Effekte der Klimakrise: Stärkere Allergien, mehr Betroffene
Mit der Erderhitzung steigt die Zahl derer, die von Allergien betroffen sind – und die Intensität. Eine Medizinerin erklärt, woran es liegt.

E in Pollenflug fegte durch Europa dieses Frühjahr, der Nasen laufen und Augen jucken ließ auch von Menschen, die bislang keinen Heuschnupfen hatten. Bereits vor zwei Jahren sprach das Robert-Koch-Institut in einem Bericht von einem „epidemischen Niveau“, das die sogenannten Inhalationsallergien erreicht hätten.
Jährlich entstünden in der EU allergiebedingte Schäden in Höhe von 151 Milliarden Euro, weil Beschäftigte nicht arbeitsfähig seien und ärztlich versorgt werden müssen, ergänzt die Umweltmedizinerin der Universität Augsburg, Claudia Traidl-Hoffmann: „Mehrere Faktoren bedingen die zunehmenden allergischen Symptome. Allen voran gibt es einfach immer mehr Pollen und die Pollen werden aggressiver.“
Das europäische Copernicus-Programm zur Überwachung der Erdatmosphäre stellte dieses Jahr im Mai ein Rekordhoch an Birkenpollen fest, hauptsächlich im Nordosten Europas. Dadurch seien Symptome auch bei Personen aufgetreten, die keine bekannten Allergien hätten. Laut RKI-Bericht steht dies im Zusammenhang mit klimaschädlichen Emissionen.
Zum einen verlängerten die tendenziell immer früher einsetzenden Frühlingstage infolge des Klimawandels die Phase des Pollenflugs und damitdas Pollenaufkommen in der Luft. Zum anderen führe die Klimaerwärmung auch dazu, dass sich die sogenannten Mastjahre der Bäume häuften. In diesen produzierten Bäume besonders viel Pollen. Auch Arten, die in der Regel selten Allergien auslösten, wie etwa Eiche und Buche, hätten so ein größeres Potenzial Kreuzallergien zu verursachen.
Nebeneffekte der CO₂-getriebenen Erderwärmung belasten die Luft zusätzlich
Traidl-Hoffmann erklärt zudem, was es mit den aggressiveren Pollen auf sich hat: „Ozon und Kohlenstoffdioxid in der Luft lösen bei dem Pollen eine Schutzreaktion aus und er setzt mehr Eiweiß frei, worauf wir wiederum allergisch reagieren.“ Außerdem gelte ganz grundsätzlich, dass solche Schadstoffe die Schleimhäute und Atemwege reizten und dadurch unsere Abwehrfähigkeit schwächten.
Wer in Gegenden mit hohem Verkehrsaufkommen oder industriebedingten CO₂-Emissionen wohnt, ist besonders großen Risiken ausgesetzt. Zwar zeigen Zahlen des Umweltbundesamts, dass die Schadestoffbelastung der Luft in den letzten 25 Jahren insgesamt zurückgegangen ist. Doch die CO₂-Emissionen werden Prognosen zufolge bereits in drei Jahren so hoch sein, dass eine Erderwärmung um 1,5 Grad nicht mehr zu vermeiden ist. Letzteres zeigte der im Juni veröffentlichte Bericht „Indicators of Global Climate Change“.
Weitere Nebeneffekte der CO₂-getriebenen Erderwärmung belasten die Luft zusätzlich. Die Copernicus-Analysen zeigen, dass der Nordwesten Europas im April von Waldbränden heimgesucht wurde, deren Ausmaß etwa in den Niederlanden bislang beispiellos gewesen sei. Zudem seien Rauchschwaden aus Waldbränden von außergewöhnlicher Hitze und Intensität in Kanada über den Jetstream bis nach Europa transportiert worden.
Immer weniger Kontakt mit Mikroben
Zusätzlich zu aggressiveren Umweltreizen schwinden laut Traidl-Hoffmann auch unsere Abwehrfähigkeiten. Der enorme Biodiversitätsverlust, den unser Lebensstil verursache, führe der Umweltmedizinerin zufolge dazu, dass Menschen, insbesondere in Städten, mit immer weniger Mikroben in Kontakt kämen, die für das Immunsystem jedoch von großer Bedeutung seien.
Und: Auch eine gesunde Ernährung, so Traidl-Hoffmann, sei maßgeblich für ein gutes Immunsystem. Wenngleich erst seit diesem Jahr erstmalig Daten zu Ernährungsarmut erhoben werden sollen, schätzte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung im letzten Jahr, dass rund 3 Millionen Menschen davon betroffen sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!