Gewalt gegen Geflüchtete in Kenia: Leere Versprechen

Viele LGBTIQ-Menschen verlassen Uganda und fliehen nach Kenia. Auch dort erfahren sie homofeindliche Gewalt. Ihre Proteste werden bislang kaum gehört.

Ein Mann mit Regenbogenflagge und eine Frau mit Kind laufen

Queere Geflüchtete beim Protestmarsch zum Büro des UNHCR in Kenia im Jahr 2019 Foto: Asuyoshi Chiba/getty images

KAMPALA taz | „Ich bin so erschöpft“, sagt Juliet Wabule, dann fängt sie an zu schluchzen. Die 45-jährige Uganderin sitzt in Kenias Flüchtlingslager Kakuma vor ihrem Laptop und berichtet per Video der taz von der „hoffnungslosen Lage, in der wir uns hier befinden.“ Ihr ist der Stress der vergangenen Jahre deutlich anzusehen. „Jetzt werden wir hier auch noch geschlagen und verhaftet“, sagt sie. Die Homophobie in Kenias Lager sei schlimmer als die in ihrer Heimat Uganda.

Wie so viele ugandische Homosexuelle hat Wabule ihr Heimatland vor drei Jahren verlassen. Bereits 2013 hat Ugandas Parlament ein Gesetz verabschiedet, das zunächst die Todesstrafe und später lebenslange Haftstrafen für Schwulen und Lesben vorsah. Nach heftiger internationaler Kritik erklärte das Verfassungsgericht 2014 das Gesetz für nichtig. Vom Tisch ist es deswegen jedoch noch lange nicht. 2021 verabschiedete das Parlament ein ähnliches Gesetz. Dieses Mal sieht es „nur“ fünf Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen vor und nicht mehr lebenslänglich. Ugandas Präsident Yoweri Museveni muss es noch unterzeichnen, damit es in Kraft treten kann.

Es hänge nun in der Luft wie ein Damoklesschwert, so Frank Mugisha, Vorsitzender der ugandischen NGO Smug, die sich in Uganda für die Interessen von Homosexuellen einsetzt. „Es ist ein weiteres Gesetz, das von Strafverfolgungsbehörden genutzt wird, um LGBTIQ-Leute zu belästigen, zu erpressen und zu verhaften“, sagt er. Für ihn ist das neue Gesetz ein Ablenkungsmanöver, das von der Regierung gezielt genutzt wird, um von den politischen und gesellschaftlichen Krisen abzulenken.

2021 war Wahljahr, und Ugandas Opposition wurde gefoltert und drangsaliert – die politische Debatte drehte sich aber um das sogenannte Anti-Schwulen-Gesetz. Dabei sind gleichgeschlechtliche Beziehungen in Ugandas Strafesetzbuch bereits durch die britischen Kolonialherren verboten worden. Für eine weitere Verschärfung sieht Mugisha deswegen überhaupt keinen Anlass.

Festsitzen in der Wüste

Selbst wenn das neue Gesetz noch nicht in Kraft ist, sind in den vergangenen Jahren ein Großteil der schwulen und lesbischen Menschen aus Uganda geflohen. Einige haben in Europa Asyl erhalten, in den Niederlanden oder auch in Deutschland. Doch die Reise dorthin ist lang und teuer, die Wahrscheinlichkeit für einen Asylantrag gering. Die meisten suchen daher in den Nachbarländern Schutz, vor allem in Kenia. Sie enden dann wie Wabule im Flüchtlingslager Kakuma, im heißen Nordwesten des Landes. „Wir sitzen hier seit Jahren tatenlos in der Wüste fest“, berichtet die Mutter von drei Kindern. „Andere Geflüchtete bekommen einen Flüchtlingsstatus und erhalten dann Hilfe von internationalen Organisationen“, so Wabule. „Die kenianischen Behörden weigern sich, unsere Fälle zu bearbeiten.“

Dahinter vermutet Wabule politische Taktik. Kenias derzeitiger Präsident William Ruto ist ähnlich wie sein Vorgänger mit Ugandas Präsidenten­familie eng befreundet. In Uganda ist vor allem die in der Regierung einflussreiche Präsidentengattin Janet Museveni eine Verfechterin der harschen Gesetze gegen LGBTIQs. Als streng religiöse Bildungsministerin hat Museveni den Hass auf Homosexuelle in Ugandas konservativer Gesellschaft befeuert, indem sie ihnen vorwarf, Kinder und Jugendliche in den Schulen zur Homosexualität zu „rekrutieren“. Sie verbot auch jeglichen Sexualkundeunterricht in Uganda, um das Thema gleichgeschlechtliche Sexualität gänzlich zu unterbinden. Dies führt bis heute zu hohen Zahlen ungewollter Schwangerschaften unter ugandischen Mädchen.

Nationale und internationale NGOs kritisieren Uganda dafür – erfolglos. Denn obwohl die Anti-Schwulen-Gesetze nie in Kraft traten, ist Ugandas Gesellschaft extrem homofeindlich. Die Homophobie reiche bis in die eigene Familie, berichtet Wabule. Sie hat dies selbst erlebt. Ihre Fluchtgeschichte ist beispielhaft für viele lesbischen und schwulen Menschen Ugandas.

Wie eine Sprecherin der LGBTIQ-Geflüchteten

„Die Familie meines Mannes hat mir meine Tochter weggenommen, damit, wie sie es sagen: ich ihr nicht beibringe lesbisch zu sein“, sagt sie. „Mein Vater ist Pfarrer, und als er erfuhr, dass ich mit meiner besten Schulfreundin ein Verhältnis habe, hat er mich verstoßen“, sagt sie und weint. Sie sei als 17-Jährige von der Schule geflogen, hätte nie ihren Abschluss machen können. Nach Jahren heimatlos auf der Straße in Ugandas Hauptstadt Kampala habe dann ihre Tante beschlossen, sie mit einem muslimischen Mann zu verheiraten.

„Von ihm habe ich die drei Kinder“, sagt sie. Doch dann starb ihr Mann überraschend an Lungenversagen. „Noch in der Trauerphase erwischte mich der Vater meines verstorbenen Mannes im Bett mit meiner Freundin“, sagt sie. Daraufhin musste sie fliehen. „Ich wusste, ich werde nirgendwo in Uganda mehr sicher sein“, sagt Wabule. Sie hatte keine Wahl und floh ins Nachbarland Kenia.

Wie so viele ugandische LGBTIQs ist sie seither im Lager Kakuma gestrandet. Denn ohne genehmigtes Asyl dürfen Geflüchtete in Kenia die Lager nicht verlassen und auch nicht arbeiten. Sie haben auch kein Anrecht auf Hilfslieferungen oder Bildungsangebote wie vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Sie werden zudem von anderen Flüchtlingen im Lager regelmäßig angegriffen und drangsaliert. Im April 2021 starb ein 22-jähriger schwuler Mann aus Uganda an seinen Verbrennungen, als die Baracke, in welcher die rund 300 Menschen aus Uganda untergekommen sind, angezündet wurde und niederbrannte. „Viele unserer Leute haben sich deswegen aus dem Staub gemacht“, berichtet Wabule. Sie ist seither quasi Sprecherin der LGBTIQ-Flüchtlinge in Kakuma. „Sie laufen zu Fuß in den ­Sudan und dann weiter zum Mittelmeer.“

Damit sich ihre Situation in Kakuma verbessert, demonstrieren die Geflüchteten regelmäßig. So auch vergangenen Mittwoch. „Wir verlangen von der UNHCR, dass sie uns in ein anderes Lager verlegen oder uns beschützen“, erklärt Wabule. Um ihre Forderungen, die sie per E-Mail eingereicht hatten, zu untermauern, starteten sie einen Protestmarsch vom Lager zum nahe gelegenen UNHCR-Büro. Doch unterwegs wurden sie von der kenianischen Polizei gestoppt: „Sie haben uns geschlagen und mit Tränengas besprüht“, sagt Wabule. „Wir sind davongerannt“.

Doch nicht allen war die Flucht gelungen. 15 Männer und fünf Frauen seien festgenommen und auf das lokale Polizeirevier gebracht worden, erzählt sie. Wabule hat ihre Mitstreiter dort am nächsten Tag in der Zelle besucht. „Der Lager-Manager und die Polizisten waren so wütend auf uns. Doch wir haben ein Recht darauf zu demonstrieren, wie in jedem zivilisierten Land auch.“

Auf taz-Anfrage antwortete UNHCR in Kenia am Donnerstag mit einer Pressemitteilung: „Die Demonstranten wurden von der Polizei aufgefordert zu gehen, da ihr Protest nicht offiziell genehmigt war.“ Und weiter: „Die Situation eskalierte und ingesamt wurden 18 Personen verhaftet und abgeführt.“ Anders als bei Twitter zu lesen sei, sei jedoch keine Person verletzt worden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk versichert, dass es sich dafür einsetze, dass alle Geflüchteten und Asylbewerber in Kenia, inklusive die LGBTIQs, „mit dem bestmöglichen Schutz und Hilfe auf fairer und gleichberechtigter Basis“ behandelt werden. Kenias nationale Flüchtlingsagentur sowie die Polizei schweigen sich über den Vorfall aus.

Wabule rollt in Anbetracht der UNHCR-Erklärung mit den Augen. „Die kenianischen Behörden haben uns jetzt versprochen, dass sie unsere Anträge innerhalb einer Woche bearbeiten“, berichtet sie. Dieselben Versprechen wurden bereits nach den vergangenen LGTB-Protesten in Kakuma gemacht. „Doch wir haben keine Hoffnung mehr“, folgert sie. „Wir werden einfach weiter protestieren“, sagt sie und klingt resigniert: „Um weiter geschlagen zu werden.“

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