Soloalbum von Punk-Ikone Gina Birch: Selbstbestimmtes Bassen

Gina Birch zählt zu den Vorreiterinnen des Punk. Mit „I Play My Bass Loud“ gibt die Künstlerin aus der Golden-Punk-Girl nun ihr spätes Debüt.

Gina Birch liegt auf einer Couch

Debüt-Album mit 67: Gina Birch Foto: Eva Vermandel

Es war Ende der Siebziger, kurz nach der Hochphase des Punk, als die britische Sängerin und Bassistin Gina Birch bekannt wurde. Damals traten in London ermutigt durch Punk selbstbestimmte Musikerinnen vermehrt auf den Plan:

Die Girl-Band The Slits posierte 1979 halbnackt im Dschungelsetting auf dem Cover ihres Debütalbums „Cut“ (das kürzlich als „Rough Mix“-Versioning-Album im Stile von Reggae erneut erschienen ist), X-Ray-Spex mit Poly Styrene am Gesang und der Saxofonistin Lora Logic reüssierten mit Songs wie „Oh Bondage! Up Yours!“, und Gina Birch nahm eben mit ihrer Frauenband The Raincoats ihr Debütalbum auf, das bis heute wie aus einem (Regen-)Guss klingt.

Birch wirkte in den frühen Achtzigern an weiteren wegweisenden Projekten mit, so arbeitete sie etwa mit dem US-Musiker und Kunsttheoretiker Mayo Thompson in dessen Band The Red Krayola zusammen und gründete mit Dorothy und The Hangovers zwei eigene Bands.

Erst kürzlich, im zarten Alter von 67, hat die britische Künstlerin ihr Soloalbumdebüt „I Play My Bass Loud“ veröffentlicht. Wie zuletzt einige Künstlerinnen aus der Golden-Punkgirl-Generation – Viv Albertine, Vivien Goldman – zeigt auch Gina Birch, dass Geist, Sound und Attitude des Punk bis heute prägend sind. Gleich in den ersten Versen des Titeltracks wird dies deutlich. Da singt Birch zu dubbig-wippenden Klängen: „Sometimes I wake up /And I wonder / What is my job? / I play my bass loud / I turn it louder“.

Albumcover von Gina Birchs "I Play My Bass Loud"

Gina Birch: „I Play My Bass Loud“ (Third Man Records/Rough Trade)

Prominente Gastmusiker

Ihr Job, den Bass laut und immer noch lauter aufzudrehen, erledigt sie formidabel. Musikalisch streben die elf Stücke in unterschiedliche Richtungen. In einigen („Pussy Riot“, „Digging Down“) dominieren Dub und Reggae, die typischen Offbeat-Gitarren sind zu hören, von Synthesizern und hüpfenden Drums begleitet. Birch hat das Album mit dem Londoner Postpunk- und Dancefloorveteranen Youth (ehedem bei Killing Joke) produziert. Dessen Affinität zur jamaikanischen Musik kommt auf „I Play My Bass Loud“ hörbar zum Tragen.

Auch die Beiträge eines zweiten prominenten Gastmusikers, Thurston Moore, sind sofort erkennbar. Für den Indie-Pop-Smasher „Wish I was You“ hat der US-Künstler ebenso die Gitarre eingespielt wie für das experimentell-mäandernde Finale „Let’s Go Crazy“. In anderen Songs, etwa „And Then It Happened“ und „Feminist Song“, verbindet Birch Spoken-Word-Gesang mit schrägen, noisigen Klangflächen.

Gina Birch zeigt hier erneut, wie zentral Feminismus für die erste britische Punkwelle war und wie die Musik zur Selbstermächtigung der Künstlerin beigetragen hat. Das kommt in lustigen Texten rüber („I will never wear stilettos / Why should I? /Give me brothel creepers / Give me Doc Martens / Give me shiny red lace up shoes“). Es ist aber vor allem jenen Songs anzuhören, in denen Birch die Feministinnen der Gegenwart würdigt:

In „Pussy Riot“ bezieht sie sich nicht nur auf die Kampfeslust und -kraft des oppositionellen russischen Frauenkollektivs, sondern spricht das Engagement für Frauenrechte in aller Welt an. So zitiert sie Pussy-Riot-Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa: „We have to remember that freedom is not a given / It’s something we have to fight for everyday / It’s our duty to fight for those who are still in chains“.

Einsatz für Frauenrechte

In „Feminist Song“ klingt an, wie wichtig der Einsatz für Frauenrechte gerade dieser Tage ist, wo diese auch in westlichen Demokratien zurückgedreht werden. Noch immer würden Frauen „geschunden gequält geschwächt abgewertet vergewaltigt missbraucht“, singt Birch („drudged tortured undermined undervalued raped abused“), wie zur Hölle könne sie da keine Feministin sein? („So when you ask me / If I’m a feminist / I say why the hell would I not be?“).

Die Chuzpe, den Aufruhr und die Wut des Punk hat Birch sich erhalten, diese Qualitäten kommen auf ihrem Debüt zusammen mit universaler und vielschichtiger Musik. Und natürlich mit Bass satt.

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