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Deutsche sollen mehr und länger arbeitenScharfe Kritik an Vorstoß von Wirtschaftsministerin Reiche

Bundeswirtschaftsministerin Reiche will, dass die Beschäftigten mehr und länger arbeiten. Damit bringt sie auch Parteifreunde gegen sich auf.

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) provoziert gerne. Dieses Mal mit der Forderung, die Deutschen müssten mehr arbeiten Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Der Sozialflügel der Union, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), geht auf Konfrontationskurs zu Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Diese hat eine Ausweitung der Arbeitszeiten in Deutschland verlangt. Reiche sei eine „Fehlbesetzung“ in der Bundesregierung, sagte der Vize-Chef der CDA, Christian Bäumler, laut dpa. Der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts Villingen-Schwenningen ist seit 1998 Chef der CDA in Baden-Württemberg. Dort will die CDU bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr den Posten des Ministerpräsidenten von den Grünen zurückholen.

Wirtschaftsministerin Reiche hat in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gefordert, dass die Menschen in Deutschland mehr und länger arbeiten müssen. Als Vorbild stellte sie die USA dar, wo deutlich mehr Stunden im Jahr gearbeitet würden. Als Quelle führte sie keine anerkannte Institution an, sondern nicht namentlich genannte Unternehmen. Die würden ihr berichten, dass ihre Beschäftigten am Standort in den USA 1.800 Stunden pro Jahr arbeiten würden, in Deutschland aber nur 1.340 Stunden. Auch die Lebensarbeitszeit in Deutschland müsse länger werden, forderte die Ministerin in dem Interview.

Damit bringt sie die eigenen Par­tei­freun­d:in­nen gegen sich auf. Reiches Vorstoß habe keine Grundlage im Koalitionsvertrag, kritisierte CDA-Vizechef Bäumler. „Wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit hat, ist eine Fehlbesetzung“, sagte er.

Auch die Gewerkschaften üben scharfe Kritik an der Wirtschaftsministerin. Der DGB warnte vor einer „Rentenkürzung durch die Hintertür“. Die Reaktionen aus unionsnahen Wirtschaftsverbänden fallen unterschiedlich aus. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft, der frühere Hamburger Bürgermeister Christoph Ahlhaus, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, wichtiger als eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit sei eine Steigerung der Produktivität. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger dagegen begrüßte Reiches Vorstoß.

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