Richtig schön kaputte Musik

Mona Mur scharte in den 80er Jahren bekannte Berliner Krachmacher um sich und spielte mit ihrer Band als Vorgruppe für Sonic Youth. 40 Jahre später erblicken auf „The Original Band 1984–86“ nun endlich verschollene Songs das Tageslicht

Von Andreas Hartmann

Jahrzehntelang gammelten diese Aufnahmen in Archiven herum. Nun, wo sie zum allerersten Mal überhaupt in dieser Form veröffentlicht werden, wie es sich gehört, auf Vinyl und für alle anderen digital, kann man sich fragen: Warum nicht damals schon? Vielleicht wäre Mona Mur, von der jetzt besagte verschollene Stücke unter dem Titel „The Original Band 1984–86“ erscheinen, ein kleiner Star geworden und auch heute noch mehr als bloß ein paar Insidern bekannt.

Das Potenzial dafür war ja vorhanden. Mona Mur, die eigentlich Sabine Bredy heißt und in Hamburg geboren wurde, scharte Mitglieder der Berliner Krachinstitution Einstürzende Neubauten um sich, namentlich Mark Chung, Alexander Hacke und FM Einheit, nannte ihre Begleitband Die Mieter und veröffentlichte 1982, in der Hochphase des Postpunks, ihre erste Single. Die wurde glatt ein Erfolg und man interessierte sich sogar international für die androgyn wirkende Hamburgerin mit ihren Berliner Jungs.

Da war es nur folgerichtig, dass sie sich schon bald in ein Hamburger Studio vergrub, zusammen mit den Mietern, die sich inzwischen umbesetzt hatten, wobei Hacke und Einheit noch mit dabei waren. Und man spielte all die Songs ein, die man jetzt endlich hören kann. Von den acht Nummern sind fast die Hälfte Coverversionen von Liedern aus den Federn von Bertolt Brecht und Kurt Weill: „Surabaya Johnny“, „Die Ballade vom ertrunkenen Mädchen“ und „Der Song von Mandelay“. Bei Mona Mur werden aus den alten Liedern morbide, schleppende Postpunkstücke. Der Sound ist düster und klingt nach Nick ­Caves zweiter Band, The Birthday Party, die sich Anfang der Achtziger in Berlin niedergelassen hatte. Man mag auch an eine andere einflussreiche Band aus der Mauerstadt dieser Tage denken, nämlich an Die Haut. Man hört mithin richtig schön kaputte Musik. Die durch Mona Murs dunkle Stimme aber auch einen Hauch von Sexyness bekommt.

Da war sie also, die deutsche Antwort auf Lydia Lunch. Aber davon bekam kaum jemand etwas mit. Außer vielleicht bei den Konzerten, in denen die Stücke aufgeführt wurden. Mona Mur trat damals sogar als Vorband von Sonic Youth auf, die gerade dabei waren, zur großen Sensation des amerikanischen Independentrocks zu werden. Bloß auf Tonträger gepresst wurde eben keines der Stücke.

Aber warum nicht? Mona Mur sagt in einem Ausschnitt eines für den Herbst angekündigten Dokumentarfilms von Dietmar Post, der mit seinem kleinen Berliner Label Play Loud! die Wiederentdeckung Mona Murs eingeleitet hat, man sei damals wahrscheinlich „zu arrogant“ gewesen. Man habe auf immer noch bessere Angebote von Plattenfirmen gewartet, die dann nie kamen. Und als die Einstürzenden Neubauten ein längeres Engagement für eine Inszenierung von Peter Zadeks Musical „Andi“ im Hamburger Schauspielhaus annahmen, hatten Alexander Hacke und FM Einheit keine Zeit mehr für Nebentätigkeiten in Mona Murs Band. Diese zerfiel und das eigentliche Debütalbum der inzwischen 62-jährigen Hamburgerin erschien erst 1988. Auf einem großen Label, mit einem viel poppigeren und geschliffeneren Sound als einst. Doch groß interessieren wollte sich für diese Platte kaum noch jemand.

Mona Mur widmete sich danach erst einmal dem Sport, wurde zweifache Deutsche Vizemeisterin im Taekwondo. Sie gründete eine Musikproduktionsfirma, konnte Kompositionen etwa in Filmen von Fatih Akin unterbringen und tritt auch wieder als Musikerin auf. Teils begleitet von ihrem Mitstreiter aus vergangenen Tagen, FM Einheit.

Mona Mur: „The Original Band“ (Play Loud!)