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Verließ ihre Herkunftsfamilie nach ihrem Coming-out als trans Person: die Künstlerin Arta Brito Foto: Joan Zachary

trans in den USASie ist ihr eigener Ritter

Schon als Kind wusste sie, dass sie trans ist, sagt Arta Brito. Trumps Regierung bestreitet ihre Existenz – und sie kämpft darum, sie selbst zu sein.

A rta Brito schließt eine der großen Metalltüren ihres Ateliers auf; es ist ein Frühlingstag in der Kleinstadt Easton in Pennsylvania. Ihr Arbeitsplatz liegt am Rande der belebten Altstadt, das Gebäude wirkt von außen wie eine Garage. Drinnen stehen auf dem Steinboden Sprühdosen und Farb­eimer, an den Betonwänden hängen farbenfroh-abstrakte Gemälde, Lichterketten und Collagen.

Arta Brito ist 31 Jahre alt, trägt Kajal, High Heels, ein Kleid und eine schwarze Strickjacke. Ihre Haare hat sie zu einem Zopf zusammengebunden. Vor sich auf dem Tisch hat sie ein Ausstellungskonzept für den Pride Month im Jahr 2026.

„Ich bin in dem Alter, in dem ich etwas bewirken sollte“, sagt sie mit fester Stimme, während sie einen Platz zum Sitzen auf ihrem Sofa mitten im Raum herrichtet. „Die Welt hat sich verändert, ich habe mich komplett verändert.“ Sie will für die Rechte queerer Menschen, für die Rechte von trans Menschen kämpfen. Für ihre eigenen Rechte.

In Arta Britos Regalen stehen Bücher über Rembrandt, Rubens und andere Vorbilder, die – wie sie auch – figürlich zeichnen. Sie arbeitet mit Menschen und Körpern als Motiv. Ihre Bilder kennzeichnet sie mit ihren Initialen „AB“, das B steht dabei umgedreht und horizontal unter dem A; sie mag das einerseits, weil das etwas unanständig und wie ein Penis aussieht, andererseits soll es an das Monogramm Al­brechts Dürers erinnern, den sie verehrt.

Feindbild für Trump

Arta Brito ist in Ecuador geboren. Seit ihrem vierten Lebensjahr lebt sie in den USA und seit 2021 in Easton. Sie ist Künstlerin, Anarchistin und trans. Mit all diesen Identitäten gilt sie der Regierung Trump als Feindbild – am meisten aber als trans Person.

Eines der ersten Dekrete Donald Trumps nach dessen neuerlichem Amtsantritt besagte: „Es ist die Politik der Vereinigten Staaten, zwei Geschlechter, männlich und weiblich, anzuerkennen. Diese Geschlechter sind nicht veränderbar und beruhen auf einer grundlegenden und unbestreitbaren Realität.“ Trump führt einen Kulturkampf gegen trans Personen. Sie werden aus dem Wettkampfsport ausgeschlossen, aus dem Militär, die Einreise ausländischer trans Menschen wird erschwert. Das Weiße Haus greift sie in ihrer Existenz an.

Ich will weiblicher sein, weil sich das natürlich anfühlt für das, was ich im Inneren bin

Arta Brito

Ihre Identität als trans Frau hat Arta Brito lange verdrängt, nimmt inzwischen aber eine Geschlechtsangleichung vor. Seit drei Jahren macht sie eine Hormontherapie: Sie nimmt Östrogen, um Brüste zu bekommen, und außerdem Medikamente, die ihre Testosteronproduktion hemmen. „Ich will weiblicher sein, weil sich das natürlich anfühlt für das, was ich im Inneren bin.“

Der medizinische Fortschritt fasziniert sie: Menschen können für sich entscheiden, wie ihr Hormonspiegel sein soll. Für Arta Brito ist das ein Teil der Selbstbestimmung. „Es ist ein Teil meines Geschlechtsausdrucks und meines Rechts auf mein Leben und auf mein Streben nach Glück. Jeder Mensch hat andere Vorstellungen von seinem Körper“, sagt sie. „Ich schätze, manche Leute würden das, was ich hier tue, als Verstümmelung bezeichnen. Aber ich sehe es so, dass es mein Körper ist.“

Das goldene schwarze Schaf

Arta Brito: „Black Sheep“, 2023. Das Bild symbolidsiert für sie ihre Transition Kunst: Arta Brito

Arta Brito hat sich auch einen neuen Namen gegeben. Brito ist der Mädchenname ihrer Mutter und Arta ist ein weiblicher albanischer Vorname, der „Die Goldene“ oder „Die Wahrheit“ bedeutet. Ihr alter Name, der mit dem ihres Vaters identisch ist, hat sich für sie falsch angefühlt. Nun steht „Arta Brito“ auch in ihrem Ausweis.

Ihre Kunst zeigt ihre Auseinandersetzung mit ihrer Identität. Über ihrer Werkbank hängt ein Gemälde, das ein Wesen mit detailliert gezeichnetem knabenhaftem Kopf zeigt, der von einem Heiligenschein umgeben wird. Die Figur ist nackt und blickt den Betrachter mit einer Mischung aus ­Ekstase und Laszivität an. In den Händen hält sie ein Kreuz, an dem eine Fahne befestigt ist. Sie geht auf allen Vieren, hat zwei Hände, ein paar Brüste und einen Unterkörper, der von zwei Hufen getragen wird. Halb Mensch, halb Schaf. Außerdem fließt aus dem Körper der Figur eine weiße Flüssigkeit in ein gralartiges Gefäß. Das Gemälde heißt „Black Sheep“ und symbolisiert Arta Britos Geschlechtsangleichung, wie sie sagt.

wochentaz

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Ihr Heimatstaat Pennsylvania gehört dabei zu den drei Bundesstaaten, in denen sich seit Donald Trumps Amtsantritt rein rechtlich bislang nichts geändert hat. Die meisten LGBTQ-Gesetze sind in den USA Sache der Staaten. 28 von 50 Bundesstaaten haben mit restriktiveren Maßnahmen auf Trumps transfeindliche politische Linie reagiert, 20 haben sich hingegen dazu entschieden, Maßnahmen zu ­ergreifen, um trans Personen zu schützen.

In Pennsylvania ist Gender Affirming Care – also psychologische und medizinische Maßnahmen, die eine Transition unterstützen sollen – für unter 19-Jährige weiterhin nicht verboten. Doch die Trump-Politik, die vor allem mit Angst und Verunsicherung arbeitet, greift auch hier.

Im Streit darum, ob trans Athletinnen in Frauenteams antreten dürfen, hat die University of Pennsylvania gegenüber der Regierung nachgegeben, sie werden nun von Wettkämpfen ausgeschlossen. Gesundheitszentren wie das UPMC (University of Pittsburgh Medical Center) und Penn Medicine haben die Angebote für Gender Affirming Care für Jugendliche im vorauseilenden Gehorsam aus ihrem Programm gestrichen – aus Angst vor Trumps Androhungen, öffentliche Fördergelder zu streichen. Zudem wurden Krankenhäuser und Kliniken, die geschlechtsangleichende Maßnahmen für Jugendliche anboten, noch zur Zeit von Joe Bidens Präsidentschaft mit Bombendrohungen und anderen Angriffen unter Druck gesetzt.

Sie zeichnet, seit sie einen Stift halten kann

Donald Trump gewann die Wahl im Bezirk Northampton, in dem Easton liegt, und auch im gesamten Bundesstaat Pennsylvania – wenn auch jeweils knapp. Die Stadt wird allerdings von einem demokratischen Bürgermeister regiert, und auf lokaler Ebene gilt ein Antidiskriminierungsgesetz, das trans Personen schützen soll. Transphobes und diskriminierendes Verhalten kann gemeldet werden. Das hilft wiederum nur bedingt, denn bereits im Nachbarort von Easton gilt dieses Gesetz nicht. Und auch im Ort selbst halten Gesetze Menschen nicht davon ab, im Alltag transfeindlich zu sein. Arta Brito erlebe das immer wieder, sagt sie, etwa wenn sie einkaufen gehe oder in der Apotheke ihre Hormone abhole.

Geboren wurde sie im Dezember 1993 in Ambato, einer Stadt in der Andenhochebene mit rund 178.000 Einwohnern, die seit vielen Jahrhunderten von indigenen Gruppen bewohnt wird. Ihre Erinnerungen an Ecuador bestehen aus einem lilagetupften Himmel und den leichten Erdbeben, die sie im Haus in den Anden spürte, als sie „Power Rangers“ im Fernsehen sah. Als sie vier Jahre alt war, zog sie mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern nach Dunellen, New Jersey, an der US-Ostküste.

Malutensilien im Atelier von Arta Brito Foto: Joan Zachary

Arta Brito zeichnet, seitdem sie einen Stift halten kann – und zwar alles, was sich vor ihrem Auge auftut. Häuser, Menschen, Bewegungen. Sie versucht, die Wirklichkeit einzufangen, das, was um sie herum passiert. Als sie ihren Eltern nach der Schule eröffnet, in Zukunft nichts anderes als Kunst machen zu wollen, sind die nicht gerade begeistert. „Du willst Kunst machen? Sind wir dafür in dieses Land gekommen?“, fragen sie.

Die USA unter Trump

Im November 2024 gewann Donald J. Trump zum zweiten Mal eine Präsidentschaftswahl in den USA und amtiert seit Januar 2025 als 47. Präsident. Er treibt den Umbau öffentlicher Einrichtungen und einen Kurswechsel in der Außenpolitik voran.

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Sie selbst haben den American Dream gelebt: Ihr Vater ist Architekt, die Mutter Gastronomin. Ihre Familie hat also eigentlich Geld, verwehrt Arta Brito aber die weitere Unterstützung. Also geht sie 2014 allein nach New York, um für die Jeff Koons Studios in Manhattan zu arbeiten. „Nur um das klarzumachen“, sagt sie mit Nachdruck, „das war für eine junge Künstlerin ungefähr so, als hätte man zur Zeit der Hochrenaissance mit 12 als Lehrling bei Michelangelo angefangen.“

Das Leben als schwuler Mann

In New York hat sie ihre Geschlechtsangleichung noch nicht begonnen, lebt noch als schwuler Mann. „Das war ein Weg, mit der Realität zurechtzukommen, irgendwie bewusst als Mensch zu überleben, solange ich konnte, bis ich meine Wahrheit tatsächlich manifestieren konnte“, sagt sie heute.

In New York ist sie umgeben von Menschen, die trans sind und in deren Gegenwart sie sich sicher und wohl fühlt. Sie spürt, dass sie sich künstlerisch ausleben kann, sich frei bewegen will – aber nicht frei ist. Arta Brito weiß, dass sie trans ist, doch niemand kennt ihre Identität, nicht ihre Herkunftsfamilie, nicht ihr damaliger Partner, der sie als Mann liebt. Sie ahnt, dass ihre Familie sie nicht unterstützen würde, wenn sie sich outet. In den Augen ihrer Eltern gilt ihre Existenz als Blasphemie.

Dabei stammt ihre Familie aus einer Kultur, die ein Geschlechtsverständnis hat, das sich ursprünglich ziemlich stark vom westlichen unterscheidet. Ihre Großmutter hat einen indigenen (Inka-)Hintergrund. Die spanischen Konquistadoren haben die Inka-Kultur bereits im 16. Jahrhundert unterdrückt und zerstört, heute sei viel zu wenig von dieser überliefert, sagt Arta Brito. Das Aufsammeln des verstreuten Wissens bildet ein zentrales Thema in ihrer Kunst.

Bei den Inkas hat man trans Personen, auch wenn sie damals sicher nicht so hießen, völlig anders angesehen als in westlichen Kulturen. In der Philosophie der Inka verkörperten die Quariwarmi, die als Scha­ma­n*in­nen in den Anden dienten, eine dritte kreative Kraft zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen. Sie galten als Ver­mitt­le­r*in­nen zwischen Gegensätzlichkeiten wie Tag und Nacht, Mann und Frau, die eine zentrale Rolle im Weltbild der Inka spielten. In ihren Ritualen beschworen sie die zweigeschlechtliche Jaguar-Gottheit Chuqui Chinchay. Teil dieser Rituale waren gleichgeschlechtliche erotische Praktiken.

Aus Sicht der katholischen, spanischen Kolonialisten galten sie als teuflisch. Sie riefen zur Vernichtung der Quariwarmi auf. „Aus diesem kolonialen Umfeld kommt meine Familie“, sagt Arta Brito. „Man lehrte sie das Christentum und den Katholizismus und zwang ihnen diese Religion auf.“

Der lange Weg zur Transition

Arta Britos Weg zur Transition ist lang und nicht linear. Auf die Frage, wann sie wusste, dass sie trans sei, antwortet sie: seit ihrem dritten Lebensjahr. Dem Zeitpunkt, an dem ihr Denken einsetzt, auch wenn sie damals für das, was sie ausmacht, noch keine Sprache hat. Ab diesem Zeitpunkt, irgendwann Mitte der Neunzigerjahre, beginnt für sie die Reise, die sie zu dem Menschen machen soll, der sie heute ist.

In der Middle School in Dunellen hat sie ihr Coming-out als schwuler Junge, obwohl sie schon da spürt, dass das nicht stimmt. Sie erinnert sich an die Leute, die über die südamerikanischen Immigranten wettern, an die Leute in der Schule, die sie gemobbt und gehänselt haben. Als queere, südamerikanische Migrantin ist sie zur Schulzeit für die meisten ein leichtes Ziel. Wenn sie zu Hause weint, reagieren ihre Eltern mit Züchtigung und Härte. Sie hätten verhindern wollen, dass sie „verweichlicht“, erzählt sie.

Erst 2021 hat Arta Brito ihr Coming-out als trans Person. Ihre familiäre und ihre Lebenssituation hat sich inzwischen geändert: Ihre Eltern leben getrennt, ihre Mutter ist fern von ihr in Ecuador, der Vater und die beiden Schwestern sind in Pennsylvania. Sie lebt bei ihrem Vater, um finanziell besser über die Runden zu kommen. Der Vater und die Schwestern reagieren auf ihr Coming-out mit Ablehnung. Das Schwulsein hätten sie noch ertragen können, das Transsein nicht.

Arta Brito trennt sich daraufhin von ihrer Herkunftsfamilie. Sie findet Zuflucht bei dem Ehepaar Andy Laties und Rebecca Migdal, die beide Anfang 60 sind. Sie stellen ihr ein Zimmer zur Verfügung, in dem sie mietfrei leben kann. Dort wohnt sie bis heute.

Beeindruckt von der neuen Mitbewohnerin

Andy Laties ist Schriftsteller und Buchhändler, er ermöglicht es Arta Brito, bei ihm im Laden Ausstellungen zu organisieren. Rebecca Migdal hat in Jung’scher Psychologie promoviert und nimmt für Arta Brito eine Men­to­r:in­nen­rol­le ein. Migdal gibt sich selbst den Künstlernamen Gaia, definiert sich als nicht binär und ist beeindruckt von ihrer neuen Mitbewohnerin. Sie sieht in ihr „eine Kämpferin, die leidenschaftlich für ihre Wahrheit eintritt“, sagt sie. „Es bedeutet mir sehr viel, dies zu fördern und zu unterstützen!“

Am Haus des Ehepaares befindet sich eine regenbogenfarbene Pride-Flagge und die Transflagge mit hellblauen, hellrosa und weißen Streifen. Wie Pfeilspitzen zeigen sie direkt in den Nachbargarten, in dem ebenfalls eine Flagge weht – allerdings ist das die US-amerikanische und sie befindet sich an einem gut drei Meter hohen Mast, der von zwei Donald-Trump-Skulpturen mit roten Make-America-Great-Again-Caps bewacht wird.

Es ist nicht so, dass du da einfach zum Arzt gehst und deine Hormone bekommst

Corinne Goodwin, Gründerin des Eastern PA Trans Equity Project, über Geschlechtsangleichungen

Um Gender Affirming Care in Anspruch zu nehmen und eine Hormontherapie machen, sucht Arta Brito 2021 einen Arzt auf. Der führt mit ihr ein Aufklärungsgespräch und stellt nach psychologisch festgeschriebenen Maßstäben Geschlechtsdysphorie fest, eine psychische Belastung, bei der eine Person eine tiefe und anhaltende Unzufriedenheit mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht empfindet. Der Arzt führt mit Arta Brito ein Einwilligungsgespräch durch, das speziell auf Bedürfnisse von trans Personen ausgerichtet ist.

Die Hürden für trans Personen, die Hormone bekommen wollen, sind in den USA deutlich niedriger als noch vor gut 20 Jahren. Damals war es üblich, durch eine Art Gatekeeping mit monatelangen Wartezeiten und psychologischen Tests die trans Identität von Menschen auf die Probe zu stellen. Die Erleichterungen der jüngeren Vergangenheit will Donald Trump nun möglichst schnell zurückdrehen.

Auch das Umfeld ändert sich

Arta Brito nimmt nach ihrem Coming-out als trans Person auch das Beratungsangebot des Eastern PA Trans Equity Projects in Anspruch, einer NGO, die trans Personen im Osten Pennsylvanias unterstützt. Gründerin Corinne Goodwin erzählt im Videochat, wie sie das komplett spendenfinanzierte Projekt vor sechs Jahren ins Leben gerufen hat. Heute arbeitet sie in 42 Kreisen, in einer Gegend, in der insgesamt acht Millionen Menschen leben, von denen sich gut 64.000 als trans identifizieren.

Goodwin gehört dazu. Wie fast jede dritte trans Person in den USA hat sie selbst erlebt, wie ein Arzt ihr die ­medizinische Versorgung verweigert hat. Dazu kennt sie die starrenden Blicke in Toilettenräumen und Personen im Alltagsumfeld, die sie absichtlich mit dem falschen Geschlecht ansprechen.

Goodwin und ihre Organisation helfen neben trans Personen auch dem Umfeld dieser Menschen. „Als ich mein Geschlecht angleichen ließ, hat sich auch mein ganzes Umfeld umgestellt!“, sagt sie. Es gehe bei ihrer Arbeit um pragmatische Unterstützung. Viele trans Personen haben Geldprobleme. Grund dafür sind unter anderem Schwierigkeiten, ihren Namen ändern zu lassen – auch Arta Brito hatte diese zunächst.

Die Namensänderung ist kompliziert und nicht günstig. Sie koste je nach Bezirk 150 bis 300 Dollar, für neue Dokumente und den Verwaltungsaufwand. So basiert die Regelung zur Namensänderung in Arta Britos ­Bezirk Northampton auf einem Gesetz aus den 1920er-Jahren, das 1982 zum letzten Mal überarbeitet wurde.

Unter anderem muss eine Annonce in einer Zeitung und einem Amtsblatt erscheinen, bei der das Anliegen offengelegt wird, damit je­de*r Bür­ge­r*in bei der Gerichtsverhandlung zur Namensänderung erscheinen und theoretisch Einspruch einlegen kann. Trans Personen müssen erst eine Ausnahmeregelung erwirken, wenn sie dies nicht wollen – auf diesem Weg musste auch Arta Brito die Änderung nicht öffentlich machen. Das Eastern PA Trans Equity Project hat vergangenes Jahr 200 dieser Namensänderungen bezahlt. Die Hilfe in finanziellen Notlagen bildet eine Säule der Organisationsarbeit.

„Wir erleben gerade einen großen Rückschritt“

Dazu kommt die Unterstützung in Einzelfällen. So hat die NGO vor Kurzem erreicht, dass eine trans Frau in einem Bezirksgefängnis nicht mit Männern untergebracht werden muss. Außerdem bieten Corinne Goodwin und ihre Kol­le­g:in­nen ein Infotelefon an, bei dem 2024 über 2.000 Anrufe eingingen. Seit Trump wieder im Amt ist, sind es deutlich mehr geworden. Allein am Tag seiner Amtseinführung gab es 78 Anrufe, in der Regel sind es seither 10 bis 20 Beratungsgespräche täglich. Zwischen 2010 und 2020 habe sich die Situation von trans Personen eigentlich verbessert, erklärt Goodwin, „aber in den letzten paar Jahren gab es viel Gegenwind. Wir erleben gerade einen großen Rückschritt.“

Goodwin räumt im Gespräch auch mit weit verbreiteten Missverständnissen und Fake News auf. „Es ist nicht so, dass du da jetzt einfach zum Arzt gehst und deine Hormone bekommst“, sagt sie aufgebracht. „Das Ganze ist mit psychologischen Gutachten verbunden und einem monatelangen Aufbau einer Beziehung zum Arzt, der die Medikamente verschreibt.“

Dass medizinische Institutionen in Pennsylvania schon jetzt vor Donald Trump einknicken, hält sie für fatal. Es sei gefährlich für die physische und vor allem mentale Gesundheit von Menschen, die sich in einer Geschlechtsangleichung befinden und dafür Hormone einnehmen. In der Folge komme es vermehrt zu psychischen Erkrankungen. Erst kürzlich hätte sich ein junger Mann das Leben genommen, weil ihm der Zugang zu Gender Affirming Care nicht ermöglicht worden sei, sagt Goodwin.

Der Kampf um die Deutungshoheit

Im Mai 2025 wurde eine offizielle Studie des US-Gesundheitsministeriums zur Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen veröffentlicht, die von anonymen Au­to­r:in­nen verfasst wurde. Sie sollte belegen, dass sich die mentale Gesundheit nach einer Hormonbehandlung bei Kindern und Jugendlichen nicht verbessere, dass sie gar zur Unfruchtbarkeit führe und ­unerwünschte psychische Nebenwirkungen habe. Überdies sollte sie zeigen, dass geschlechtsangleichende Maßnahmen Experimente seien, deren Nutzen nicht nachgewiesen werden könne.

Die Amerikanische Akademie für Pädiatrie (AAP) kritisierte die Studie scharf. Sie sei nicht glaubwürdig, zudem stütze sie sich nur auf ausgewählte Perspektiven und eine begrenzte Auswahl an Daten. Die offizielle Empfehlung der AAP besagt unter anderem, dass trans Jugendliche „Zugang zu einer umfassenden, geschlechtsspezifischen und entwicklungsgerechten Gesundheitsversorgung haben sollten, die in einem sicheren und integrativen klinischen Umfeld angeboten wird“.

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Ebenfalls im Mai wurde eine Studie veröffentlicht, die die republikanische Regierung des Bundesstaates Utah 2023 in Auftrag gegeben hatte und in der auch die Auswirkungen geschlechtsangleichender ­Maßnahmen bei Minderjährigen überprüft wurden. Sie ist über 1.000 Seiten stark und enthält die Daten von Tausenden trans Personen.

Das Ergebnis steht in deutlichem Widerspruch zu der Studie des Gesundheitsministeriums. Sie zeigt, dass sich die psychische Gesundheit von Jugendlichen in fast allen ­Fällen geschlechtsangleichender Maßnahmen bessert und das Suizidrisiko sinkt. Das Ergebnis haben die republikanischen Abgeordneten in Utah daraufhin kleingeredet.

„Es ist doch ganz einfach: Die trans Jugendlichen sind glücklicher“, sagt Corinne Goodwin und lächelt sanft. Schließlich sei es das, worum sie die ganze Zeit bitten würden: So zu leben, wie sie leben wollen.

Alltägliche Anfeindungen

Ein typisches Problem, gegen das Goodwin in ihrer Arbeit immer wieder ankämpft, ist die Obdachlosigkeit, von der besonders trans Personen ­betroffen sind. Sie können, wollen und dürfen oft nicht mehr bei ihren Herkunftsfamilien leben, werden verstoßen oder müssen sich ihnen entziehen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wie auch Arta Brito.

Die Verletzungen, die sie ertragen hat, schwingen bei ihr mit. In ihrem Leben, in ihrer Kunst. Wenn sie im Atelier von alltäglichen Anfeindungen spricht, wird ihre Stimme immer ernster, heftiger. Sie erinnert sich an eine Situation in der Apotheke: Ein Typ durchbohrte sie an der Kasse mit abschätzigen Blicken, fragte sie zunächst, wo die Schlange ist, um sie kurz darauf anzuschreien. „Die Schlange beginnt hier drüben, you ­piece of shit!“, habe sie innerlich gedacht, und dann: „Weil meine Stimme weicher ist und ich größer bin und heißer aussehe als er es je sein kann, weil ich zweideutig attraktiv bin, schämt dieser Typ sich. Was soll ich machen? Den Scheiß einfach so ­hinnehmen?“

Sie ist müde von den Schikanen, müde von der Arbeit, die es braucht, um für das Leben zu kämpfen, das sie führen will. „Was soll das?“, fährt sie noch immer den imaginierten Kunden an, der Arta Brito belästigt. „Warum tust du das? Weil du dich mit mir unwohl fühlst. Du willst mich vor allen Leuten tyrannisieren, damit du das Gefühl hast, du hättest einen Hauch von Kontrolle in dieser Welt, in der du selbst denkst, keine Rechte zu haben. Also fängst du Streit mit mir an. Ich habe es so satt!“

Arta Brito verehrt Jeanne d’Arc als nicht binäre Figur

In einer Ecke in Arta Britos Atelier steht ein Gemälde, das eine Tarotkarte zeigt. Die Karte des Mondes, die unter anderem für das Irrationale, die unentdeckten Ängste und das Träumerische steht. Nur ist die Figur, die sich auf dieser Karte befindet, Arta Brito selbst – mit offenen wehenden Haaren, in Ritterrüstung, mit einem Helm in der Hand.

Es soll die französische Freiheitskämpferin Jeanne d’Arc verkörpern, die im Mai 1431 auf dem Scheiter­haufen verbrannt wurde. „Ich bin damit ein Ritter und ziehe meinen Hut vor Jeanne d’Arc“, sagt sie. Für Arta Brito ist sie eine nicht binäre Figur, weil sie in Rüstung in die Schlacht ritt, das französische Heer anführte, das aus Männern bestand.

Arta Brito lächelt, stellt sich neben das Werk. Blickt auf die Zeichnung, schließt kurz die Augen. Und spricht dann so, als wolle sie sichergehen, dass jedes ihrer Worte Platz im Raum findet: „Ich beschwöre sie als Heldin, um mir auf die Brust zu klopfen und zu sagen: Ich bin eine trans Frau, weil ich eine trans Frau bin. Ich bin mein eigener Ritter. Ich muss mich selbst retten, unabhängig davon, ob ein Mann mich liebt oder nicht. Ich muss mich selbst lieben, unabhängig von der Gesellschaft, die mich liebt oder nicht. Ich muss mich selbst lieben, unabhängig davon, ob meine Familie mich liebt oder nicht. Ich muss mich selbst lieben, so wie es jeder Mensch tun muss.“

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