Korruption in Katar: Geölt, geschmiert, gewonnen

Wie Katar sich im Weltsport festsetzt und mit viel Geld dafür sorgt, dass Verbände gefügig sind. Und welche Rolle die Justiz spielen sollte.

Fifa-Präsident Gianni Infantino und ein paar Scheichs auf einer WM-Tribüne

Gianni Infantino, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und weitere sehr wichtige Herren Foto: Ulmer/Teamfoto/imago

Aserbaidschan hat vorgemacht, wie man Politiker mit Geldgeschenken und Lustreisen beeinflusst, dabei brauchte Katar gar keine Schablone, die es wohl in gleicher Absicht übers Europaparlament gelegt hat. Katar weiß aus eigener Erfahrung, wie man Interessen steuert. Bei der griechischen Vize-Parlamentspräsidentin Eva Kaili wurde nun nach einer Hausdurchsuchung viel Bargeld gefunden. Laut Brüsseler Staatsanwaltschaft steht ein „Golfstaat“ im Verdacht, mit beträchtlichen Summen und Geschenken „wirtschaftliche und politische Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen“. Weitere Parlamentarier sollen betroffen sein.

Bei diesem Golfstaat soll es sich um Katar handeln. Sozialdemokratin Kaili hatte am 21. November im EU-Parlament eine Rede zur Menschenrechtssituation in Katar gehalten, in der sie sich positiv über das Emirat äußerte, ihm eine „historische Transformation“ bescheinigte. Die Fußball-WM sei ein Zeichen, „dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Deshalb habe man auch „nicht das moralische Recht“, durch Kritik „billige Medienaufmerksamkeit zu bekommen“, so Kaili. Es gebe in Katar eine „neue Generation intelligenter, hochgebildeter Menschen“.

Das sind an sich legitime Ansichten, die in einem breiten Meinungsspektrum kein Aufsehen erregen sollten. Nichts anderes sagt ja auch Fifa-Präsident Gianni Infantino – oder die Internationale Arbeitsorganisation ILO, die ein Büro in Doha unterhält. Allerdings überwies das Emirat Katar bereits im Jahr 2017 25 Millionen an die ILO, und in der Fifa trieb der berüchtigte Mohamed bin Hammam aus Katar sein Unwesen, der 2012 lebenslang vom Fußballweltverband wegen Korruption gesperrt wurde. Katar hat sich über die Europäische Klubvereinigung ECA in die Exekutive der Uefa „eingekauft“; Nasser Al-Khelaifi sitzt dort als Präsident von Paris Saint-Germain FC.

Al-Khelaifi steht auch in einer gewissen Traditionslinie: Ein Schweizer Gericht wirft ihm vor, er habe als Besitzer der Mediengruppe BeIN vor der Vergabe der Rechte den ehemaligen Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke „nicht gebührende Vorteile“ zukommen lassen. Bereits 2017 wurde deshalb ein erstes Strafverfahren angestrengt, vor anderthalb Jahren wurde Al-Khelaifi in dieser Causa freigesprochen. Im Frühjahr 2022 stellte die Bundesanwaltschaft vor dem Berufungsgericht des Bundesstrafgerichts jedoch wieder einen Strafantrag wegen „Anstiftung zu schwerer untreuer Geschäftsführung“. Angeblich soll die Staatsanwaltschaft fürs zweite Verfahren 28 Monate Haft für Al-Khelaifi fordern, Valcke könnte sogar für 35 Monate ins Gefängnis kommen.

Katar sitzt nicht nur bis 2024 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und es hat seine Zuwendungen an die UNO in den vergangenen zehn Jahren nicht nur erheblich erhöht, Katar hat auch weitere Organisationen des Sports „unterwandert“. Die Schweiz wurde hierfür zum Dreh- und Angelpunkt: „Genf, das fast 10.000 km von der katarischen Hauptstadt Doha entfernt liegt, ist für die Diplomatie und das Lobbying des Emirats ebenso wichtig geworden wie der Fußball“, schreibt Swissinfo. Hier hat der Golfstaat das International Centre for Sports Security (ICSS) und die Sports Integrity Global Alliance (SIGA) ins Leben gerufen, die ein positives Image des Ausrichters der Fußball-WM in die Welt tragen sollen. Es geht wieder mal um „Transparenz und Integrität im Sport“, wie in Fensterreden so gern betont wird.

Eine weitere Organisation, schreibt Swissinfo, das Zentrum für Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung ROLACC, habe ebenfalls mit Katar an seiner eigenen Agenda zur Korruptionsbekämpfung und Integrität gearbeitet. ROLACC wurde 2016 in Genf von seinem Gründer Ali bin Fetais Al-Marri, dem Generalstaatsanwalt von Katar, der auch UNO-Sonderbeauftragter für Korruptionsbekämpfung gewesen ist, eingeweiht. Gründer des ICSS ist wiederum Mohamed Hanzab, ein ehemaliger katarischer Militär. Seit 2010 organisiert das Zentrum auch die Konferenz „Securing Sport“. ICSS-Generaldirektor war übrigens der Deutsche Helmut Spahn. Horst R. Schmidt, immerhin Vize des deutschen WM-Organisationskomitees 2006, saß im Beirat des ICSS.

Laut Website waren die größten Geldgeber von SIGA im Jahr 2018 Qatar Airways, ICSS Insight, eine gemeinnützige Einrichtung, die mit ICSS verbunden ist, und Mastercard. Als „Partner“ firmieren die Uefa, die Unesco oder die Qatar Stars League. ICSS ist verbandelt mit der Initiative „Save the Dream – for the Purity of Sport“, in der sich die Katarer ein illustres Portfolio von Sportprominenten zusammengestellt haben: den französischen Fußballer David Trezeguet etwa, die portugiesische Ex-Marathonläuferin Rosa Mota oder Frankreichs Ex-Kicker Christian Karembeu. Die europäischen Sportler transportieren jene „ethischen“ Werte, die die Katarer für sie in Sonntagsreden entworfen haben.

Und wenn ihnen die Worte ausgehen, assistiert Sheikha Hessa bin Hamad bin Khalifa Al-Thani. Sie ist nicht nur Generalsekretärin der „Arab League for Humanitarian Affairs“, sie spricht auch gern für „Save the Dream“ über Träume und so, auch in Doha während der WM. So greift ein Rädchen ins andere. Die vielseitigen Strategien der Softpower haben die katarischen Macher und Machthaber wahrlich verinnerlicht: Harte Interessen werden so lange weichgespült, bis sich die Fäden zu einem formidablen Netzwerk verstricken lassen. Manchmal müssen sich allerdings Staatsanwälte das Geflecht genauer anschauen.

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