Kleine Gletscher­kunde

Wie entstehen Gletscher?

Gletscher können nur entstehen, wenn im langjährigen Mittel mehr Schnee fällt als abschmilzt. Die Höhe, ab der dies geschieht, wird als klimatische Schneegrenze bezeichnet. In unseren Breiten liegt die bei etwa 2.600 Metern, je nach Exposition kann sie aber um mehrere Hundert Meter abweichen. Durch das Gewicht des Neuschnees werden die unteren Schichten zusammengepresst – es entsteht Eis. Sonneneinstrahlung und Temperaturen knapp über null Grad beschleunigen diesen Prozess. Dann taut der Schnee und gefriert wieder, ohne den Gletscher zu verlassen. Der Bereich, in dem diese Verwandlung des Schnees passiert, wird als Nährgebiet bezeichnet. Durch die ständig wachsende Masse und die Hangneigung fließt das Eis Richtung Tal. Nur fließendes Eis wird als Gletscher bezeichnet. Dabei schiebt der Gletscher Gestein vor sich her und lagert es an seinen Seiten als Moränen ab. Was unter den Gletscher gerät, wird zu feinem Staub gemahlen. Entstanden sind Gletscher vor allem in der letzten Eiszeit.

Wofür brauchen wir Gletscher?

Die Alpengletscher tragen maßgeblich zur Trinkwasserversorgung Europas bei. Im Hochsommer stammt laut Glaziologen bis zu einem Viertel des Wassers in Po, Rhein, Rhone und Donau aus der Gletscherschmelze. Sind die Gletscher erst einmal verschwunden, drohen daher Wasserknappheit und schwere Dürren. Für Berghütten ist dieses Problem bereits heute Realität. Kurzfristig führt das verstärkte Abschmelzen der Gletscher außerdem zu häufiger auftretendem Hochwasser. Und durch die fehlende Stützwirkung des Eises kommt es vermehrt zu Murenabgängen, also Schlammlawinen, und Felsrutschen. Noch gravierender sind die Auswirkungen der Gletscherschmelze an den Polkappen: Sollten die Gletscher an Nord- und Südpol komplett schmelzen, würde der Meeresspiegel Wis­sen­schaft­ler:in­nen zufolge um knapp 66 Meter steigen. Zusätzlich beschleunigt die Gletscherschmelze die Erderwärmung, wenn keine weiße Eisoberfläche mehr die Sonneneinstrahlung ins All reflektieren und dadurch die Erde kühlen kann. Deshalb werden Gletscher auch als Kippelement des Klimas bezeichnet.

Wie können wir den Gletschern helfen?

Einer Schweizer Studie zufolge ist der Großteil der Alpengletscher nicht mehr zu retten. Bereits bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad werden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts knapp 70 Prozent der Gletschermasse in den Alpen verloren gehen. Nur wenn wir es schaffen, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, besteht die Chance, dass die Gletscher der Alpen nicht komplett verschwinden. Dafür müssten die Treibhausgasemissionen in Industrieländern bis 2050 im Vergleich zu 1990 um mindestens 80 Prozent gesenkt werden. Ironischerweise kann ein Urlaub in den Alpen dazu beitragen. Der WWF hat berechnet, dass ein einwöchiger Sommerurlaub in den Alpen etwa zwei Drittel weniger CO2 ausstößt als ein Urlaub auf Mallorca – vorausgesetzt, man fährt mit der Bahn. 75 Prozent des CO2-Ausstoßes von Al­pen­tou­rist:in­nen fallen laut Studien des Klimaforschers Tobias Luthe nämlich bei der An- und Abreise mit dem Pkw an. Wer sich im Urlaub hingegen häufiger auf die eigene Muskelkraft verlässt und nur regional produzierte Speisen konsumiert, kann seinen CO2-Fußabdruck auf ein Minimum reduzieren.

Was können wir von den Alpen lernen?

Landwirtschaft wird als nachhaltig bezeichnet, wenn sie im Wesentlichen von solarer Energie in Gang gehalten wird. Sie orientiert sich dabei an ökologischen Nutzungsgrenzen, ohne die Qualität von Trinkwasser oder Boden langfristig negativ zu beeinflussen. Laut Wilhelm Knaus von der Universität für Bodenkultur Wien ist traditionelle Almwirtschaft unabhängig von begrenzt verfügbaren und umweltschädlichen Ressourcen. Auf vielen Tausend Almen in den Alpen wird diese Form der Landwirtschaft nach wie vor betrieben. Tiere werden im Sommer hochgetrieben und ernähren sich von der dortigen Vegetation. Dadurch wird für den Menschen ungenießbares Gras in Käse oder Fleisch umgewandelt. Die bei intensiver Landwirtschaft für Tierfutter benötigten Anbauflächen im Tal können für die Produktion menschlicher Nahrung genutzt werden. Außerdem erhöht Almwirtschaft die Biodiversität. Die durch Rodung geschaffenen Almwiesen sind Lebensraum einer Vielzahl von Pflanzen und Insekten. Die Tiere selbst tragen durch ihre Ausscheidungen und Futterauswahl zur Diversifizierung der Pflanzenwelt bei.

Warum schmelzen Gletscher?

Als Hauptgrund für die Gletscherschmelze gilt der menschengemachte Klimawandel. Gletscher sind zwar schon immer abgeschmolzen und wieder nachgewachsen – seit 1850 jedoch sind die rund 4.000 Alpengletscher überall auf dem Rückzug. Besonders gravierend ist der Gletscherrückgang seit der Jahrtausendwende. Etwa 17 Prozent des Volumens der europäischen Gletscher in den Alpen sind laut einer Studie der Universität Erlangen-Nürnberg zwischen den Jahren 2000 und 2014 verloren gegangen. Jährlich nimmt die Eisdicke der vom World ­Glacier Monitoring Service beobachteten Gletscher um einen halben bis einen Meter ab. Das ist zwei- bis dreimal so viel wie im 20. Jahrhundert. Denn Gletscher folgen – mit etwas Abstand – der weltweit beobachteten Klimaerwärmung. In den Alpen steigt die Temperatur sogar doppelt so schnell wie im Rest Europas. Und je stärker die Temperaturen steigen, desto schneller schmelzen auch die Gletscher.