Neues Bergbaugesetz in der Türkei: Wo Landraub zum Gesetz wird
Der türkische Präsident Erdogan hat ein neues Bergbaugesetz durchgepeitscht. Das soll Einnahmen generieren, wird aber die Umwelt zerstören.

In der Nacht von Freitag auf Samstag haben die Regierungsparteien im Parlament in Ankara ein Gesetz beschlossen, das für den Abbau von Kohle, Gold und allen anderen Mineralien freie Bahn schafft, an denen ein staatliches Interesse besteht.
Bisher bestehende Regelungen wie Umweltprüfungen, Sicherheitsvorkehrungen und ein Gesetz zum Schutz von Olivenhainen werden aufgehoben oder abgeschafft, Genehmigungen für Bergbaufirmen, die nach bisherigen Gesetzen durch Umweltverbände oft verzögert oder ganz verhindert werden konnten, sollen nun im Schnellverfahren durchgezogen werden.
Seit Jahrzehnten hat es in der Türkei immer wieder große Auseinandersetzungen um den Abbau von Gold oder anderen Mineralien insbesondere in der Ägäis-Region im Westen des Landes gegeben.
Die Opposition ist vereint
Angefangen vom Kazdag-Gebirge, einem großen Wald- und Naturschutzgebiet in der Nord-Ägäis, wo es Anwohnern und Naturschutzverbänden gelungen war, einen großräumigen Goldabbau durch einen kanadischen Minenkonzern zu verhindern, bis zu den Braunkohleabbaugebieten in der Süd-Ägäis, wo durch ein jahrelang aufrechterhaltenes Protestcamp die Rodung von Waldgebieten lange verhindert werden konnte, soll den Konzernen mit dem neuen Gesetz jetzt der Weg frei gemacht werden.
Umweltverbände, linke Parteien und Bauernverbände hatten in den letzten zwei Wochen vor dem Parlament in Ankara eine Dauermahnwache errichtet. Alle Oppositionsparteien von links bis rechts versuchten, das Gesetz zu verhindern.
Doch am Ende wurde es in einer Nachtsitzung durchgepeitscht. Mit 255 gegen 199 Stimmen setzte die Regierung sich durch, um mit ihrem „Landplünderung-Gesetz“, wie Deniz Gümüsel es nennt, die klammen Kassen von Präsident Recep Tayyip Erdogan aufzufüllen.
Besonders umstritten bei dem Gesetz ist die Aufhebung des Schutzes von Olivenhainen. Olivenbäume sind in der Türkei ein Kulturgut, das seit 1938 besonders gesetzlich geschützt ist. Olivenhaine durften bislang weder gefällt noch für Bergbauaktivitäten enteignet werden. Das ist mit dem neuen Gesetz nun vorbei.
Gold zu fördern vergiftet die Flüsse
Gerade die türkische Ägäis-Küste ist neben Spanien, Griechenland und Italien eines der größten Olivenanbaugebiete der Welt. In dem Gesetz wird zwar empfohlen, Olivenbäume möglichst nicht zu fällen, sondern umzupflanzen, doch wer einmal jahrhundertealte Olivenplantagen gesehen hat, weiß sofort, dass das unmöglich ist.
Dazu kommen die Gefahren des Mineralienabbaus und die enormen Verwüstungen, die der Obertagebergbau beim Abbau von Braunkohle hinterlässt. Beim Goldabbau wird Zyankali eingesetzt, um das Gold aus dem Gestein herauszuwaschen. Das giftige Zyankaligemisch wird anschließend in Rückhaltebecken geleitet, die bei dem nächsten kräftigen Regen überlaufen und das Gift in die Flüsse spülen.
Statt diesen drohenden Gefahren durch bessere Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuarbeiten, werden nun durch das neue Gesetz alle Einschränkungen für Bergbaufirmen aufgehoben.
Aktivisten sehen auch das Positive
Für die türkischen Naturschutzverbände ist das eine Kampfansage, die sie nicht unbeantwortet lassen wollen. „Das einzig Gute an der Geschichte der letzten Wochen ist, dass die ganzen Aktivisten aus der Türkei sich während der Proteste in Ankara besser kennengelernt und vernetzt haben“, sagte Aydin N., ein Sprecher der Akbelen-Kampagne, gegenüber der taz. „Wir bereiten uns jetzt auf neue Protestaktionen vor.“
Nach geologischen Untersuchungen könnten allein im Hinterland der Provinz Mugla, zu der an der Küste die Touristenhochburgen Bodrum und Marmaris gehören, 43 Dörfer gefährdet sein, weil unter den Olivenhainen dieser Dörfer weitere Braunkohlevorkommen vermutet werden.
Ebenfalls im Südwesten des Landes, im Latmos-Gebirge am Bafa-See, werden Goldvorkommen vermutet. Das Latmos-Gebirge ist ein archäologisches und landschaftlich besonders geschütztes Gebiet, in dem Bergbauaktivitäten bislang verboten waren. Das soll sich jetzt ändern.
Enteignungen könnten Erdogan noch zum Problem werden
Um die Genehmigungsverfahren schnell durchziehen zu können, soll nun statt den bislang verschiedenen Behörden allein eine neue „Generaldirektion für Minen und Ölvorkommen“ alle Projekte zentral steuern.
Türkische wie auch internationale Konzerne sollen bei dieser neuen Behörde ihre Anträge stellen können, die dann in wenigen Monaten bearbeitet würden. Diese Generaldirektion soll dann auch die Landenteignungsverfahren vorantreiben.
„Ich hoffe, dass dieses Gesetz für die Regierung ein Schuss ins eigene Knie wird“, sagte Aydin N. der taz. „Die Bauern sind empört und Enteignungen haben immer das Potenzial, großen Widerstand zu entfachen. Wir werden dieses Landraub-Gesetz nicht hinnehmen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!