Eurofighter für die Türkei: Deutschland genehmigt Erdoğan Kampfjets
Nach İmamoğlus Festnahme hatte sich die Scholz-Regierung gegen eine Exporterlaubnis für Eurofighter gesperrt. Jetzt ist aus der SPD kein Ton zu hören.
Die neue Bundesregegierung scheint mögliche Bedenken über die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei hinten angestellt zu haben. Als Treiber der nun erteilten Rüstungsexportgenehmigung gelten geostrategische Überlegungen mit Großbritannien, das die Eurofighter in einem europäischen Konsortium herstellt. Alle an dem Projekt beteiligten Länder, darunter Deutschland, müssen daher einer Lieferung des Waffensystems an Drittstaaten zustimmen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte vergangene Woche in London mit Premierminister Keir Starmer einen Freundschaftsvertrag unterschrieben, der unter anderem vorsieht, dass die Rüstungskooperation beider Länder ausgebaut werden. Beobachter gehen davon aus, dass dabei auch die Lieferung der Kampfjets besprochen wurde. „Merz hat bei seinem Besuch in London vergangene Woche dem britischen Ersuchen für die Lieferung an die Türkei keine Abfuhr erteilen können“, sagt Ulrich Kühn, Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle am Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH).
Bereits im März hatte die britische Regierung Ankara ein Preisangebot für 40 Kampfjets unterbreitet. Die genauen Kosten sind nicht bekannt. Zum Vergleich: Der Bundestag hatte im November 2020 etwa 5,5 Milliarden Euro für die Beschaffung von 38 Eurofightern für die Bundeswehr genehmigt.
Merz informierte auch die griechische Regierung
Hinter einer Lieferung an die Türkei stehen auch industriepolitische Überlegungen. Der Eurofighter sei vor 20 Jahren „top notch“ gewesen, sagt Rüstungsexperte Kühn. „Heute ist er nicht mehr die modernste Maschine. Deshalb sah es auch nicht mehr so gut aus auf den Bestelllisten.“
Die türkischen Bemühungen für die Neuanschaffung des Kampfflugzeugs stehen auch in Zusammenhang mit einer Neuanschaffung in Griechenland. Frankreich hatte zuletzt neue Rafale-Kampfflugzeuge an den türkischen Nachbarn geliefert. Die Türkei und Griechenland sind zwar beide Nato-Mitglieder. Zwischen den beiden Staaten war es in den vergangenen Jahren aber unter anderem wegen der Zypern-Frage und wegen Erdgas-Vorkommen im Mittelmeer immer wieder zu Spannungen gekommen.
Regierungssprecher Kornelius betonte nun, dass neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auch der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis über die Entscheidung informiert wurde. Die Bundesregierung habe zudem auch der griechischen Regierung versichert, dass die Türkei informiert worden sei, dass Deutschland erwarte, dass diese Waffensysteme zur Stabilität in der Region und vor allem im Nato-Bündnis beitragen sollen. „Es gibt entsprechende Verabredungen.“
Rüstungsexperte Kühn sieht solche Erwartungen mit Skepsis. „Die große und unbekannte Frage ist, was die Lieferung des Kampfjets für die Kurden in der Türkei und in den Nachbarstaaten bedeutet. Dass die Waffen irgendwann in Zukunft gegen die Kurden eingesetzt werden, kann man zumindest nicht ausschließen“, sagt er.
Kritik von den Grünen
Unklar ist auch, was das deutsche Einverständnis für die Waffenlieferung bedeutet, wenn es um die Freilassung des Istanbuler Bürgermeisters İmamoğlu geht. İmamoğlu hatte sich zwar aus dem Gefängnis heraus selbst dafür ausgesprochen, die Lieferung der Eurofighter nicht von seiner Verhaftung abhängig zu machen. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Regierung mit der Lieferung ein wichtiges Druckmittel für die Einhaltung demokratischer Standards in der Türkei aus der Hand gegeben hat.
Die SPD, die sich im Frühjahr vehement für die Freilassung des Politikers ihrer Schwesterpartei CHP eingesetzt hatte, wollte die Exporterlaubnis des Kampfjets in die Türkei auf taz-Anfrage nicht kommentieren.
Kritik an der Bewilligung kam dagegen von den Grünen. „Gerade im Fall der Türkei gibt es aus den letzten Jahren eine Reihe von aggressiven Vorkommnissen im Inneren wie auch in der Außenpolitik. Sei es in Syrien, gegenüber Kurdinnen und Kurden oder den Oppositionellen im eigenen Land“, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Agnieszka Brugger, gegenüber der taz. „Trotzdem hört man von der Bundesregierung kaum ein klares, kritisches Wort gegenüber Präsident Erdoğan. Das ist in Kombination mit diesem Deal ganz sicher die falsche Botschaft Richtung Türkei.“
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