum erklärte, der Bericht des Expertenrats zeige, dass die Klima­krise „schnellstmöglich Antworten“ verlange. „Wir sind in der Pflicht, noch im September das Klimaschutzsofortprogramm zu beschließen. Dabei müssen alle Sektoren ihren Beitrag leisten, sonst werden wir die Klimaziele nicht erreichen.“

Die ExpertInnen im Rat monieren außerdem, im Gesetz sei unklar, wann der Rat zur Prüfung der Sofortprogramme eingebunden werde und was genau er eigentlich prüfen solle – um eine ähnliche Klarstellung hatte er schon vor einem Jahr gebeten. Damals wurde aber klar, dass auch ein schlechtes Zeugnis des Expertenrats die Regierung nicht zum Handeln zwingt.

FDP will weniger strikte Regeln

Ohnehin ist der zentrale Hebel des KSG bedroht: Neu an dem Gesetz von 2019 ist, dass jeder Bereich wie Verkehr, Gebäude, Industrie, Energie, Abfall und Landwirtschaft für jedes Jahr eigene Klimagas-Obergrenzen bekam. Diese „sektorscharfen Ziele“ will die FDP gern loswerden, wie Finanzminister Christian Lindner letzte Woche wieder verkündet hat: Man wolle „stärker sektorübergreifend die Klimaziele miteinander verrechnen“, weil man in bestimmten Bereichen schneller Fortschritte machen könne und in der Regierung seien „alle verantwortlich“ für die Erreichung der Ziele.

Im Koalitionsvertrag steht dazu, man wolle die Einhaltung der Ziele „anhand einer sektorübergreifenden […] mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen“. Vonseiten der Grünen und Teilen der Klimaszene gibt es die Befürchtung, damit könnte dieser zentraler Pfeiler des KSG angekratzt werden.

Umweltverbände sparten deshalb auch nicht mit Kritik aus Anlass des Berichts: Campact nannte ihn eine „Watsche für den Verkehrsminister“. Die Klima-Allianz forderte Kanzler Scholz auf, „Wissing seine Arbeitsverweigerung in Sachen Klimaschutz nicht mehr durchgehen zu lassen“ und bald ein Sofortprogramm der Regierung vorzustellen, „das diesen Namen verdient hat“.

Darauf will die Deutsche Umwelthilfe nicht mehr warten. Sie kündigte an, Klage zu erheben, um ein „gesetzeskonformes“ Sofortprogramm im Verkehr durchzusetzen. „Auch in dieser Bundesregierung lässt sich der Klimaschutz offensichtlich nur über die Gerichte durchsetzen“, erklärte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. „Ohne Tempolimit, ein Ende der Dienstwagen-Förderung für Fahrzeuge mit zu hohen Klimagasemissionen und den massiven Ausbau des ÖPNV ist kein gesetzeskonformes Sofortprogramm denkbar.“

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