Awareness-Team der Frankfurter Buchmesse: Zuständig für verbale Übergriffe

Auf der Frankfurter Buchmesse gibt es dieses Jahr zum ersten Mal ein „Awareness-Team“. Es ist auch eine Reaktion auf die Präsenz rechter Verlage.

Einzelne Buchmessebesuchter sitzen auf Bänken vor einer weißen Wand, auf der "relax" steht

Damit es auf der Buchmesse wirklich entspannt zugeht, hilft das „Awareness-Team“ (nicht im Bild) Foto: Sebastian Gollnow dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH

FRANKFURT AM MAIN taz | In leuchtend gelbe Warnwesten gekleidet schreiten zwei junge Frauen schnellen Schrittes über das Außengelände der Buchmesse. „Awareness Team Frankfurter Buchmesse“ steht auf ihren Westen. Spricht man sie auf ihre Funktion an, antworten sie, dass sie zwar zum Glück nicht ständig frequentiert würden, es aber schon einige Anfragen und Beschwerden gegeben habe.

„Wir sind vor allem für verbale Übergriffe zuständig, für physische Bedrohungen gibt es ja den Sicherheitsdienst“, sagt eine der beiden später in einem Pressegespräch, und ihre Kollegin ergänzt: „Viele sind froh, dass jetzt eine solche Ansprechstruktur existiert.“

Erstmals ist ein solches Awareness-Team in diesem Jahr während der Buchmesse im Einsatz. Es besteht aus drei Mitarbeitenden des Bundes für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit e. V. (BDB), die anonym bleiben wollen. Fühlt sich jemand beim Messebesuch diskriminiert oder belästigt, kann er sich an diese Stelle wenden, in Halle 4 hat der BDB einen Stand. Aus Clubs kennt man diese Awareness-Teams bereits – dort geht es aber häufig auch um sexuelle und körperliche Übergriffe.

Im vergangenen Jahr hatte die Aktivistin und Autorin Jasmina Kuhnke die Buchmesse boykottiert, weil sie sich als schwarze Autorin dort nicht sicher fühlen würde. Rechtsextreme Verlage wie der Jungeuropa Verlag hatten 2021 Stände bei der Messe. Auch in diesem Jahr sind mit der Jungen Freiheit, dem Gerhard-Hess-Verlag und dem österreichischen Karolinger Verlag rechtsgerichtete Verlage in Frankfurt am Main zu Gast, Kuhnke und einige andere Ak­ti­vis­t:in­nen bleiben der Messe deshalb erneut fern.

Kritik an Buchmesse-Direktor Jürgen Boos

Mirrianne Mahn, Grünen-Stadtverordnete in Frankfurt, fordert gar den Rücktritt des Buchmesse-Direktors Jürgen Boos, weil er die Präsenz der rechten Verlage zuließe. Da kann man schon fragen, ob es auch eine Nummer kleiner geht – schließlich ringt die Buchmessen-Leitung um den richtigen Umgang mit dem Problem und stellt sich offensiv dem Diskurs.

In der aktiven Arbeit während der Messe ist das Awareness-Team vor allem für die Beratung und Begleitung von Menschen da, die von Diskriminierung betroffen sind. Wie viele Vorfälle es bisher gegeben hat, wollen sie nicht sagen, auch über Details möchten sie nicht sprechen. Aufgesucht worden seien sie bislang wegen eines Falls von sexueller Belästigung, zudem habe es eine verbale rassistische Attacke gegeben.

„Uns geht es aber auch um Zugänglichkeit“, erklärt der dritte im Awareness-Bunde, „wir sind zum Beispiel auch zuständig, wenn es um die Barrierefreiheit des Gebäudes geht.“ Wie ihre Präsenz aufgenommen wurde? „Viele sind neugierig und wollen wissen, was wir machen“, erzählt eine der Frauen.

Auch die Security-Dienste und die Polizei sind auffällig präsent auf dem Messegelände. Sicherheit, so betont Kathrin Grün, Pressesprecherin der Frankfurter Buchmesse, sei jedes Jahr ein großes Thema. So müssten sie den Schutz der prominenten Gäste gewährleisten, in diesem Jahr wird etwa Olena Selenska, Ehefrau des ukrainischen Staatschefs, zu Gast sein. Daneben gilt es zum Beispiel russische Men­schen­recht­le­r:in­nen zu schützen.

Am Stand der Jungen Freiheit, wo es schon mal zu physischen Attacken auf linke Protestierende kam, ist es bis dato ruhig, am Freitagmorgen verirren sich nur ein paar gescheitelte, steife Jungs in schlecht sitzenden Anzügen dort. Bei der Jungen Freiheit sieht man durch ein Awareness-Team auf der Messe natürlich gleich die Meinungsfreiheit eingeschränkt und die Messe einem Wokeness-Diktat unterworfen, wie ein Banner suggeriert („Willkommen im safe space für freie Meinung“). Absurder wird es hier, in der rechten Ecke der Halle 4, nicht mehr.

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