Fußballerin Tuğba Tekkal: „Auf dem Platz fragt keiner, wo du herkommst“
Erst kickte Tuğba Tekkal heimlich auf dem Bolzplatz, später in der Bundesliga. Heute setzt sie sich mit Fußball für Mädchen ein.
taz: Frau Tekkal, es ist Fußball-Europameisterschaft der Frauen – und alle bekommen es mit. Hätten Sie sich das vorstellen können, als Sie selbst noch Profi waren?
Tuğba Tekkal: Nein, aber natürlich haben wir uns das immer gewünscht. Mittlerweile werden ja sogar die Spiele der Frauenbundesliga via Streamingdienst übertragen. Das ist etwas, was ich aus meiner Zeit gar nicht kenne. Ich habe neulich Videomaterial von mir gesucht und fast nichts gefunden. Das finde ich sehr schade, weil ich gerne irgendwann mal meinen Kindern gezeigt hätte, wie gut ich war. Umso besser, dass der Frauenfußball jetzt die Wertschätzung bekommt, die er verdient.
taz: Gibt es Spielerinnen, mit denen Sie besonders mitfiebern?
Tekkal: Ich fiebere immer mit der deutschen Nationalmannschaft mit, ich kenne viele Spielerinnen persönlich. Laura Freigang, Nicole Anyomi, die jetzt leider nicht dabei ist, und Sydney Lohmann. Das sind Spielerinnen, die sagen, was sie denken. Haltung zeigen ist ja speziell im Frauenfußball ein Ding. Dadurch, dass wir immer schon um Sichtbarkeit kämpfen mussten, spielen oft Frauen, die gerne auch mal den Mund aufmachen. Das mag ich.
taz: Früher haben Sie in der Bundesliga gespielt, jetzt leiten Sie mit den Scoring Girls* ein soziales Projekt, das Mädchen durch das Fußballspielen stärken soll. Der Fußball ist in Ihrem Leben sehr präsent.
Tekkal: Für mich war Fußball immer viel mehr als nur Sport. Ein sich Behaupten, ein einziger Kampf. Und mein Tor zur Freiheit. Ich habe über den Fußballplatz Anerkennung bekommen und das Gefühl dazuzugehören. Dort bin ich nicht gefragt worden, wo ich herkomme oder welche Religion ich habe. Diese Fragen haben mich abseits des Platzes in meiner Jugend sehr geprägt.
taz: Weil Ihre Eltern aus der Osttürkei nach Deutschland geflohen sind?
Tekkal: Ja. Ich war Diskriminierung, Rassismus und Klassismus ausgesetzt. Ich komme aus einer Großfamilie, wir waren elf Geschwister, meine Eltern hatten wenig Geld. Wenn du so aufwächst, wird dir schnell suggeriert, dass du nicht dazugehörst.
taz: Wie haben Sie das als Kind im Alltag mitbekommen?
Tekkal: Ich erinnere mich daran, wie ich mit meiner Mutter einkaufen war. Sie konnte eine Frage auf Deutsch nicht beantworten, ist dann von der anderen Person beleidigt worden. In dem Moment war ich wütend auf meine Mutter: Warum kann sie denn jetzt keinen vernünftigen Satz zustande bringen? Heute schäme ich mich dafür, dass ich mich damals geschämt habe. Meine Eltern hatten es schließlich schwer, sie sind als politisch Verfolgte hierher geflohen und haben immer für ein besseres Leben ihrer Kinder gekämpft.
taz: Wie haben Sie die Schule erlebt?
Tekkal: Ich hatte Lehrer und Lehrerinnen, die mir gesagt haben, dass ich es niemals zu etwas bringen würde. Manche Kinder aus meiner Klasse wollten nichts mit mir zu tun haben, weil ich eben aus dieser Großfamilie kam, die in ihren Augen „asozial“ war. Ich habe mich dann in mein Schneckenhaus zurückgezogen. Ich habe mich auch gefragt, ob die anderen vielleicht Recht haben damit, dass ich es niemals schaffen werde – vergiftete Glaubenssätze, die mich noch bis vor ein paar Jahren geprägt haben.
taz: Aber beim Fußball war es anders?
Tekkal: Ich habe zwar erst mit 16 angefangen, im Verein zu spielen, aber vorher natürlich schon auf dem Bolzplatz. Da dachte ich zum ersten Mal: Wow, so fühlt sich das also an, dazuzugehören! Ich habe das Selbstbewusstsein, das ich dort bekommen habe, auf meinen Alltag übertragen. Gleichzeitig war es ein Kampf, denn meine Eltern haben mir als 10-Jährige verboten, weiter Fußball zu spielen. Sie wussten, dass ich damit kein Geld verdienen kann, dass ich keine sichere Perspektive in diesem Beruf haben würde. Außerdem kannten sie keine Fußballerinnen, schon gar keine mit Zuwanderungsgeschichte. Es ging ihnen auch um traditionelle Werte und Erwartungen: Was sollen die Leute denken, wenn du den ganzen Tag mit Jungs auf dem Bolzplatz kickst?
Die Fußballerin
Tuğba Tekkal wurde 1985 in Hannover geboren. Sie hat unter anderem für den Hamburger SV und den 1. FC Köln in der Bundesliga gespielt.
Die Aktivistin
Nach dem Völkermord an den Jesid:innen gründete Tekkal 2015 gemeinsam mit ihren Schwestern die NGO Háwar.help, die sich für Menschenrechte einsetzt. Darin initiierte sie das Projekt Scoring Girls*, das Mädchen durch Fußball Teilhabe ermöglichen und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen soll.
Die Kandidatin
Tekkal lebt in Köln und ist seit 2005 Mitglied des 1. FC Köln. Jetzt kan-didiert sie mit Carsten Wettich und Wilke Stroman für das Präsidium des Klubs. Das Amt möchte sie nutzen, um sich für progressive Werte in der Vereinspolitik einzusetzen.
taz: Trotzdem sind Sie beim Fußball geblieben.
Tekkal: Ja, meine Geschwister, vor allem meine Brüder, haben mich sehr dabei unterstützt. Sie haben mich mit auf den Bolzplatz genommen und gesagt: Tuğba spielt mit. Das war echt toll, denn die Jungs, mit denen sie da abgehangen haben, waren eher gegenteiliger Meinung. Mein Bruder Tekin war es dann später auch, der mich im Verein angemeldet hat.
taz: Ihre Eltern haben das nicht mitgekriegt?
Tekkal: Ich habe es lange vor ihnen verheimlicht, und das war wirklich schlimm für mich. Endlich konnte ich mal etwas richtig gut, aber durfte ihnen nichts davon erzählen. Ich war keine gute Schülerin. Deshalb hätte ich meinen Eltern so gerne gezeigt: Hey, ihr könnt stolz auf mich sein! Ich habe vielleicht nicht die besten Noten, aber ich kann richtig gut Fußball spielen!
taz: Wie konnten Sie das Fußballspielen so lange geheim halten?
Tekkal: Ich habe meinen Eltern gesagt, ich würde Freundinnen treffen, wenn ich zum Platz gegangen bin. Meine Brüder haben meine Sportklamotten unter ihrer Wäsche versteckt. Wir dachten echt, unsere Mutter merkt das nicht. Natürlich hat sie etwas gespürt, aber hat es ausgeblendet. Solange wir nicht darüber geredet haben, war es für sie nicht real. Irgendwie hat es funktioniert.
taz: Später ist es dann doch rausgekommen, oder?
Tekkal: Als ich dann schließlich im Verein gespielt habe, stand mein Name montags regelmäßig in den Spielberichten vom Wochenende in der Zeitung. Ich war so stolz: Mein Name zwischen den ganzen Namen der männlichen Spieler! Da wusste ich, dass ich es meinen Eltern erzählen muss. Meine Geschwister haben das für mich übernommen. In dem Moment ist mein Vater aus dem Raum gegangen, kam mit einer Mappe zurück, in der er alle Zeitungsberichte der letzten Monate gesammelt hatte. Die beiden hatten es längst gewusst, und dann war es ausgesprochen.
taz: Wie war es, mit zehn Geschwistern aufzuwachsen?
Tekkal: Sehr laut, fröhlich, schön, wild und ohne Privatsphäre. In meiner Kindheit haben wir in einer Vierzimmerwohnung in Hannover-Linden gewohnt. Da gab es nie die Frage: Tuğba, was brauchst du? Sondern: Tuğba, was kannst du für diese Gemeinschaft geben? Ich glaube, wir haben damals viele Skills gelernt, für die man heute in Managementseminaren Tausende von Euro zahlt. Nämlich zu verstehen, was wir einbringen müssen, damit das Konstrukt Gemeinschaft funktioniert. Jeder hatte dabei eine Rolle.
taz: Welche war Ihre?
Tekkal: Heute sagen wir immer, ich bin das Herz. Die, die alle zusammenbringt. Ich war immer die Schwester, mit der keiner ein Problem hatte. Klar gab es mal Streitereien, aber ich konnte immer gut mit den Jungs, den Mädchen und auch mit unseren Eltern. Ich konnte mich anpassen und war sehr empathisch. Das war nicht immer gut, denn so habe ich meine eigenen Bedürfnisse ziemlich oft beiseite geschoben. Ich musste dann später im Leben lernen, mich auch mal zu behaupten, und dabei hat mir der Fußball sehr geholfen. Auch auf dem Platz war ich irgendwie das Herz: Ich hatte die 10 auf dem Rücken, die Nummer der Spielmacherin.
taz: Haben Sie sich auch mal nach Ruhe gesehnt?
Tekkal: Klar, als Kind und Jugendliche habe ich mir oft mehr Ruhe und Privatsphäre gewünscht. Trotzdem war es das schönste Aufwachsen, das ich mir vorstellen kann. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Großfamilie – das waren ja nicht nur wir 13, sondern auch Cousins, Cousinen, Onkel und Tanten. Es gab in der Nähe unserer Wohnung einen Park – Spiela Mala Isa haben wir den genannt, Spielplatz vom Hause Isa. „Isa“ sind die Vorfahren meiner Eltern. Wenn wir alle auf dieser Wiese gechillt haben, war das für mich das Schönste auf der Welt. Wir haben gegrillt und unsere Nachbarn und Freunde sind dazugekommen. Wir sind sehr multikulturell aufgewachsen, mit Deutschen, Türken, Arabern, Russen, Italienern, Kroaten, Serben … In Hannover-Linden waren alle da. Auch bei uns zu Hause war immer viel los.
taz: Sie hatten oft Besuch?
Tekkal: Mein Vater war politisch sehr aktiv und so gab es eigentlich keinen Abend, an dem nicht irgendwelche Leute im Wohnzimmer saßen und über Politik redeten. Oft haben auch Menschen bei uns übernachtet, die in Deutschland Asyl beantragt haben.
taz: Wofür hat sich Ihr Vater engagiert?
Tekkal: Er hat für die Sichtbarkeit und Rechte von Jesiden gekämpft. Als jesidische Kurden sind wir ja eine Minderheit in der Minderheit, die an vielen Orten der Welt verfolgt wird. Das Engagement meines Vaters hat dazu beigetragen, dass die Jesiden in Niedersachsen als politisch Verfolgte anerkannt wurden und deshalb Recht auf Asyl in Deutschland haben.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
taz: Sie selbst haben dann bald beim Hamburger SV Fußball gespielt, einem der besten Vereine Deutschlands. Wie sind Sie Teil des Kaders geworden?
Tekkal: Ich habe mit meinem ersten Verein, dem TSV Havelse, in der Regionalliga gespielt. Dort bin ich aufgefallen, habe gute Leistungen gezeigt. Der HSV hat mich deshalb zu einem Probetraining eingeladen. Da war ich 20, also schon vergleichsweise alt. Das Training lief gut, ich wäre gerne direkt nach Hamburg gezogen. Meine Eltern waren aber strikt dagegen, erst ein Jahr später konnte ich sie, wieder mithilfe meiner Geschwister, überzeugen.
taz: Mit dem HSV haben Sie zunächst in der Zweiten Bundesliga gespielt, später auch in der Ersten. Sind Ihre Eltern zu den Spielen gekommen?
Tekkal: Einmal sind sie gekommen. Und das war für mich das schönste Gefühl. Da hat sich alles verbunden: die Leidenschaft für den Fußball und meine Familie auf der Tribüne. Ich habe Autogrammkarten geschrieben, meine Eltern standen ein paar Meter weiter. Sie haben ihren Frieden damit gemacht.
taz: Wie waren damals die Bedingungen im deutschen Frauenfußball?
Tekkal: In der Zweiten Liga habe ich etwa 175 Euro Aufwandsentschädigung im Monat bekommen, in der Ersten war es nicht viel mehr. Ich hatte in Hannover eine Ausbildung zur Fitnesskauffrau gemacht und arbeitete in Hamburg neben dem Fußball in einem Fitnessstudio. Weil ich jeden Abend und manchmal vormittags Training hatte, konnte ich nicht voll arbeiten. Ich habe am Existenzminimum gelebt und konnte mir teils nur Nudeln ohne Soße leisten. Ich habe mich viel geschämt.
taz: Frauenfußball als Leistungssport konnten sich eigentlich nur Frauen mit finanziellen Rücklagen leisten?
Tekkal: Der Frauenfußball war und ist in gewisser Weise elitär. Auch Frauen mit Zuwanderungsgeschichte wie ich sind dort unterrepräsentiert. Das liegt auch am Auftreten der Vereine, die oft keine Kinder erreichen, deren Eltern kein Deutsch sprechen. Ich selbst habe mich als Jugendliche lange nicht angesprochen gefühlt, denn im Vereinssport gab es keine, die aussah wie ich. Das zeigt, wie wichtig Vorbilder sind. Davon gibt es im deutschen Frauenfußball immer noch zu wenig. Außerdem kostet ein Verein Geld. Dadurch werden viele Kinder und Jugendliche ausgeschlossen. Ich weiß, wie sehr die oft Ehrenamtlichen sich in den Breitensportvereinen einsetzen. Und trotzdem fehlt oft eine strukturelle Offenheit, ein Reflektieren darüber, wie wirklich alle Mädchen ihren Weg in den Sport finden können.
taz: Sie spielten professionell Fußball, aber engagierten sich ab 2015 auch verstärkt politisch. Zusammen mit Ihren Schwestern haben Sie eine Menschenrechtsorganisation gegründet, Háwar.help.
Tekkal: Das war nach dem Völkermord an den Jesiden im kurdischen Teil des Iraks durch den sogenannten Islamischen Staat im August 2014. Meine Schwester Düzen ist Journalistin, sie ist damals in das Kriegsgebiet gereist und hat eine Dokumentation über den Genozid an den Jesiden produziert. Damit sind wir durch Deutschland gezogen, um Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Wir als Schwestern haben quasi den Staffelstab unseres Vaters übernommen. Für mich persönlich war von Anfang an klar, dass ich mich auf meine Art einbringen muss.
taz: Mit Fußball?
Tekkal: Genau. Ich habe damals beim 1. FC Köln gespielt. Mit meinen Autogrammkarten bin ich in Geflüchtetenunterkünfte und Jugendzentren gefahren und habe gesagt: Ich habe mittwochs trainingsfrei, wer hat Lust, zusammen mit mir und anderen Mädchen zu kicken? Dabei habe ich nicht nur jesidische Mädchen, sondern Mädchen mit jedem ethnischen Hintergrund eingeladen. So ist das Projekt entstanden. Mittlerweile gibt es Scoring Girls* in Köln, Berlin, München und auch Irak. Es geht nie nur um Fußball, sondern immer um Zusammenhalt und Teilhabe.
taz: Sie haben auch vor Ort im Irak geholfen?
Tekkal: In einem irakischen Binnengeflüchteten-Camp haben wir ein Frauenhaus gegründet, um Frauen und Kindern, die in IS-Gefangenschaft lebten, eine neue Perspektive zu bieten. Die Mädchen können bei uns Fußball spielen. Für die Frauen bieten wir Computer-, Näh- und Alphabetisierungskurse an und haben einen Shop eröffnet, in dem sie ihre Produkte verkaufen können. Wir haben Háwar.help nach dem Völkermord an den Jesiden gegründet, arbeiten aber immer multiethnisch und multireligiös, nicht nur im Irak, auch in Afghanistan und Iran.
taz: Wie kann Fußball vom IS verfolgten Mädchen helfen?
Tekkal: Zum Training im kurdischen Teil des Iraks kommen Mädchen, die teilweise in den Camps geboren sind, Mädchen, die Suizidversuche hinter sich haben. Viele haben einen Genozid überlebt, sind den Fängen des IS entkommen. Das heißt, dass sie schwer traumatisiert sind, keinen Halt, keine Heimat, keine Sicherheit haben. Viele von ihnen sagen, dass Fußball wie Therapie für sie ist. Eine Mutter hat mir einmal gesagt: Seit sie Fußball spielt, will meine Tochter wieder leben. Das ist das schönste Kompliment, das man dem Fußball und dem Projekt machen kann.
taz: All das aufzubauen war sicher auch stressig.
Tekkal: Ich war ja eigentlich noch professionelle Spielerin beim 1. FC Köln. Parallel habe ich all meine Energie und auch mein Geld in die Menschenrechtsarbeit gesteckt. Ich habe die Mädchen abgeholt, sie zu Behörden begleitet, bei Hausaufgaben geholfen und Trainingsklamotten für sie gesammelt. Ich bin innerhalb einer Woche viermal zwischen Köln und Berlin hin- und hergefahren, damit ich auch in Berlin Training geben kann. Irgendwann war ich ausgebrannt.
taz: Sie haben zu wenig auf sich selbst geachtet?
Tekkal: Absolut. Persönliche Bedürfnisse haben gar keine Rolle gespielt. Selbstfürsorge sowieso nicht. Meine Schwestern und ich haben uns nicht erlaubt zu leben. Wir haben sehr viel gegeben. Das machen wir nach wie vor, aber mittlerweile haben wir ein gesünderes Verhältnis dazu.
taz: Wie haben Sie das geschafft?
Tekkal: Mit viel Unterstützung. Wir haben Wege gefunden, unsere Arbeit mit Scoring Girls* zu finanzieren, auch wenn wir nach wie vor auf Spenden angewiesen sind. Nachdem ich das Projekt jahrelang alleine gestemmt hatte, haben wir nun festangestellte Mitarbeitende. Außerdem haben wir Supervision. Das brauchen wir, wir sind ja nicht nur Kolleginnen, sondern auch Schwestern, das ist manchmal herausfordernd. Gleichzeitig helfen uns gerade die Erfahrungen in der Großfamilie bei unserer Arbeit.
taz: Profifußballerin und gleichzeitig Menschenrechtsaktivistin – hat das funktioniert?
Tekkal: Nicht wirklich. Beim 1. FC Köln haben wir vier Spielzeiten lang versucht, in die Erste Liga aufzusteigen. In der Saison 2014/15 hat es dann endlich geklappt. Das war eigentlich der schönste und erfolgreichste Moment meiner fußballerischen Karriere. Wir hatten die gesamte Saison über kein Spiel verloren, waren also ungeschlagen Meister. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich darüber rede. Gleichzeitig ist in dieser Zeit der Völkermord an den Jesiden verübt worden. Freud und Leid sind brutal aufeinandergeprallt. Die Scoring Girls* waren auch mein Versuch, beides miteinander zu verknüpfen.
taz: Haben Sie Ihre Profikarriere deshalb beendet?
Tekkal: Auch, aber nicht nur. Ich habe noch eine Saison in der Ersten Liga gespielt, dann habe ich mich im Spiel am Knöchel verletzt. Ich hätte mich zu hundert Prozent der Reha widmen müssen, das habe ich aber nicht gemacht, weil ich viel Zeit in Háwar.help und die Scoring Girls* gesteckt habe. Schließlich habe ich entschieden, meine Profikarriere zu beenden. Auch, weil ich zu dem Zeitpunkt schon 32 war. Es war die richtige Entscheidung. Fußball kann so unglaublich ermächtigend für Mädchen sein, mir persönlich hat er so viele Türen geöffnet. Das ist ja auch meine Motivation: Ich möchte, dass jedes Mädchen einmal dieses Gefühl von Zugehörigkeit hat. Jedes Mädchen muss wissen, dass sie das Recht hat, selbstbestimmt und frei durch das Leben zu gehen.
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