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Debatte um Anerkennung PalästinasZweistaatenlösung heißt natürlich: zwei Staaten

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Eine Anerkennung Palästinas ist zwingend logisch. Das Land muss mit Israel auf Augenhöhe sein, sonst ist nichts verhandelbar und nichts durchsetzbar.

Ohne eine Anerkennung Palästinas durch Israel und die Völkergemeinschaft geht nichts voran Foto: IMAGO / Zoonar.com / Alexey Butenkov

D eutschland unterstützt eine Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt. Eine Zweistaatenlösung bedeutet die Existenz und Anerkennung zweier Staaten, also Israels und Palästinas. Insofern muss jede Regierung, die eine Zweistaatenlösung unterstützt, sowohl Israel als auch Palästina anerkennen, schon aus Gründen der Logik. Emmanuel Macron hat das jetzt erkannt, wie vor ihm schon die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs der Welt.

Politik ist nicht immer logisch, und daher hat Deutschland gegen eine Anerkennung Palästinas politische Vorbehalte. Dieser Schritt könne erst am Ende eines Friedensprozesses stehen, lautet ein Argument. Das ist zwar auf den ersten Blick einleuchtend, aber die Erfahrung spricht dagegen. Wenn es eine Lehre aus mehr als drei Jahrzehnten Scheitern im Nahost-Friedensprozess gibt, dann die: Es muss zwei Gesprächspartner auf Augenhöhe geben, sonst ist nichts verhandelbar und nichts durchsetzbar. Die Anerkennung Palästinas auch durch Israel muss also am Anfang des Friedensprozesses stehen, nicht am Ende. Die Anerkennung Israels durch die Palästinenser galt schließlich auch als zwingende Voraussetzung für jeden Friedensprozess.

Ein weiteres Argument gegen eine Anerkennung Palästinas zum jetzigen Zeitpunkt lautet: Die Grenzen Palästinas müssten erst klar definiert werden. Aber in welchen klar definierten Grenzen erkennt Deutschland denn Israel an? Innerhalb des historischen Mandatsgebiets Palästina ist die Grenze des einen logischerweise die Grenze des anderen. Völkerrechtlich gilt bis heute die Grenze, die bis zum Sechstagekrieg 1967 existierte. Eine rechtsgültige Veränderung könnten die beiden Staaten untereinander aushandeln. Dafür müssen sie aber beide als Staaten anerkannt sein.

Die einzige logische Alternative zur Anerkennung eines palästinensischen Staats ist die Anerkennung der israelischen Souveränität über das gesamte historische Palästina – also mit der Annexion der Westbank und des Gazastreifens. Dann aber stünde Israel vor der Wahl, allen Palästinensern gleiche Rechte in einem demokratischen Staat zu gewähren, also seinen Charakter als „jüdischen Staat“ aufzugeben, oder ein Apartheidsystem einzurichten, in dem mehrere Millionen Palästinenser überhaupt keine Rechte besitzen.

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Soweit bekannt, will Deutschland weder das eine noch das andere, und auch viele Israelis erkennen sich in dieser Alternative nicht wieder. Dann bleibt nur die Zweistaatenlösung auf Grundlage einer gegenseitigen Anerkennung, wobei die internationalen Partner mit gutem Beispiel vo­ran­gehen sollten. Eine Staatsräson, die sich der Logik widersetzt, ist keine Räson, sondern Unsinn.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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