Chinesischer Spionageballon: Politisches Hochdruckgebiet über USA

Mit dem Ballon im US-Luftraum hat China für eine weitere Krise zwischen den zwei Weltmächten gesorgt. Nach dem Abschuss bleiben viele Fragen offen.

Weißer geplatzter Ballon mit einer Rauchwolke an blauem Himmel

Politisch getrübter Himmel: Sidewinder-Rakete trifft den Ballon über der Atlantikküste von South Carolina Foto: Randal Hill/Reuters

Tagelang hatte ein chinesischer Ballon über den USA für Aufregung gesorgt, in der Nacht auf Sonntag wurde er von der US-Luftwaffe abgeschossen. Den Befehl zum Abschuss „sobald wie möglich“ habe US-Präsident Joe Biden schon am Mittwoch vergangener Woche gegeben, hieß es aus Washington. Das US-Verteidigungsministerium erklärte, man habe jegliche Gefahr für US-Amerikaner*innen am Boden vermeiden wollen und daher gewartet, bis sich der Ballon über dem Atlantik befand.

Dann habe ein F-22-Kampfjet den Ballon innerhalb der 6-Meilen-Zone vor der Küste South Carolinas abgeschossen. Die Überreste des Ballons, der in einer Höhe von 18 bis 20 Kilometer abgeschossen wurde, fielen ins an dieser Stelle nur 14 Meter tiefe Meer und werden derzeit von der US-Marine geborgen. Das allerdings kann mehrere Tage in Anspruch nehmen, hieß es aus dem Pentagon, denn die Teile seien über einige Kilometer verstreut.

Auf Fotos waren an der Unterseite des Ballons deutlich mehrere Solarpanele und verschiedene technische Gerätschaften zu erkennen – womöglich auch ein Antrieb, was eine gezielte Steuerung des Ballons ermöglichen würde. Welche Art von Daten der Ballon gesammelt hat und ob sie gespeichert oder direkt übertragen wurden – darüber erhoffen sich die US-Behörden Auskunft, wenn die Einzelteile geborgen und ausgewertet sind.

Bereits am 28. Januar war der Ballon erstmals über US-Territorium gesichtet worden, hatte dann den Luftraum wieder verlassen, um dann erneut aufzutauchen und über mehrere sensible Militäranlagen der USA zu fliegen. Chinas Beteuerungen, es habe sich lediglich um einen zivilen Wetterballon gehandelt, der aufgrund starker Westwinde vom Kurs abgekommen sei und die USA versehentlich überflogen habe, schenkte in Washington niemand Glauben.

Ballons für Spionage durchaus vorteilhaft

Zum Aufklärungswert von Ballonflügen allerdings gibt es unterschiedliche Aussagen. Ein Pentagon-Sprecher sagte am Samstag: „Unsere Einschätzung – und wir werden mehr wissen, wenn die Reste geborgen sind – war, dass damit vermutlich keine Daten erkundet werden können, die China nicht auch auf anderen Wegen bekommt, Satellitenaufklärung etwa. Dennoch: Dieser Ballon hat sensible Gebiete überflogen, einschließlich militärischer Anlagen, und so haben wir dafür gesorgt, dass die möglicherweise gewonnenen Erkenntnisse so klein wie möglich bleiben.“

Andere Experten hielten Spionageballons durchaus für vorteilhaft: Immerhin könnten sie sehr lange über auszukundschaftendem Gebiet verharren, während Satelliten sich ständig in Bewegung auf ihrer Umlaufbahn befänden. Und aus der US-Regierung hieß es jetzt, man habe in den vergangenen Jahren mehrmals chinesische Spionageballons bemerkt, dieser hier sei nicht der erste.

Und noch ein weiterer soll derzeit in Südamerika unterwegs sein: Die kolumbianische Luftwaffe berichtete, ein Objekt mit „ähnlichen Eigenschaften wie ein Ballon“ sei in seinen Luftraum eingedrungen. Es sei am Freitagmorgen in rund 17 Kilometer Höhe entdeckt worden, sei aber „keine Gefahr für die nationale Sicherheit“.

Politisch hat der Ballon bereits Schaden angerichtet: Nachdem der Ballonflug am Donnerstag öffentlich geworden war, sagte US-Außenminister Anthony Blinken am Freitag seinen fürs Wochenende geplanten ersten Besuch in China ab. Der hatte eigentlich einer Entkrampfung der zuletzt immer heftigeren Spannungen zwischen beiden Regierungen dienen sollen.

Das Ziel habe sich allerdings nicht geändert, sagt der frühere Obama-Berater in Asienfragen, Daniel Russel, der enge Verbindungen auch in die jetzige Regierung unterhält, dem Magazin Politico: „Die Biden-Regierung hat bereits signalisiert, dass sie sich bemühen wird, einen neuen Termin für den Besuch zu finden, wenn die Bedingungen es zulassen. Wenn die Sache damit erledigt ist, können beide Seiten wieder an die Arbeit gehen. Wenn allerdings die Chinesen jetzt armes Opfer spielen oder gar irgendwie Vergeltung üben, dann geht es weiter mit der Eskalationsspirale.“

In den USA hatten zuletzt die oppositionellen Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen der Biden-Regierung Schwäche gegenüber der chinesischen Führung vorgeworfen. Es ist anzunehmen, dass im republikanisch geführten Repräsentantenhaus demnächst Anhörungen zur Chinapolitik der Regierung stattfinden. Noch vor dem Abschuss am Samstag hatte etwa Donald Trumps früherer Außenminister Mike Pompeo der Biden-Regierung Schwäche gegenüber China vorgeworfen. Pompeo verlangte angesichts des Ballonflugs sofortiges Handeln – was Biden allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits veranlasst hatte.

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