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Trump gegen PressefreiheitÖl ins Feuer gießen

Der US-Präsident klagt wegen der Epstein-Berichterstattung gegen das „Wall Street Journal“. Und eskaliert damit seinen Feldzug gegen die Medien.

Die Verbindung zwischen Trump und Epstein sorgte weltweit für Aufruhr. Hier hängen Ak­ti­vis­t:in­nen ein Plakat in London auf Foto: Thomas Krych/ap

Donald Trump wütet regelmäßig gegen die freie Presse – jetzt trifft sein Zorn das Wall Street Journal (WSJ). Die Zeitung hatte über einen kruden, sexuell anzüglichen Geburtstagsbrief berichtet, den der Präsident (samt der Zeichnung einer nackten Frau) 2003 dem pädophilen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein zu dessen 50. Geburtstag geschickt haben soll.

Die Verbindungen zwischen Trump und Epstein sind seit Langem bekannt, doch der Bericht des WSJ kommt für Trump zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt, denn ein Teil der MAGA-Koalition, den Trump seit Jahren durch Verbreitung von düsteren Verschwörungserzählungen mobilisiert hat, ist in Aufruhr.

Trumps politische Karriere baute von Beginn an auf der Verbreitung von Verschwörungstheorien auf: Während des Wahlkampfs gegen Hillary Clinton behaupteten seine Anhänger, Clinton sei Teil eines geheimen, pädophilen Sex-Trafficking-Rings – die Verschwörungserzählung wurde „Pizzagate“ genannt und wurde schließlich zur „QAnon“-Verschwörungstheorie – einem Schauermärchen über eine geheime pädophile Missbrauchs-Intrige von führenden Demokraten und liberalen Eliten, die einen vermeintlichen geheimen „Schattenstaat“ präge, der die eigentlichen Geschicke der USA lenke.

Trump hat diesen Verschwörungswahn immer wieder aktiv befördert und von ihm profitiert. Er hatte die Behauptung, es gäbe eine geheime Klienten-Liste von Epstein, die veröffentlicht werden müsse, genau wie Spekulationen über dessen Tod verbreitet – zumindest während des Wahlkampfs.

Schon immer klagefreudig

Auch FBI-Direktor Kash Patel und sein Stellvertreter Dan Bongino haben in ihren vorigen Karrieren als rechtsextreme Influencer den Fall Epstein verwendet, um ihr Publikum mit Verschwörungstheorien zu füttern. Doch jetzt enttäuschen Justizministerium und FBI die Erwartungen, die Trump, Patel und Co jahrelang in ihrer Anhängerschaft geschürt hatten, als sie verkündeten, es gebe keinen Zweifel am Selbstmord Epsteins und auch keine geheime Klientenliste.

Teile der MAGA-Bewegung reagierten aufgebracht. Der Bericht des WSJ über Trumps anzüglichen Geburtstagsbrief hat jetzt Öl ins Feuer gegossen: Der Präsident wütet nicht nur seit Tagen auf seinem Netzwerk „Truth Social“ gegen seine eigene Basis, sondern hat jetzt auch Klage gegen den Herausgeber des WSJ, Dow Jones and Company, Rupert Murdoch, die Zeitung selbst und die beiden Journalisten eingereicht. Trump wirft den Beklagten in zwei Fällen Verleumdung vor und fordert mindestens 10 Milliarden Dollar Schadenersatz – insgesamt also 20 Milliarden.

Es ist die jüngste Eskalation in Trumps Feldzug gegen die freie Presse: Dass er klagefreudig gegen die Berichterstattung etablierter Medien vorgeht, die ihm nicht passt, ist nichts Neues.

Auch in den letzten Monaten hat er große Medienkonzerne verklagt: 2024 den Fernsehsender ABC und seinen Mutterkonzern Disney wegen Verleumdung, 2025 ging er juristisch gegen Paramount Global und CBS vor, dessen Sendung „60 Minutes“ er vorwarf, ein Interview mit Kamala Harris für die Kandidatin vorteilhaft geschnitten zu haben. Trump klagte gegen Paramount auf 20 Milliarden Dollar Schadenersatz.

Medienrechtler hatten den Medienkonzernen gute Chancen vor Gericht eingeräumt – doch Disney und Paramount knickten ein, um einen direkten Konflikt mit dem amtierenden Präsidenten zu verhindern: ABC willigte ein, dem Präsidenten für eine Trump-Stiftung 15 Millionen Dollar zu zahlen, Paramount machte 16 Millionen Dollar für einen Vergleich locker.

Vorauseilendes Ein­knicken

Was war der Grund für das vorauseilende Ein­knicken in diesen Fällen? Disney und Paramount besitzen mehrere Fernsehsender, denen potenziell Lizenzentzug durch die Federal Communications Commission (FCC) drohen könnte. Die FCC ist eigentlich eine unabhängige Regierungsbehörde. Doch derzeit wird sie von Brendan Carr geleitet, der von Donald Trump ernannt wurde. Der erzkonservative Anwalt hat ein Kapitel über die FCC im „Project 2025“ verfasst – einer autoritären Regierungs-Blaupause der konservativen Heritage Foundation. Carr ist bereit, die FCC als Werkzeug Trumps gegen unliebsame Medien einzusetzen.

Trump hat schon mehrfach Medienkonzerne verklagt – doch er hat bisher keinen Verleumdungs­fall vor Gericht gewonnen

Paramount Global will derweil mit dem Konzern Skydance Media fusionieren und braucht für diesen Milliarden-Deal die Zustimmung der FCC – Carr hat bisher keine Entscheidung bekanntgegeben. Letzte Woche erst traf sich der Chef von Skydance, David Ellison – Sohn des Multimilliardärs und Trump Unterstützers Larry Ellison – mit Carr, um diesem zu versichern, dass man „diverse Standpunkte“ abbilden werde und sich dem Patriotismus verschreibe – Euphemismen dafür, rechte Propaganda zu verbreiten.

Der Comedian Stephen Colbert nannte die Zahlung von 16 Millionen Dollar an Trump durch Paramount, den Mutterkonzern seines Senders CBS, eine „dicke, fette Bestechung“. Wenige Tage später verkündete CBS, dass Colberts Talkshow – im schwächelnden Late-Night-Show-Segment immerhin die publikumsstärkste – nach der aktuellen Staffel eingestellt wird; Trump feierte die Nachricht online. Der Präsident behauptete außerdem, der Skydance-Eigentümer Ellison würde ihm zusätzlich Sendezeit im Wert von 20 Millionen Dollar schenken – die demokratische Senatorin Elizabeth Warren fordert eine Untersuchung wegen Bestechung.

Trump hat in der Vergangenheit mehrfach Medienkonzerne verklagt oder ihnen mit Klagen gedroht – doch er hat bisher nie einen Verleumdungsfall vor Gericht gewonnen. Das dürfte auch daran liegen, dass die Latte für einen Schuldspruch zu diesem Tatbestand in den USA sehr hoch liegt. Paramount und Disney haben mit ihrer Bereitschaft, Trump Millionen zu zahlen, gefährliche Präzedenzfälle geschaffen und dem Präsidenten signalisiert, dass er mit vorauseilendem Gehorsam rechnen kann.

Das WSJ und Murdoch haben jedoch scheinbar momentan nicht vor, es Paramount und Disney gleichzutun. Man sollte trotzdem nicht annehmen, dass ausgerechnet Rupert Murdoch jetzt zum Kämpfer gegen Trump wird – sein Fernsehsender Fox News fungiert nach wie vor als Trumps Hofberichterstatter. Der Medienjournalist Michael Savage analysierte im Guardian, dass Murdoch strategisch zweigleisig fahre: Das WSJ spreche konservative Kritiker von Trumps Wirtschafts­politik an, während Fox News die Trump Fans bediene: „Murdoch steht an der Spitze eines rechten Medien­imperiums, das alle Bereiche abdeckt.“

Bedrohung von zwei Seiten

Trump zeigt derweil, dass er nur allzu bereit ist, ihm unbequeme Medien abzustrafen: Er schließt das WSJ von der bevorstehenden präsidialen Schottland-Reise aus. Schon Anfang des Jahres hatte die Regierung Trump der Associated Press den Zugang zu einigen präsidialen Veranstaltungen und Pressekonferenzen entzogen, weil die Nachrichtenagentur nicht – wie von der Trump Regierung gefordert – vom „Gulf of America“, sondern vom „Gulf of Mexico“ schrieb – ein direkter Versuch, in die redaktionelle Arbeit einzugreifen.

Der Medienwissenschaftler A. J. Bauer von der University of Alabama sieht die Pressefreiheit in den USA derzeit von zwei Seiten bedroht: einerseits durch Trump und seine Verbündeten, die Medien offen drohen und ihre Arbeit behindern, andererseits durch Milliardäre, denen Medienimperien gehören und die sich rein gewinnorientiert verhalten.

Trumps Klage gegen das WSJ landete derweil auf dem Richterpult von Darrin Gayles, der von Barack Obama als Richter nominiert wurde. Gayles ist der erste offen schwule Schwarze Bundesrichter, dessen Nominierung 2014 vom Senat überparteilich bestätigt wurde – die Unterstützung der Republikaner dürfte Gayles erhalten haben, weil er zuvor von zwei republikanischen Gouverneuren für Bezirksrichterposten nominiert worden war.

Tatsächlich ist es das zweite Mal, dass eine von Trumps Klagen in Gayles’ Gerichtssaal verhandelt wird: Im April 2023 hatte Trump seinen ehemaligen Anwalt Michael Cohen auf 500 Millionen Dollar verklagt, die Klage aber ein halbes Jahr später fallen gelassen – bevor er unter Eid vor Gericht hätte aussagen müssen. Das dürfte auch bei der Klage gegen das WSJ eine Rolle spielen: Denn eine potenzielle Aussage zu seinem Verhältnis zu Epstein unter Eid dürfte Trump vermeiden wollen.

Eines hat Trumps Klage gegen das WSJ bereits erreicht: Die rechtsextremen Influencer und Medienpersönlichkeiten, die Trump in den vergangenen Wochen wegen seines Verhaltens in Bezug auf Epstein scharf kritisiert hatten, scharen sich jetzt um ihn. Sie verkünden eine angeblich wieder vereinte „MAGA“-Front gegen den Feind, auf den Trump – und andere Republikaner vor ihm – sie schon lange eingeschworen hat: die Medien. Ob das ausreicht, um die Basis zu überzeugen und um die entstandenen Risse im Verschwörungsglauben zu kitten, wird sich zeigen. Eines ist sicher: Trump eskaliert seine Angriffe auf die Pressefreiheit weiter – unter dem Jubel der üblichen Claqueure.

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2 Kommentare

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  • Und das war es dann bald mit der freien Presse.



    Die Diktatur ist schon zur Hälfte geschafft.



    Jetzt muss nur noch die Demokratische Partei verboten werden



    und die Verfassung außer Kraft gesetzt werden, dann ist Donald



    Gottkaiser von den USA.



    Dann wird sich Grönland und Kanada einverleibt.



    Und wenn DT dann das zeitliche segnet gibt es Bürgerkrieg.

  • Es kommt noch schlimmer. Offenbar laufen Bemühungen seitens Pam Bondi (Trumps oberste Staatsanwältin), Ghislaine Maxwell begnadigen zu lassen. Von rechten Medien aus läuft bereits eine Kampagne, die Maxwell als Opfer hinstellt.