Polnisch-deutsche Ostsee: Großer Öl- und Gasfund vor Usedom
Eine kanadische Firma hat vor Usedom Gas und Öl entdeckt. Polen jubiliert, aber in Mecklenburg-Vorpommern sorgen sich Politiker um Klima und Umwelt.

Die Bohrtürme des Offshore-Ölfelds „Wolin East“ sind sowohl von der polnischen Küste als auch vom deutschen Teil der Urlaubsinsel Usedom zu sehen.
Bei Probebohrungen soll das kanadische Unternehmen Central European Petroleum (CEP) „auf rund 22 Millionen Tonnen förderbares Erdöl und Kondensat sowie auf 5 Milliarden Kubikmeter Gas in handelsüblicher Qualität“ gestoßen sein, wie CEP am Montag mitteilte.
„Sollte sich das Vorkommen betätigen, wäre dies der größte Fund in Polen seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Polens Chefgeologe Krzysztof Galos der polnischen Presseagentur PAP.
Ein neues Kuwait wird Polen nicht
Allerdings müsse sich bei weiteren Probebohrungen nicht nur das Vorkommen des Öl- und Gasfeldes selbst bestätigen, sondern auch die Chance auf eine gewinnbringende Ausbeutung. Sollten die Förderkosten hoher sein als der weitere Import von Öl und Gas, wäre das wohl das vorzeitige Ende des derzeit so gefeierten Fundes.
Die reguläre Förderung könne frühestens in drei bis vier Jahren beginnen, so Galos. Dann werde das Feld über mehrere Jahre hinweg rund 4 bis 5 Prozent des jährlichen polnischen Ölbedarfs decken.
Ein neues Kuwait wird Polen durch den Fund des Öl- und Gasfeldes in der Ostsee also nicht. Jährlich importiert Polen rund 27,6 Millionen Tonnen Rohöl zumeist aus Saudi-Arabien, Norwegen und den USA. Vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 bezog das Land an der Weichsel den Großteil seines Rohöls, nämlich rund 25 Millionen Tonnen, aus Russland.
Polen hatte aber schon vor Kriegsbeginn damit begonnen, seine Energiebezugsquellen zu diversifizieren. Auch Erdgas bezieht Polen nicht mehr vor allem aus Russland wie noch vor 2022. Der größte Teil der jährlich importierten 14 Milliarden Kubikmeter Gas stammt aus Katar, den USA, Norwegen und über Gas-Interkonnektoren aus Litauen und der Slowakei. Der Import aus Russland spielt nur noch eine marginale Rolle.
Lokalpolitikerin sorgt sich um Tourismus
Aus Mecklenburg-Vorpommern, zu dem der größte Teil Usedoms gehört, kommt jedoch Kritik an den Förderplänen: „Unsere Zukunft liegt nicht im Öl der Ostsee, sondern in der Energie von Sonne, Wind und Biomasse“, sagte Landesumweltminister Till Backhaus (SPD).
Das Projekt stehe für eine klimapolitisch rückwärtsgewandte Industriepolitik, „die den Umwelt- und Tourismusinteressen auf deutscher Seite entgegensteht“, kritisierte er. Es gebe erste Hinweise auf Lärm- und Vibrationsbelastungen während der Erkundungsbohrungen sowie Sorgen hinsichtlich möglicher Einflüsse auf Tiere und Pflanzen im Küstenmeer.
Der Bürgermeisterin von Heringsdorf auf Usedom zufolge handelt es sich um einen besonderen Naturschutzraum. „Wir sind Kur- und Erholungsort. Wir tun alles, um unsere Strände, um unseren Ort, um das Meer sauber zu halten“, sagte Laura Isabelle Marisken. „Eine schwerindustrielle Gas- und Erdöl-Förderung direkt vor der Haustür – es liegt auf der Hand, dass das ein massiver Eingriff ist.“
Die weiteren Entscheidungen über das Öl- und Gasfeld werden nicht innerhalb der kanadischen Firma CEP fallen, sondern in der polnischen Regierung. Polen als Staat ist Eigentümer des Öl- und Gasfeldes im Ostseeboden vor seiner Küste.
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