Theaterstück über Frauen im Krieg: Der immer gleiche Krieg

Swetlana Alexijewitsch widmete mit „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ Frauen im Krieg ein Buch. Auf die Bühne bringt es das Theater Freiburg.

Vier Frauen stehen schräg angeordnet auf einer Bühne

Cornelia Dörr, Marieke Kregel, Anja Schweitzer und Laura Palacios auf der Bühne des Theater Freiburg Foto: Rainer Muranyi

Der Krieg war schon immer das Terrain der Helden, jener starken Männer, die auszogen, um die Ehre des Vaterlands zu verteidigen und die ganze Welt zu erlösen. Dass dieses Narrativ mehr Mythos als Realität ist, lässt sich schmerzvoll an Putins Invasion beobachten. Weder in den Legenden noch in der schrecklichen Wirklichkeit der Schlachtfelder kommen indes die Frauen zu Wort.

Zu Unrecht. Nie waren sie, um noch eine weitere Erzählchimäre zu bedienen, nur Wartende auf die Rückkehr ihrer Gatten von der Front. Spätestens heute wird sichtbar, dass sie – in der Ukraine mit ungefähr 20 Prozent – auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil des Heers repräsentieren. Umso mehr sollte ihnen, samt ihrer Nöte, Traumata und Verdienste, zugehört werden.

Dieser Meinung war Swetlana Alexijewitsch schon, als sie 2015 den Dokumentarroman „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ veröffentlichte, in dem sie Erinnerungen von Kämpferinnen im Zweiten Weltkrieg festhielt. Dass deren Geschichten nun von der Regisseurin Małgorzata Warsicka am Theater Freiburg auf die Bühne gebracht werden, muss man daher als großes Geschenk, mithin als längst überfällige Erweiterung unseres verengten Blickfeldes bezeichnen.

Im Fokus der Inszenierung steht vor allem das Wort, gesprochen von vier abwechselnd und stets zum Publikum sprechenden Darstellerinnen (Cornelia Dörr, Marieke Kregel, Laura Palacios, Anja Schweitzer). Als Militärs, Sanitäterinnen und Untergrundaktivistinnen werfen sie markerschütternde Schlaglichter auf Szenen der Entmenschlichung: Schüsse, die Lähmungen nach sich zogen, ein Kind, das lebendig in den Brunnen geworfen wurde, Foltererfahrungen, unzählige Glieder im Lazarett.

Mit Einschüben aus Euripides’ „Iphigenie in Aulis“

Um dieses Leid, das beinah jede blutige Auseinandersetzung zwischen Völkern mit sich bringt, als universelle Konstante zu beschreiben, durchbricht die polnische Regisseurin den Berichtreigen aus dem 20. Jahrhundert durch Einschübe aus Euripides’ „Iphigenie in Aulis“. Dazu versammeln sich die Protagonistinnen auf einem elliptischen Opferstein. Über ihm schwebt eine Spirale aus Halogenstäben. Leuchten sie, gemahnen sie an Himmelsblitze, wie man sie aus dem Luftkrieg kennt.

Überzeitlich erscheinen derweil die vorgetragenen archaischen Verse des antiken Tragikers: Um die Windstille zu beenden, muss in dessen Text Agamemnon seine titelgebende Tochter den Göttern opfern. Nur so vermag er die Fahrt mit seiner bewaffneten Flotte gen Troja fortzusetzen. Die Botschaft: Neben ihrer übersehenen Rolle als Soldatinnen waren Frauen schon immer die Opfer testosterongesteuerter, bellizistischer Gewaltexzesse. „Die Fähigkeit zu weinen“, heißt es in der Vorlage so ironisch wie melancholisch, sei eben „die Gabe der Frau“.

„Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“: Wieder am 14. 3., 18. 3. und 23. 4., jeweils um 20 Uhr im Theater Freiburg, Kleines Haus

Statt das Grauen zu verdrängen, haben die Figuren in der Freiburger Inszenierung einen Weg der Verarbeitung gefunden, nämlich im Lied. Mal marsch­artig, mal folkloristisch, zumeist aber elegisch muten die Stücke an. Sie verleihen der ansonsten minimalistischen und etwas zu bilderarmen Inszenierung, deren Kulisse sich im Wesentlichen auf einige schwarzmarmorierte Felsen beschränkt, die eigentliche Expressivität – und eine unerwartete Schönheit.

Vorgelesene Fragmente ukrainischer Frauen

Anfangs eher illustrativ eingesetzt, werden die teils mehrstimmigen, sehr berührenden Lamentos durch eine Live-Percussion mit Xylophon (Paulina Miu Kühling) unterlegt. Die Musik übernimmt die Schlusssequenz, sie klingt aus, nachdem die Schauspielerinnen das Parkett verlassen haben und eine kurze Geschichte zu hören war: Eine Frau schildert, wie ein Geigenspiel auf der Straße zu ihrem Moment wurde, in dem sie das Ende des Mordens ausmachte.

Vorbei ist allerdings kein Krieg. Eine sehr überzeugende Metapher bringt diese traurige Aussage an diesem Abend zum Ausdruck. Nach den Massakern hofft eine der Akteurinnen recht naiv auf eine Blütezeit der Humanität. Als könnte dieser Wunsch die Wunden heilen, als würde man jenseits all des imperialen Kräftemessens tatsächlich einmal des echten und verletzlichen Lebens gewahr werden, fällt der Lamellenvorhang im Hintergrund. Zum Vorschein kommt: ein neuer.

Geschichte wiederholt sich, ebenso in dieser zarten und einfühlsamen Aufführung, ebenso in den zuletzt vorgelesenen Fragmenten ukrainischer Frauen aus dem aktuellen Krisengebiet. Die Kulissen mögen sich ändern, das Schauspiel davor, es bleibt das immer gleiche.

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