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Umweltschutz in der UkraineNach dem Waldsieg ist vor der Fracking-Bedrohung

Bei Charkiw stoppen Umweltschützer die Rodung von Wald für eine Kiesgrube. Doch jetzt plant Oligarch Achmetow, gleich nebenan Erdgas zu fördern.

Hat die Rodung von 100 Hektar Kiefernwald verhindert: Swetlana Kuraksina, Umweltaktivistin Foto: Bernhard Clasen

Charkiw taz | Swetlana Kuraksina und Valeri Lovtschanowski haben es geschafft. Die geplante Rodung von über 100 Hektar Kiefernwald im Stadtteil Schichor der ostukrainischen Metropole Charkiw ist gestoppt. Das ukrainische Umweltministerium untersagte die Abholzung nach massiven Bürgerprotesten. Doch Ruhe haben die beiden Aktivisten nicht.

Schon ist eine neue Bedrohung entstanden – in einem angrenzenden Gebiet soll nun nach Gas gebohrt werden. Kuraksina und Lovtschanowski wollen auch hier Widerstand organisieren und dabei auf den Erfahrungen von Schichor aufbauen.

Dort hatten die Firmen Karier Osnova und Reisis Ukraine den Wald für den Ausbau einer Kiesgrube abholzen wollen. Kuraksina und Lovtschanowski mobilisierten 600 Menschen zu öffentlichen Anhörungen, 6.000 Charkiwer unterschrieben gegen weitere Rodungen. Auch Bürgermeister Ihor Terechow unterstützte den Widerstand.

Diese Proteststimmung muss nun gegen die geplanten Eingriffe im Gebiet Choroschiwska neu entfacht werden – und das schnell. Die Firma Naftogazrosrobka, die zum DTEK-Konzern des Oligarchen Rinat Achmetow gehört, hat dort bereits mit geologischen Erkundungen begonnen. Sie schätzt die Gasvorkommen auf 1,64 Milliarden Kubikmeter – ein lukratives Geschäft für das Unternehmen, das die Umweltschützer alarmiert.

Die Aktivisten fürchten verheerende Umweltschäden

„Wir haben das schon einmal durchgemacht. Damals stoppte ein Gericht den Prozess wegen Verfahrensverstößen. Jetzt wiederholt sich die Geschichte“, schrieb Terechow. Tatsächlich ist der Konflikt nicht neu. Bereits 2021 wehrte sich der Charkiwer Stadtrat gegen die geplante Schiefergasförderung in diesem Gebiet. Terechow warnte damals vor einer „ökologischen Katastrophe“. Nun versucht Achmetows Konzern erneut, das Gas zu erschließen.

Jetzt steht der nächste Umweltkampf gegen das Fracking an: Valeri Lovtschanowski, Umweltaktivist Foto: Bernhard Clasen

Das geplante Fördergebiet grenzt direkt an Charkiw und betrifft die Einwohner von Schichor unmittelbar. Die Region ist dicht besiedelt, Trinkwasserquellen liegen in unmittelbarer Nähe. Für die Umweltschützer bedeutet dies eine existenzielle Bedrohung ihrer Heimat.

Zwar behauptet Naftogazrosrobka, das Gas könne auch ohne Fracking extrahiert werden. Aber Aktivist Lovtschanowski bezweifelt das. „Wenn der natürliche Förderdurchsatz sinkt, kommen andere Maßnahmen zum Einsatz wie Säurebehandlungen oder Fracking“, sagt er. Besonders bei dichten Gesteinsschichten wie Sandstein, die in der Region häufig vorkommen, sei dies unvermeidlich.

Die Fracking-Methode birgt erhebliche Umweltrisiken. Lovtschanowski berichtet von der systematisch unsachgemäßen Entsorgung von Abwasser: „Das wird illegal in nicht isolierte Gruben entsorgt, die nicht dafür geeignet sind, gefährliche Abfälle aufzunehmen.“

Hunderte Tonnen chemisch gefährlicher Flüssigkeiten gelangen so ins Grundwasser. Zugleich ist der Verbrauch von sauberem Wasser immens – bis zu 7.000 Kubikmeter pro Bohrloch.

Erfahrung mit Erfolg

„Bis zu 30 Prozent der eingesetzten Flüssigkeit bleiben in der Erde zurück. Das ist ein langfristiges Risiko für die gesamte Region“, warnt Lovtschanowski. Mit der Bohrtiefe steige zudem die natürliche Radioaktivität der Gesteinsschichten erheblich an.

Die Umweltschützer planen bereits ihre Gegenstrategie. Sie wollen ein 7.000 Hektar großes Naturschutzgebiet einrichten lassen. „In einem Naturschutzgebiet ist die Gasförderung nicht erlaubt“, erklärt Kuraksina. Die Aktivisten setzen dabei wieder auf bewährte Mittel: Bürgerbeteiligung und politische Unterstützung.

„Gut, dass wir schon Erfahrung in unserem Kampf für den Erhalt der Natur haben“, sagt Kuraksina. Der erfolgreiche Widerstand gegen die Waldrodung mache Mut für den neuen, weitaus größeren Konflikt gegen die Gasförderung.

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