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Gesetzentwurf passiert KabinettDobrindt stattet Bundespolizei mit Tasern aus

Der CSU-Innenminister will 10.000 solcher Waffen anschaffen, dabei ist der Einsatz umstritten. Die Grünen vermissen eine aufrechte Debatte.

Endlich hat die deutsche Polizei eine weitere Waffe mit niedriger Hemmschwelle im Arsenal: den Taser Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Berlin taz | In verschiedenen Bundesländern werden sie bereits eingesetzt, nun soll auch die Bundespolizei flächendeckend sogenannte Distanz-Elektroimpulsgeräte nutzen, die umgangssprachlich als Taser bekannt sind. Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Innenministerium (BMI).

Konkret geht es um eine Erweiterung des „Gesetzes über die Ausübung unmittelbaren Zwangs durch Vollzugsbeamte des Bundes“ (UZwG). Der Taser soll die bisherige Ausrüstung –Einsatzstock, Reizstoffsprays, Dienstpistole – ergänzen.

Das Gerät stehe „für moderne Sicherheitspolitik“, es schütze die Polizei und wirke deeskalierend in Gefahrensituationen, erklärte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). Dies sei bei Erprobungen festgestellt worden, die von der Bundespolizei seit fünf Jahren durchgeführt würden. Demnach hätten 200 speziell geschulte Einsatzkräfte die Geräte bei über 40.000 Einsätzen mitgeführt. In 132 Fällen sei der Einsatz angedroht worden, in 16 Fällen kam es laut BMI zur tatsächlichen Anwendung.

Mit einem Taser können Po­li­zis­t*in­nen aus geringer Distanz zwei Elektroden abschießen, die unter der Haut schmerzhafte Muskelkontraktionen sowie eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit bewirken. „Wenn man eine Person beispielsweise mit einer Schlag- oder Stichwaffe auf Distanz halten muss, dann ist der Taser eine mögliche Wahl der Mittel“, sagte Dobrindt.

10.000 Geräte sollen beschafft werden. Im Bundeshaushalt 2025 schlägt die Beschaffung mit 5 Millionen Euro zu Buche, in den kommenden Jahren sollen vergleichbare Beträge aufgewendet werden.

Bestimmte Gruppen sind für die Wirkung besonders anfällig

Tests hätten „keine Hinweise auf gesundheitliche Risiken“ ergeben, teilte das BMI mit. In keinem Fall sei es zu behandlungsbedürftigen Verletzungen gekommen, mehrere wissenschaftliche Studien würden die Sicherheit der Geräte bestätigen.

Dabei sind sie vor allem deshalb umstritten. Denn verschiedene Gruppen, darunter ältere Menschen, Schwangere sowie Personen mit gesundheitlichen Problemen und solche, die unter Drogeneinfluss stehen, sind für die Wirkung des Tasers besonders anfällig. In den vergangenen sieben Jahren wurden in Deutschland elf Todesfälle nach polizeilichen Taser-Einsätzen dokumentiert.

„Taser sind ein genauso gefährliches Werkzeug wie die Schusswaffe“, sagte Thomas Feltes, emeritierter Professor für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, der taz. Die gesundheitlichen Risiken eines Einsatzes seien „nicht kalkulierbar“. So könne von Beamten nicht eingeschätzt werden, ob das Gegenüber gesundheitliche Einschränkungen habe.

Zudem sinke die Hemmschwelle „durch eine von der Politik implizierte geringere Gefährlichkeit des Tasers im Vergleich zur Schusswaffe“, so Feltes. Recherchen aus den USA zeigten außerdem, dass die Geräte nicht immer zuverlässig funktionieren würden. Somit könnte es für Beamte zu kritischen Situationen kommen, „weil der Taser die Gefahr nicht behebt, sondern die Polizisten gefährdet“.

Bisher setzen zehn Bundesländer Taser im Streifendienst ein, einige lehnen den Einsatz jedoch mit Verweis auf die Nachteile ab. Dobrindt räumte ein, dass die Befürworter vor allem in den Reihen der Polizei selbst zu finden seien.

SPD-Politiker Wiese begrüßt Kabinettsbeschluss

Doch auch vom Koalitionspartner kommt Zustimmung. „Ich begrüße es, dass die Bundesregierung das entsprechende Gesetz zum flächendeckenden Einsatz von Tasern nun beschließt und hatte mich auch in den Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, der taz. Gerade in gefährlichen Einsatzlagen könne der Taser ein wichtiges Mittel sein, „um Gewalt zu deeskalieren und die Sicherheit sowohl der Einsatzkräfte als auch der betroffenen Personen zu erhöhen“.

Die Grünen hingegen melden Bedenken an. „Innenminister Dobrindt tut so, als sei die Diskussion zum Taser-Einsatz abgeschlossen – dabei ist bis heute noch nicht einmal das Pilotprojekt beendet, geschweige denn ausgewertet“, bemängelt der innenpolitische Sprecher der Partei im Bundestag, Marcel Emmerich.

„Statt auf belastbare Daten und eine fundierte Folgenabschätzung zu warten, werden nun Fakten geschaffen und so Menschen in Gefahr gebracht.“ Das Vorgehen sei „nicht nur sicherheitspolitisch überhastet, sondern auch grundrechtlich fahrlässig“.

Der Bundestag muss dem Gesetzentwurf noch zustimmen, der Termin steht aber noch nicht fest. Die rund 45.000 Bun­des­po­li­zis­t*in­nen sind unter anderem für Grenzschutz, Bahnpolizei und Luftsicherheit zuständig.

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7 Kommentare

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  • So witd's gemacht: in der Sommerpause, wenn Fussball läuft. So wird in D-Land jeder Lauschangriff und jeder Zugriff auf Biometrie durchgekriegt.

  • Wenn Polizisten in Deutschland einen Menschen erschiessen, heisst es auch hier in der TAZ, wieso haben nicht alle Polizisten Taser.

    Wenn ein CSU Minister Taser für die Polizei anschafft sind diese bedenklich.

    In Hamurg regieren SPD und Grüne, dort nutzt die Polizei seit 2015 Taser.

  • Ohje, der Mensch wirkt wie Satire, ist aber leider echt :-(

  • "„Taser sind ein genauso gefährliches Werkzeug wie die Schusswaffe“, sagte Thomas Feltes..."



    Das wiederum ist nun wirklich eine seltsame Aussage von einem Professor der Kriminologie. Ich gehe mit, dass ein Taser für Risikogruppen tödlich wirken kann. Aber genauso wie eine Schusswaffe? Das nun sicher nicht. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich jederzeit einen Taser bevorzugen, um damit beschossen zu werden.

  • Elf Tote in sieben Jahren bei nur 200 damit ausgestatteten Polizisten. Wenn das Flächendeckend eingesetzt wird, toppen die Teile eventuell die Todesfälle durch Schusswaffengebrauch.

  • Die tragische Eskalation eines Einsatzes mit Pfefferspray, Taser und MP in Dortmund:



    Zwei Zivilpolizisten sagen aus.



    "Sie berichteten als Zeugen vor dem Landgericht Dortmund übereinstimmend, dass ihre angeklagten Kollegen das Pfefferspray, die Taser und schließlich die Maschinenpistole ohne deutliche Vorwarnung oder klare Androhung abgefeuert hatten. Zuvor waren minutenlange Versuche einer Kontaktaufnahme zu dem reglos an eine Mauer gelehnten Mouhamed Dramé, der ein Messer auf seinen Bauch richtete, gescheitert.



    Der 16-jährige Dramé aus dem Senegal war am 8. August 2022 auf dem Gelände einer Jugendhilfeeinrichtung in einem Polizeieinsatz erschossen worden. Mitarbeiter hatten zuvor die Polizei gerufen."



    Bei spiegel.de



    Vielleicht sollte der Herr Minister Dobrindt mal die Erfahrungen mit Fehlschüssen qua Fehlschlüssen einfließen lassen, bevor es mehr Tote gibt.

  • Ein eingesetzter Taser KANN gefährlich sein, ein Schuss aus einer Pistole IST gefährlich.