Apple-Doku über Selena Gomez: Von Zeiten ohne Licht

Die Doku „Selena Gomez: My Mind and Me“ verzichtet auf die klassische Karrieren-Erzählung. Der Fokus liegt auf der Krankheitsgeschichte des Popstars.

Selena Gomez im lila Kleid auf dem roten Teppich

Multitalent Selena Gomez bei der Premiere ihrer Doku Foto: Image Press Agency/NurPhoto/imago

Mit über 350 Millionen Fol­lo­wer*­in­nen zählt sie zu den Top 5 bei Instagram. Sie hat sechs Alben veröffentlicht und spielt in zahlreichen TV-Serien und Kinofilmen mit. Zuletzt war sie in einer Hauptrolle in der emmyprämierten Comedy-Serie „Only Murders in the Building“ zu sehen.

Über die Karriere der gerade mal 30-jährigen Selena Gomez ließe sich einiges sagen, immerhin begann sie schon im Alter von sieben Jahren. Die Apple-TV-Doku „Selena Gomez: My Mind & Me“ verzichtet darauf fast komplett, denn es soll um etwas anderes gehen. Schon bei den Opening Credits wird aus ihrem Tagebuch vorgelesen: „Ich werde dir nur meine dunkelsten Geheimnisse erzählen.“

Die ersten Minuten der Apple-Produktion muten noch wie eine klassische Promi-Doku an. Es ist 2016 und die 23-Jährige bereitet sich auf ihre Welttournee zum Album „Revival“ vor. Das Ziel der Tour ist es, ihr Image vom Disney-Mädchen (mit der Serie „Die Zauberer vom Waverly Place“ schaffte sie als Teenagerin ihren Durchbruch) loszuwerden und als erwachsene Künstlerin ernst genommen zu werden. Doch die Vorbereitungen laufen nicht nach ihrer Zufriedenheit. Gomez sitzt im Ankleideraum und weint, groß ist ihre Angst, jemanden zu enttäuschen. Dabei ist die Tour ein Erfolg: ausverkaufte Stadien, weinende Teenies, ein Publikum, das die Texte von vorne bis hinten auswendig mitsingen kann.

Ende der Tournee

Doch nach drei Monaten und 55 Konzerten muss sie die Tournee aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Panikattacken und eine Depression, an denen sie begleitend zu der Autoimmunkrankheit Lupus erkrankt ist, machen es für Gomez unmöglich weiterzuarbeiten.

In den vergangen Jahren haben die Streaming-Riesen eine Vielzahl von Promi-Dokus produziert: Jennifer Lopez, Billie Eilish, Paris Hilton, Taylor Swift. Die Liste ließe sich noch um einige weitere Namen ergänzen. Das Erzählprinzip verläuft dabei meistens ähnlich. Eine prominente Person lässt sich bei den Vorbereitungen auf ein großes Event (Welttournee, neues Album, Superbowl-Halftime-Show) begleiten.

Im Zuge dessen wird eine leidvolle Erfahrung oder ein Wandel in der Persönlichkeit thematisiert: Paris Hilton erzählt von missbräuchlichen Erfahrungen im Internat, Taylor Swift vom Druck, der von allen Seiten auf ihr lastete, und JLo, wieso sie durch Donald Trump auf einmal politisch werden musste. Es sind teils schmerzliche Erfahrungen, die aber in der Regel aus der Vergangenheitsperspektive erzählt werden; als etwas, das überwunden wurde.

Hiervon hebt sich die Doku über Selena Gomez ab, denn sie lässt sich in ihren dunkelsten Phasen begleiten. Ein Licht am Ende ist nicht zwingend zu sehen. Gomez hat ihre Krankheiten nicht „überwunden“, aber gelernt, damit zu leben. Auf diesem Weg ließ sie sich sechs Jahre lang vom Regisseur Alek Keshishian mit der Kamera begleiten: auf Promo-Tour für ihr neues Album nach London, auf Heimatbesuch in ihren Heimatort Grand Prairie in Texas, aber eben auch ins Krankenhaus. Es ist die Zeit, in der sie sich endgültig von Popstar Justin Bieber trennte, sie eine Nierentransplantation bekam und immer wieder ihre Karriere und beizeiten auch ihr Leben aufgeben wollte.

Obwohl die Doku keine chronologisch stringente Geschichte erzählt, sondern collagenartig arbeitet, zieht die Geschichte schnell in den Bann. Was auch daran liegt, dass sie nicht nur traurig, sondern auch überraschend ehrlich ist.

Nicht nur Gomez’ Krankheitsgeschichte und ihr Kampf für mehr Awareness im Umgang mit psychischen Erkrankungen bekommt dabei viel Raum, sondern auch ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie die vielschichtige Freundinnenschaft zwischen ihr und Raquelle Stevens – die als Begleitung bei all ihren Reisen auch zu einer Art Krankenschwester und laienhafter Psychotherapeutin für den Popstar wird. Dass es da mal Streit gibt, ist nicht verwunderlich und die beiden scheuen sich nicht, das auch vor der Kamera zu zeigen.

Obwohl Selena Gomez mit „My Mind and Me“ sicherlich Aufmerksamkeit für psychische Erkrankungen schaffen wird, verhaftet die Doku an vielen Stellen zu sehr an der Oberfläche, um wirklich Aufklärung zu schaffen. Verwunderlich ist das nicht, eignet sich das Format Promi-Doku eben nur bedingt zur Aufklärung. Für Millionen Fans von Selena Gomez spielt das sicherlich keine Rolle, verfolgen sie eh alles, was das Multitalent hervorbringt.

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