Sorge um Eskalation des Ukraine-Krieges: Überschätzte Explosionsgefahr

Nach den Lecks in den Pipelines und den Referenden stehen die Zeichen auf Eskalation. Aber die derzeitige westliche Strategie funktioniert.

Eine Person liegt auf dem Boden

Moskau, 21. September: Niemand treibt das russische Volk so konsequent in den Aufstand wie Putin Foto: reuters

Noch hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Anschluss der russisch besetzten Teile der Ukraine an die Russische Föderation nicht vollzogen, für den die bizarren „Referenden“ fast ohne Wähler jetzt offiziell grünes Licht gegeben haben. Aber in wenigen Tagen, vielleicht diesen Freitag, könnte es so weit sein. Und noch hat keine Nato-Regierung offiziell Russland beschuldigt, die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee gesprengt zu haben, aus denen seit den mysteriösen Explosionen Gas an die Oberfläche sprudelt.

Aber in wenigen Tagen könnte sich auch das geändert haben. Wieder einmal wird der Welt in Erinnerung gerufen, dass der Krieg in der Ukraine viel mehr ist als ein Krieg in der Ukraine: Er ist ein Krieg um Vorherrschaft zwischen Russland und dem Westen.

Mögliche Eskalationsschritte sind vorgezeichnet. Sobald sich Russland die besetzten ukrainischen Gebiete einverleibt hat, wird es ukrainische Offensiven zu deren Befreiung als Angriff auf russisches Staatsgebiet betrachten – das, meinen manche, erhöht das Risiko eines russischen atomaren Erstschlags. Sobald auf die Pipelinesprengung in der Ostsee ein weiterer, unzweideutig russischer Angriff auf kritische Infrastruktur von Nato-Staaten erfolgt, steht Artikel 5 der Nato-Charta und damit die kollektive Selbstverteidigung im Raum – das, meinen manche, erhöht das Risiko eines dritten Weltkriegs.

Das sind Horrorszenarien, und sie will niemand. Aber es wäre verkehrt, sich von ihnen leiten zu lassen. Dass die von niemandem mehr gewollten Pipelines in der Ostsee jetzt auch noch kaputtgehen, ist eigentlich völlig egal. Was befürchtete ukrainische Angriffe auf „russisches Staatsgebiet“ angeht: Die Ukraine hat in diesem Krieg schon oft Ziele auf der russisch annektierten Krim getroffen – und Russland hat nicht reagiert, trotz gegenteiliger Warnungen.

Grund für Optimismus

Und die militärische Situation in der Ukraine sollte Anlass zu Optimismus geben. Russland verliert täglich an Boden. Die neue Mobilmachung in Russland treibt noch mehr Menschen in die Opposition oder in die Flucht. Niemand treibt das russische Volk gerade so konsequent in den Aufstand wie Putin selbst. Das Verhältnis des russischen Präsidenten zur Wirklichkeit ähnelt dem von Donald Trump, der sich bis heute für den rechtmäßigen Präsidenten der USA hält, der aber nichts mehr hinbekommt, außer das politische Klima zu vergiften.

Die aktuelle westliche Strategie – Zusammenhalten, Putin isolieren, der Ukraine militärische Siege ermöglichen – ist richtig, und sie funktioniert. Russlands Präsident fällt dagegen nur noch zunehmend bizarres, folgenloses Gehabe ein. Es muss folgenlos bleiben. Dann wird es scheitern.

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Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

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