Kritik am Bundeshaushalt 2026: Hilfe kürzen, Waffen kaufen
Klingbeils Haushalt erntet Kritik von Umwelt- und Sozialverbänden: Klimaschutz und Sozialausgaben würden leiden, während Unternehmen profitieren.

Inhaltsverzeichnis
Militärausgaben
Von einem „reinen Rüstungshaushalt“ spricht die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner. „Es ist ein Hohn, dass ein Großteil der Verteidigungsausgaben über Schulden finanziert werden soll, während für sozialen Wohnungsbau, Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz jahrzehntelang die Schuldenbremse als unantastbar galt“, kritisiert sie.
Barbara Happe, Expertin für Rüstung und Frieden bei Greenpeace, sieht ebenfalls eine falsche Prioritätensetzung im Haushaltsentwurf. Während bei Diplomatie, Entwicklung und Sozialem gekürzt werde, solle inklusive Sondervermögen eine Summe, die etwa 20 Prozent des gesamten Bundeshaushalts entspräche, ins Militär fließen. „Mit einem seit Jahren ineffizienten Beschaffungswesen führt dies vor allem zu milliardenschweren Aufträgen für die Rüstungsindustrie statt zu einem realen Zugewinn an Sicherheit.“
Auch Marc von Boemcken vom Bonner International Centre for Conflict Studies (BICC) sieht die massiven Mehrausgaben fürs Militär kritisch. „Unser großes Problem sind nicht so sehr fehlende finanzielle Ressourcen, sondern die effiziente Verwendung der vorhandenen Mittel“, sagt Boemcken. Hinzu komme, dass die Bedrohung durch Russland nicht die einzige gesellschaftliche Herausforderung sei, vor der Deutschland und Europa stünden. Militärische Fähigkeiten würden Probleme wie den Klimawandel und humanitäre Katastrophen nicht lösen können.
Bürgergeld
Bei der Linkspartei stoßen zudem die geplanten Einsparungen beim Bürgergeld auf scharfe Ablehnung. Für die Regelsätze sind 2026 rund 28,1 Milliarden Euro veranschlagt, nach 29,6 Milliarden im laufenden Jahr. 2027 sollen im Vergleich zu heute 2,5 Milliarden Euro eingespart werden, 2028 und 2029 jeweils 3 Milliarden. „Dass die Bundesregierung versucht, Haushaltslöcher zu stopfen, indem sie bei den Schwächsten kürzt, ist beschämend“, sagte die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner.
Klimamaßnahmen
Nicht minder erschreckend sei die geplante Kürzung der Mittel für die Wärmewende im Klima- und Transformationsfonds um ein Viertel. „Wer es den Menschen noch mehr erschwert, auf klimafreundliches Heizen umzusteigen, sorgt dafür, dass die Nachfrage, nach Erdgas hoch bleibt“, kritisierte Schwerdtner. Das passe „allzu gut“ zu den Plänen der EU-Kommission, im Rahmen des Handelsdeals mit Trump Erdgas im Wert von 750 Milliarden Euro aus den USA zu importieren. „Die Leidtragenden werden die Verbraucherinnen und Verbraucher sein, die auf dauerhaft teuren Gasheizungen sitzen bleiben“, konstatiert Schwerdtner.
Auch Umweltorganisationen fürchten, dass durch den Haushalt Fortschritte bei der klimagerechten Modernisierung von Gebäuden abgewürgt werden. Denn die Mittel für die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sollen um rund 4 Milliarden Euro gesenkt werden. „Diese Kürzungen drohen den Fortschritt bei der Wärmewende zu stoppen“, warnt Till Irmisch vom Umweltinstitut München. Der hohe CO2-Ausstoß von Gebäuden – vor allem durchs Heizen – ist ein großes Problem für das Erreichen der Klimaziele. Energetische Sanierungen und der Austausch fossiler Heizungen sind wichtige Schritte, um Verbesserungen zu erreichen.
Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in den Kürzungen einen „herben Rückschlag“ für die Wärmewende. Klingbeil nutze gleichzeitig Gelder aus dem Klima- und Transformationsfonds, um teure Wahlversprechen zu finanzieren, kritisiert sie. „Mehr als ein Viertel der ohnehin knappen Gelder fließt jetzt in Strompreissubventionen – so will der Finanzminister die Netzentgelte senken und die Industrie unterstützen“, sagt sie. Das habe nichts mit Klimaschutz zu tun. „Zwar sind niedrigere Strompreise wichtig, doch von diesen Maßnahmen profitieren die Bürger:innen kaum“, sagt sie.
Unternehmen wenden sich ebenfalls gegen die Kürzung der Mittel für die Gebäudesanierung. „Was wir jetzt brauchen, ist ein starkes Investitionssignal – statt rückläufiger Fördermittel und Unsicherheit“, so Christian Noll von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF). „Die Haushaltsmittel müssen dort wirksam eingesetzt werden, wo sie heimische Investitionen anreizen, die Versorgungskosten und Abhängigkeiten dauerhaft senken.“
Gleichstellung
Eine andere Kritik kommt vom Deutschen Frauenrat. „Frauen kommen trotz der hohen Neuverschuldungen deutlich zu kurz“, sagt Judith Rahner, Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats (DF). So hätte sie „erwartet, dass auch gleichstellungspolitische Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag Eingang in den Haushalt gefunden hätten“, sagte Rahner. Das sei jedoch nicht der Fall.
Kritisch sieht Rahner zum Beispiel, dass die Anpassung von Mindest- und Höchstbetrag beim Elterngeld vorerst nicht kommen wird, obwohl das Elterngeld seit 2008 nicht mehr erhöht worden ist. Verabredet hätten CDU, CSU und SPD zudem, die finanzielle Situation von Alleinerziehenden zu verbessern, indem das Kindergeld nur noch hälftig und nicht wie bisher voll auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird. Da aber die Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss nicht steigen sollen, müsse man davon ausgehen, dass diese wichtige Verbesserung ebenfalls in absehbarer Zeit nicht komme. Der Frauenrat werde sich mit dem Haushalt nicht zufrieden geben und darauf drängen, dass die vereinbarten Vorhaben „umgesetzt und entsprechend finanziert werden“, kündigte Rahner an.
Die DF-Geschäftsführerin betonte zudem, dass eine moderne und gerechte Haushaltssteuerung gemeinsam mit einer systematischen Fairnessprüfung der Ausgaben nach Zielgruppen – ein Gender Budgeting – fehle. Wer viel Steuergeld verteilt, müsse auch fragen: Wer profitiert – und wer nicht? „Dieses Instrument gehört endlich zur Standardpraxis verantwortungsvoller Finanzpolitik.“
Als „katastrophal“ bezeichnete Rahner zudem die Kürzungen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Der Etat soll von 11,2 Milliarden im vergangenen Jahr erst auf 10,3 und dann auf bis nur noch 9,3 Milliarden im Jahr 2028 sinken. „Das ist aus frauenpolitischer Sicht furchtbar und betrifft so wichtige Bereiche wie Bildung von Mädchen, Gleichstellung und Gewaltschutz.“ In einer Zeit, in der Trump die Gelder der USA stoppe, nehme die Bundesregierung hier ihre internationale Verantwortung nicht an. „Deutsche Beiträge könnten den Ausstieg der USA nicht kompensieren – aber wir hätten uns ganz klar eine Auf- und keine Abstockung gewünscht“, so Rahner.
Humanitäre Hilfe
Bereits am Dienstag hatten 17 Hilfsorganisationen in einem gemeinsamen Appell die Bundesregierung gewarnt, dass die vorgesehenen Kürzungen „nicht nur lebensrettende Maßnahmen, sondern auch Deutschlands strategische Interessen und internationale Glaubwürdigkeit“ gefährden würden. „Solidarität und Mitmenschlichkeit sind prägende Elemente der deutschen Außenpolitik – es wäre fatal, diese kurzerhand aufzugeben“, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem von Brot für die Welt, Terre des Hommes, Oxfam und der Welthungerhilfe unterzeichnet worden ist.
Dass in einer Zeit weltweiter komplexer Krisen ausgerechnet bei humanitärer Hilfe, Krisenprävention und internationaler und europäischer Zusammenarbeit gespart werden soll, stößt auch bei den Grünen auf deutliche Kritik. Das sei „verantwortungslos“, sagt Sebastian Schäfer, der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Wer gerade jetzt bei internationaler Solidarität kürzt, richtet enormen Schaden an und untergräbt dabei Deutschlands Glaubwürdigkeit als internationaler Partner“, so Schäfer.
Generell kritisieren die Grünen, dass es die Koalition trotz Rekordschulden von 851 Milliarden Euro bis 2029 nicht schaffen würde, eine solide Finanzplanung aufzustellen. Der vorgelegte Haushaltsentwurf schaffe Unsicherheit, vertage Entscheidungen und untergrabe Vertrauen. „Statt dringend in Klimaschutz, Digitalisierung und soziale Infrastruktur zu investieren, setzt die Koalition auf Symbolpolitik und Konjunkturwetten“, bemängelt der grüne Haushälter Schäfer. „Das ist keine Strategie, das ist Verantwortungslosigkeit mit Ansage.“
Verkehr
Im Verkehrsetat wurde ebenfalls gekürzt, aber für den Neubau von Schienen werden im Bundeshaushalt jetzt 1,8 Milliarden Euro veranschlagt – und damit deutlich mehr als im Haushalt für 2025, der knapp 0,5 Milliarden Euro für den Ausbau des Schienennetzes bereithält. „Damit schafft man die Voraussetzung für die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die klimafreundlichere Schiene“, findet Gabriel Kapfinger, Mitarbeiter im Team Verkehrspolitik beim BUND. Trotzdem sei noch mehr Geld nötig, um so viel Verkehr aufs Gleis zu bringen, dass die deutschen Klimaziele erreicht werden können.
Nach Rechnungen des BUND kommen durch den Verkehrshaushalt, das Sondervermögen und den Verteidigungsetat insgesamt knapp 22 Milliarden Euro für den Schienenverkehr zusammen. Laut der Deutschen Bahn und Branchenverbänden wie der Allianz pro Schiene wären jedoch 26 bis 29 Milliarden Euro jährlich nötig, um das Gleisnetz wirklich fit zu machen.
Beim Geld für den Straßenverkehr hätte die Koalition den Fokus auf die Sanierung maroder Brücken und Straßen legen sollen, sagt BUND-Mitarbeiter Kapfinger. „Stattdessen setzt die Bundesregierung weiterhin auf den umweltschädlichen Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen.“ Mittel für neue und ausgebaute Fernstraßen stecken sowohl im Verkehrsetat als auch im Verteidigungshaushalt. „Solange sanierungsbedürftige Brücken nicht instandgesetzt und saniert sind, müssen Neubauprojekte gestoppt und die frei werdenden Mittel in die Sanierung bestehender Verkehrswege investiert werden“, fordert Kapfinger.
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