Bezahlung in der Kommunalpolitik: Bürgermeisterin diskriminiert

Astrid Siemes-Knoblich wurde schlechter besoldet als ihr Vorgänger und Nachfolger im Amt, beides Männer. Nun bekommt sie Schadenersatz.

Portrait von Astrid Siemes-Knoblich

Astrid Siemes-Knoblich hat erfolgreich gegen die ungleiche Bezahlung geklagt Foto: Thomas Reichelt/picture alliance

FREIBURG taz | Auch in der Kommunalpolitik gibt es Verstöße gegen den Grundsatz von Equal Pay. Astrid Siemes-Knoblich, die ehemalige Bürgermeisterin von Müllheim in Südbaden, bekommt 52.216 Euro Schadenersatz, weil sie als Frau bei der Bezahlung vermutlich diskriminiert worden war. Die Stadt Müllheim konnte jedenfalls nicht das Gegenteil beweisen. Zu einem entsprechenden Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg von Anfang März liegt seit diesem Dienstag die Begründung vor.

Astrid Siemes-Knoblich war von 2012 bis 2020 Bürgermeisterin in der Kleinstadt Müllheim mit rund 19.000 Einwohner:innen. 2020 trat die parteilose Unternehmerin nicht erneut an. Heute arbeitet die 58-Jährige als Kommunikationsberaterin. Siemes-Knoblich wurde vom Müllheimer Gemeinderat 2011 in die Besoldungsstufe B3 eingestuft. Dabei hatte ihr Vorgänger René Lohs zum Schluss seiner Amtszeit B4 erhalten. Als Siemes-Knoblich erfuhr, dass auch der Nachfolger Martin Löffler B4 erhielt, sah sie sich als Frau diskriminiert und verlangte die Differenzsumme als Schadenersatz.

Die Stadt bestritt eine geschlechtsbezogene Diskriminierung. Vielmehr habe der Gemeinderat Siemes-Knoblich niedriger eingestuft, weil man mit dem Vorgänger unzufrieden war und sich die neue Bürgermeisterin erst bewähren sollte. Die Stadt räumte ein, dass diese Überlegungen rechtswidrig waren, denn die Einstufung bezieht sich auf die Bedeutung und Anforderungen des Amtes und nicht auf die Person und schon gar nicht auf Ärger über den Vorgänger. Allerdings hätten die rechtswidrigen Gründe nichts mit Siemes-Knoblichs Geschlecht zu tun, so die Stadt.

Vor dem Verwaltungsgericht Freiburg erhielt Ex-Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich nun dennoch Recht. Und das hat mit den Besonderheiten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu tun, auf das sie sich berief. Dabei hat der Beklagte die Beweislast, dass keine Diskriminierung vorliegt – allerdings nur, wenn die Klägerin zunächst Indizien präsentieren kann, die für eine Diskriminierung sprechen. Das AGG gilt im Zivilrecht und im Arbeitsrecht. Es verbietet unter anderem eine nicht gerechtfertigte Schlechterbehandlung wegen des Geschlechts.

Eindeutige Indizien für Diskriminierung

Im konkreten Fall sah das Verwaltungsgericht in der Besserbezahlung der männlichen Vorgänger und Nachfolger eindeutige Indizien für eine Diskriminierung. Eventuell hätte schon die Schlechterbehandlung gegenüber dem Vorgänger genügt. Diese Vermutung habe die Stadt nicht widerlegen können, so das Verwaltungsgericht. Die Einstufung von Siemes-Knoblich in Besoldungsstufe B3 erfolgte 2011 ohne jede offizielle Begründung.

Spätere Äußerungen einzelner Gemeinderäte und des Hauptamtleiters zum Ärger über den Vorgänger und die notwendige Bewährung der neuen Bürgermeisterin seien dem Gemeinderat als Gremium nicht zuzurechnen und daher kein ausreichender Gegenbeweis. Die Stadt kann gegen das Urteil noch Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim einlegen.

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