Thriller „Alice, Darling“ auf DVD: Ein Druck, den man kaum ahnt

Der Psychothriller „Alice, Darling“ ist das Regiedebüt der englischen Schauspielerin Mary Nighy. Sie erzählt darin subtil von psychischem Missbrauch.

Sophie (Wunmi Mosaku), Alice (Anna Kendrick) und Tess (Kaniethiio Horn) im Wald, Alice hält eine Axt

Freundinnen: Sophie (Wunmi Mosaku), Alice (Anna Kendrick) und Tess (Kaniethiio Horn) Foto: Verleih

Von außen sieht alles bestens aus im Leben von Alice (Anna Kendrick): Sie hat einen guten Job, sie hat mit Simon (Charlie Carrick) einen erfolgreichen Künstler als Freund, sie lebt in einer prächtigen Wohnung in der Mitte der Stadt und sie hat zwei beste Freundinnen, Tess (Kaniethiio Horn) und Sophie (Wunmi Mosaku), die sie nicht hängen lassen, wenn es mal ein Problem gibt. Und es gibt ein Problem, nur dass Anna und den anderen nicht wirklich klar ist, worin es besteht.

Zwar sieht man gleich zu Beginn, wie Alice sich auf dem Klo die Haare um den Finger wickelt und ausreißt, ein Symptom, dessen Ursache erst nach und nach deutlicher wird. Der Film, das Debüt der Regisseurin Mary Nighy, streut Andeutungen, gibt sich atmosphärisch als Thriller. Es dauert, bis man begreift, dass die Spannungen, die er erzeugt, eher innere sind.

Tess, die auch Künstlerin ist, nur nicht sehr erfolgreich, hat eine Aversion gegen Simon, die sich Alice als Neid zu erklären versucht. Ihren dreißigsten Geburtstag will Tess auf dem Land feiern: abgelegenes Haus, ein See, Holz wird gehackt. Alice kommt mit, belügt aber Simon, dem sie etwas von einer Dienstreise erzählt. Nervös blickt sie auf das Telefon, wenn es pingt. Das tut es nicht selten, denn Simon meldet sich oft, mit Nachrichten, die harmlos klingen, es in der Summe jedoch nicht wirklich sind.

„Alice, Darling“ erzählt von einer Beziehung, mit der etwas nicht stimmt. Es zeigt sich im Flashback beim Sex, auf den Alice nicht wirklich Lust hat; es ist aber nicht so, dass Simon sie nötigt. Als ihr ein Kellner in der Bar, der ihr gefällt, seine Adresse zusteckt, vernichtet sie den Zettel mit einem Eifer, an dem der Überschuss irritiert. Auch beim Essen, der Ablehnung von Zucker und Fett, übertreibt sie auf eine Weise, die auf Störungen deutet.

„Alice, Darling“ (USA 2022, Regie: Mary Nighy). Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich.

Simon sitzt ihr im Genick noch da, wo sie fern von ihm ist, als schlechtes Gewissen, das er ihr macht. Die Dinge liegen jedoch nicht klar zu Tage und nicht auf der Hand. Nicht für Alice selbst, die fahrig wirkt und die Freundinnen ohne sichtbaren Grund anfährt; aber auch für die Freundinnen zunächst einmal nicht, die sich verletzt fühlen von ihren Aggressionen und darauf manchmal selbst aggressiv reagieren.

Ein befreiender Schlag

Simons Übergriffigkeit ist durchaus subtil. Er setzt sie so unter Druck, dass es ihr erscheinen muss, als wäre es der Stress, den sie selbst sich als Leistungsdruck macht, auch, aber nicht nur in der Beziehung. Er schlägt Alice nicht, überhaupt ist die Bedrohung nicht physischer Art. Nicht einmal die ständigen SMS-Nachrichten sind eindeutig drohend oder auch nur passiv-aggressiv.

Der Film setzt ganz darauf, in erster Linie die Folgen zu zeigen, an denen man die Ursachen ablesen kann. Kurz scheint er im letzten Drittel in Richtung veritabler Thriller zu schwenken, der drohende Score will die ganze Zeit schon dahin. Klugerweise belässt es Nighy dann aber bei einem einzigen – befreienden – Schlag mit dem Beil.

Und so rückt „Alice, Darling“ nicht den Missbrauch und die Verletzung, sondern die Freundschaft unter Frauen und die Möglichkeit eines Auswegs ins Zentrum. In einer entscheidenden Szene ist es der gebannte Blick von Alice zu Sophie, der den Bann des anderen bricht.

Das alles funktioniert nur, weil Anna Kendrick, der vor allem aus den Twilight-Filmen und Komödien bekannte Star, sich in diesem weder spektakulären noch spekulativen Film nicht in den Vordergrund spielt. Sie fügt sich ins starke Ensemble, ein gutes Omen für „The Dating Game“, den ersten Film unter eigener Regie, den sie gerade abgedreht hat.

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