Korruption in Spanien: Gesetze auf Bestellung – und gegen Bezahlung
Ein Ermittlungsrichter wirft dem spanischen Ex-Finanzminister Montoro Korruption vor. Der Konservative soll Unternehmen einen speziellen Service angeboten haben.
Doch die Austerität traf nicht alle gleich. Nach sieben Jahren Ermittlungen steht nun fest: Wer das Geld hatte, ein Gesetz zu bestellen, der konnte auf Vorzugsbehandlung bauen. In einer E-Mail eines Unternehmers heißt es: „Der direkte Weg besteht wie immer darin, das Büro zu bezahlen, das direkten Kontakt zu Montoro hat.“ Damit gemeint war die Wirtschaftsberaterkanzlei Equipo Económico (EE), die Montoro einst mitbegründete und verließ, als er in die Politik ging.
Dort zahlte etwa der Verband der Hersteller von Industrie- und Medizingasen (AFGIM) für Industriegase 270.000 Euro für einen 12-seitige Studie. Ein mit Hilfe des Verbandes ausgearbeiteter Gesetzesentwurf wurde dann von Montoro auf einer Kabinettssitzung eingebracht, ging ins Parlament und wurde schließlich angenommen. Die Gasunternehmen sparten dadurch jährlich 4,7 Millionen Euro an Steuern – und das inmitten der Austeritätspolitik, die neben Renten und Beamtenbezüge auch Sozialausgaben, Bildungs- und Gesundheitswesen hart traf.
Neben Unternehmen aus anderen Bereichen, wie etwa die Wett- und Spielebranche oder die Papierindustrie, gehörten auch Firmen für Erneuerbare Energien und Energieversorger zu den Kunden der EE. 2012 schlossen unterschiedliche Unternehmen aus der Energiebranche Verträge über rund 10 Millionen Euro mit der Kanzlei. Das Finanzministerium unter Montoro nahm zeitnahe Kürzungen und Reformen zurück, die die Branche betrafen. Der wirtschaftliche Nutzen belief sich auf 2,2 Milliarden Euro. Der Ermittlungsbericht führt 25 Verträge auf, die EE mit bekannten Unternehmen wie etwa dem spanischen Stromnetzbetreiber Red Eléctrica schloss.
Es geht um Gelder von 50 Millionen Euro
Neben Montoro wird gegen weitere 27 Personen aus dem Umfeld des EE und dem damaligen Finanzministerium als Beschuldigte ermittelt. Insgesamt soll das mafiöse Netzwerk 50 Millionen Euro eingestrichen haben. Um die Spur des Geldes zu verschleiern, wurden rund um EE 16 Briefkastenfirmen „ohne Personal und Tätigkeit“ gegründet. Diese investierten in Immobilien und transferierten große Summen in Länder wie Luxemburg, Irland, Italien oder Polen.
Doch damit nicht genug. Montoro konsultierte die Akten von Gegnern in anderen Parteien aber auch aus den eigenen Reihen und veranlasste harte Steuerprüfungen. Einige Steuererklärungen kamen damals aus unerklärlichen Gründen in die Hände von Medien, die der konservativen Partei Partido Popular (PP) nahestehen. So etwa von Vertretern der linksalternativen Partei Podemos, aber auch die der Chefin der PP in Madrid Esperanza Aguirre – innerparteiliche Rivalin von Ministerpräsident Mariano Rajoy, Montoros Chef. Selbst ein Journalist der konservativen Tageszeitung ABC wurde ausspioniert. Er hatte bereits damals über mutmaßlichen kriminellen Aktivitäten der EE berichtet.
Die Anschuldigungen gegen Montoro und Umfeld sind ein schwerer Schlag für die PP und deren aktuellen Vorsitzenden Alberto Nuñez Feijóo. Die Nummer 3 der Regierungspartei PSOE, Santos Cerdán, wurde vor drei Wochen wegen Korruptionsverdacht verhaftet. Daraufhin setzte Feijóo die gesamte Oppositionsarbeit darauf, Ministerpräsident Pedro Sánchez als Mafiaboss zu beschimpfen und sofortige Neuwahlen zu fordern. Der Unterschied ist: Die PSOE schloss Cerdán unweigerlich aus und zwang ihn dazu, den Sitz im Parlament zu räumen. Im Gegensatz dazu umgab sich Feijóo all die Jahre mit Wirtschaftsberatern aus dem Umfeld von Montoro und EE.
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