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Felix Baumgartner verunglücktDie größte aller Ich-Hupen

Kommentar von Frederic Valin

Dass bei dem tödlichen Unfall Baumgartners auch eine Frau verletzt wurde, wird kaum berichtet. Der Extremsportler sorgte sich wenig um andere.

Damals noch glücklich gelandet: Baumgartner nach dem Sprung aus einer Raumkapsel im Oktober 2012 Foto: Ross Franklin/ap

V iel war die Rede vom „tragischen Tod“ des Extremsportlers Felix Baumgartner, der mit seinem Paraglider in den Tod stürzte. Wie üblich verblasst jede Kritik an Haltung und Wirken eines prominenten Sportlers hinter einer sich pietätvoll gebenden zugewandten Haltung. Und so heißen dann auch die Nachrufe „Der Grenzüberschreiter“, so in der Süddeutschen Zeitung, „Ein Leben in Extremen“, im Stern, oder aber, in der Zeit:Geboren, um zu fliegen“.

Einige Medien erwähnen zwar, dass Baumgartner bei seinem Absturz eine Hotelangestellte schwer verletzte. Die Frau wurde von einem Holzsplitter am Hals getroffen. Bekannt ist, dass sie inzwischen wieder stabil sein soll. Mehr weiß man allerdings nicht.

Es passt ganz gut zum öffentlichen Wirken Baumgartners, dass besagte Hotelangestellte nur als Randnotiz auftaucht: Thomas Ebermann hat diese grundsätzliche Haltung einmal die „Ideologie des Kollateralschadens“ genannt. Sie fügt sich nahtlos ein in die öffentlichen Äußerungen Baumgartners, der Fan von Viktor Orbán war und in Österreich gern eine „gemäßigte Diktatur“ gesehen hätte.

Natürlich leugnete Baumgartner den Klimawandel, und natürlich war er während der Pandemie für eine Durchseuchung. Sein Standpunkt ist in jeder Frage der gewesen, dass alles, was ihn einschränkt, rigoros bekämpft gehört; auch um den Preis der Unversehrtheit anderer. Er war die größte aller Ich-Hupen.

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Rücksichtslosigkeit und Selbstüberschätzung

Der allgemeinen Betroffenheit angesichts des Tods von Felix Baumgartner skeptisch gegenüberzustehen, richtet sich nicht gegen den Menschen Felix Baumgartner; es richtet sich gegen die Galionsfigur einer Ideologie, die Rücksichtslosigkeit und Selbstüberschätzung idealisiert und feiert.

Dass der Extremsportler schlussendlich selbst Opfer der von ihm verkörperten Ideologie wurde, ist zwar auch bitter. Worin aber unterscheidet sich Baumgartner von einem jugendlichen Raser in der Innenstadt, der in einem egomanen Rausch Pas­san­t*in­nen in den Tod reißt? Der maßgebliche Unterschied ist, dass der jugendliche Raser nicht Felix Baumgartner ist.

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