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Höhere Leistungen für ArbeitsloseSpendabler Auftritt, nichts dahinter

In der ARD stellte Friedrich Merz mehr Geld bei „plötzlicher Arbeitslosigkeit“ in Aussicht. Konkret wird er aber nicht. Die SPD reagiert zurückhaltend.

Beim Sommerinterview 2025 stellt Kanzler Merz in Aussicht zum Beispiel bei „plötzlicher Arbeitslosigkeit“ die Sätze anzuheben

Berlin taz | Bei den einen will Friedrich Merz sparen: Für die Unterkünfte von Bürgergeld-Empfänger*innen möchte er künftig weniger Geld bereitstellen. Bei den anderen gibt er sich großzügig: Wer „die Hilfe des Staates wirklich braucht“, solle sie auch weiter bekommen, sagte er am Sonntag im ARD-Sommerinterview. „Da wäre ich sogar bereit, zum Beispiel bei plötzlicher Arbeitslosigkeit die Sätze anzuheben.“

Näher führte der Kanzler seinen Vorschlag aber nicht aus. Auch ein Regierungssprecher wich am Mittwoch Nachfragen der taz aus. Unklar bleibt unter anderem, welche Leistung Merz konkret meint. Tatsächlich das Bürgergeld, auf das bei „plötzlicher Arbeitslosigkeit“ lediglich zurückfällt, wer zuvor nur kurze Zeit berufstätig war? Oder doch eher das Arbeitslosengeld, das in der Regel in den ersten 12 Monaten nach Jobverlust gezahlt wird und dessen Höhe vom vorherigen Einkommen abhängt?

Aus der Union gab es schon mal den Vorschlag, hier mehr zu zahlen: „Für ältere langjährig Versicherte sollte das Arbeitslosengeld in den ersten Monaten einer nicht selbst verschuldeten Arbeitslosigkeit höher sein als heute“, hieß es im Januar 2024 in einem Beschluss des CDU-Vorstands. Im Wahlprogramm oder gar im Koalitionsvertrag fand sich aber weder diese Forderung noch die nach höherem Bürgergeld für Neu-Arbeitslose.

Kein Wunder: Das Geld für eine etwaige Erhöhung müsste ja irgendwo herkommen. Das Arbeitslosengeld wird in erster Linie aus Lohnabgaben finanziert, die CDU will Sozialabgaben aber erklärtermaßen senken, nicht erhöhen. Nennenswerte Rücklagen gibt es in der Arbeitslosenversicherung auch nicht mehr. Eine Erhöhung beim Bürgergeld, das hauptsächlich aus dem Bundeshaushalt finanziert wird, würde ebenfalls mit Merz' eigentlichen Vorsätzen kollidieren: Er hatte das ehrgeizige Ziel ausgegeben, beim Bürgergeld insgesamt einen zweistelligen Milliardenbetrag einzusparen.

Aus anderen Gründen reagiert der Koalitionspartner zurückhaltend auf den Vorstoß des Kanzlers. „Der Regelsatz ist kein politischer Spielball, sondern legt fest, welche Grundbedürfnisse allen Menschen zustehen sollten – er sichert das soziokulturelle Existenzminimum“, sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt der taz. „Wir warten deshalb die offiziellen Berechnungen und Auswirkungen möglicher Anpassungen ab, bevor wir dazu abschließend Stellung nehmen.“

Auch für ein seltenes Lob aus der Linkspartei reicht der Merz-Vorschlag nicht aus. Die Linke will schließlich höheres Bürgergeld für alle, nicht nur für bestimmte Gruppen. „Der aktuelle Bürgergeldsatz reicht für ein menschenwürdiges Leben nicht aus – das hat eine Studie des Vereins sanktionsfrei jüngst bestätigt“, sagt Cansın Köktürk, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Damit ihre Kinder nicht hungrig zu Bett gehen, sparen sich Eltern im wahrsten Sinne des Wortes das Essen vom Munde ab. Für Deutschland als eine der reichsten Industrienationen der Welt ist das ein Armutszeugnis.“

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