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Unterkünfte auf den KanarenNGO-Angestellte misshandeln geflüchtete Kinder

Auf den spanischen Atlantikinseln sollen minderjährige Geflüchtete geschlagen und beleidigt worden sein. Nun wurden zwei Einrichtungen geschlossen.

Ankommende Geflüchtete auf Gran Canaria, darunter viele Minderhährige, hier im Hafen von Arguineguín Foto: Europa Press Canarias/imago

Madrid taz | Alles begann im September 2024 mit den Aussagen zweier junger Männer aus einer Sammelunterkunft für unbegleitete minderjährige Geflüchtete auf der spanischen Atlantikinsel Gran Canaria. Sie beklagten Misshandlungen in Einrichtungen der NGO Quorum Social 77. Diese betreut 2000 der rund 5.400 Minderjährigen, die derzeit in Unterkünften auf den Kanarischen Inseln leben.

Kurz darauf tauchte ein Video eines Mitarbeiters auf, das zeigt, wie ein Junge schwer beleidigt wird. Gericht und Staatsanwaltschaft begannen mit Ermittlungen. Ende vergangener Woche führten diese zur Schließung zweier Zentren und der Verhaftung der Vorsitzenden von Quorum Social 77 und des Direktors mehrerer Einrichtungen. Bereits im Mai hatte die kanarische Polizei ein Zentrum der NGO geschlossen. Computer wurden beschlagnahmt und neun Mitarbeiter, darunter der Leiter, festgenommen.

Die Klage der beiden Jungen vor der Generaldirektion für Kinderschutz der kanarischen Regionalpolizei bestätigt, was lange vermutet wurde, aber keiner sich traute auszusprechen. Der Umgang mit den Jugendlichen ist alles andere als angemessen. Die beiden sprechen von Beleidigungen, von Gewalt. Es gebe, so die Presse, Atteste aus Gesundheitszentren, die Verletzungen durch Schläge belegen. Kinder seien zur Strafe eingeschlossen worden.

Ein „System des Missbrauchs“

Auch das Video des Mitarbeiters und eine E-Mail sollen Misshandlungen bestätigen. Das Video zeigt laut der spanischen Tageszeitung El País einen Lehrer in der Küche, der einen Minderjährigen als „beschissenen schwarzen Jungen“ und „Stricher“ bezeichnet und ihn fragt: „Magst du Jungs?“ Der Lehrer wurde entlassen.

„Die Kinder leben in einem System des Missbrauchs“, zitiert El País einen ehemaligen Mitarbeiter. Die Untersuchungen des Gerichts unterliegen bisher der Verschwiegenheit, um die Kinder zu schützen. Quorum Social 77 arbeitet seit 2009 mit unbegleiteten Minderjährigen auf den Kanarischen Inseln und erhielt dafür seit 2023 150 Millionen Euro aus Steuergeldern.

Der Präsident der Regionalregierung, Fer­nan­do Clavijo, bezeichnete die Vorfälle als „schwerste Verbrechen“. „Wir warnen schon lange vor solchen Fällen und hoffen, dass dies die einzigen sind“, erklärte er. „Es ist offensichtlich, dass es in einer Region mit einem fragmentierten Gebiet wie den Kanarischen Inseln, sehr schwierig ist, die Zahl von 5.400 Minderjährigen, die wir derzeit in unserer Obhut haben, aufrechtzuerhalten“, erklärte er.

Seit Jahren ist davon die Rede, dass die Kanaren völlig überfordert sind. Clavijo fordert, dass die Minderjährigen, die in Booten auf den Kanaren ankommen, auf dem spanischen Festland verteilt werden. Dort weigern sich vor allem Regionen, die von der konservativen Partido Popular, meist mit Unterstützung der rechtsextremen Vox, regiert werden. Erst vor wenigen Tagen ließ die Rechte ein entsprechendes Treffen platzen.

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