Studie über Folgen der Klimakatastrophe: Seen trocknen aus

Bei rund jedem zweiten großen See geht der Wasserstand zurück. Laut einer Studie liegt das an den üblichen Verdächtigen. Aber sie nennt auch Lösungen.

Eine Anlegestelle im Sau-Stausee hat kein Wasser mehr, ein Tretboot liegt auf dem Trockenen

Ein ausgetrockneter Stausee 100 Kilometer nördlich von Barcelona Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa

BOULDER dpa | Mehr als die Hälfte der größten Seen weltweit verliert Wasser. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach der Auswertung von Satellitendaten in der Fachzeitschrift Science. Die Austrocknung geht den Wissenschaftlern zufolge größtenteils auf die Erwärmung des Klimas und menschlichen Verbrauch zurück.

Natürliche Seen und Stauseen speichern etwa 87 Prozent des Süßwassers der Erde, obwohl sie nur 3 Prozent der Landfläche bedecken, schreibt die Gruppe. Doch vielerorts sind diese Wasserreservoirs bedroht: So vermeldete der Nordosten Spaniens erst kürzlich, dass die Stauseen in Katalonien nach monatelanger Dürre im Schnitt nur noch zu 26 Prozent gefüllt sind – vor einem Jahr waren es noch 58 Prozent. In Italien wurde für den Gardasee kürzlich ein ungewöhnlich niedriger Wasserstand verzeichnet.

Schon in den vergangenen Jahren ergaben Studien, dass das Volumen von Seen weltweit schrumpft, wobei immer wieder der Klimawandel als Faktor für die Entwicklung genannt wurde. Welchen Einfluss kurz- und langfristige Klimaschwankungen global auf das in Seen gespeicherte Wasser genau nehmen, ist allerdings schwer zu bestimmen, da auch menschliche Aktivitäten wie die Bewirtschaftung von Stauseen, Wasserentnahmen und Landnutzungsänderungen eine Rolle spielen.

Die Studie des Teams um den Hydrologen Fangfang Yao von der University of Colorado in Boulder zeichnet nun ein genaueres Bild. Die Forschenden entwickelten eine Technik zur Messung von Veränderungen der Wasserstände in fast 2000 der größten Seen und Stauseen der Welt, die zusammen grob 90 Prozent des in Seen gespeicherten Süßwassers beinhalten.

Verantwortlich sind Klimawandel und Verbrauch

Um Veränderungen der Wasserstände zu erfassen, nutzte das Team 250.000 Satellitenaufnahmen von 1992 bis 2020. Das Ergebnis: 53 Prozent der Seen weltweit verzeichneten zum Teil erhebliche Wasserverluste. Im Schnitt betrug dieser insgesamt etwa 22 Gigatonnen pro Jahr. Das entspricht knapp der Hälfte des Wasservolumens des Bodensees, der selbst auf einer zur Studie veröffentlichten interaktiven Karte als schrumpfendes Gewässer geführt wird.

Um diese Entwicklung zu erklären, nutzten die Wissenschaftler Klima- und Hydrologiemodelle. Demnach sind für den Volumenrückgang natürlicher Seen in erster Linie der Klimawandel und menschlicher Verbrauch verantwortlich. Ein Wasserschwund war dabei – entgegen früherer Studien – nicht nur in trockenen, sondern auch in feuchten Weltregionen wie den Tropen nachweisbar.

Mit Blick auf Stauseen stellte das Forschungsteam für zwei Drittel dieser Gewässer erhebliche Wasserverluste fest. Hier waren vor allem Ablagerungen ursächlich. Dazu kommt es, weil Staumauern den natürlichen Abtransport von Sedimenten in Flüssen wie etwa Sand, Kies oder Geröll blockieren. Über die Zeit sammeln sich diese Ablagerungen in Stauseen an und verringern so deren Volumen.

Erst kürzlich hatte eine UN-Studie im Fachblatt „Sustainability“ gewarnt, dass die weltweiten Stauseen bis 2050 rund ein Viertel ihrer ursprünglichen Speicherkapazität durch den Eintrag von Sedimenten zu verlieren drohen. Für Deutschland wurde ein Volumenverlust von 35 Prozent vorhergesagt.

Mögliche Lösung für Wasserknappheit

Während der aktuellen Arbeit zufolge die Mehrheit der Seen weltweit schrumpft, gab es bei 24 Prozent einen deutlichen Anstieg des Wasservolumens. Dazu gehören Gewässer in wenig bevölkerten Gebieten des inneren tibetischen Plateaus, in den Great Plains der USA sowie Regionen mit neuen Stauseen wie den Flussgebieten des Jangtse, des Mekong und des Nils. Auch die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern wird auf der zur Studie gehörenden interaktiven Karte als See mit wachsendem Volumen verzeichnet.

Die Autoren betonen, ihre Analyse sei nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern enthalte auch Hinweise auf mögliche Lösungen. „Wenn der menschliche Verbrauch ein wichtiger Faktor für den Rückgang der Wasserspeicher in den Seen ist, können wir uns anpassen und neue Strategien erforschen, um den Rückgang in großem Maßstab zu verringern“, sagt Mitautor Ben Livneh.

Als Beispiel nennt er den Sewansee in Armenien, bei dem eine Reglementierung der Wasserentnahme dafür gesorgt habe, dass sich das Volumen vergrößerte.

Wie wichtig solche Gesetze weltweit wären, betont Geophysikerin Sarah Cooley von der University of Oregon in einem Kommentar zur Studie. Sie verweist auf das Ergebnis, dass schätzungsweise fast ein Viertel der Weltbevölkerung in einem Einzugsgebiet mit einem großen, austrocknenden See lebe: „In Anbetracht der Bedeutung dieser Seen für Ökosysteme, Wasserversorgung, Bewässerung und/oder Wasserkraft sind die potenziellen Folgen des Austrocknens von Seen sowohl lokal als auch global von Bedeutung.“

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