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Urteil zu sicheren HerkunftsstaatenKein Urteil für die Ewigkeit

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Europäische Gerichtshof bekräftigte seine Vorgabe zu sicheren Herkunftsstaaten. Doch der EU-Gesetzgeber hat diese schon für 2026 geändert.

Die italienische Ministerpräsidentin Meloni dürfte sich nicht über das Urteil freuen Foto: Remo Casilli/ Reuters

W er macht die Regeln im Asylrecht? Das war die Frage, die hinter dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu sicheren Herkunftsstaaten steht. Der EuGH hat zunächst die Gerichte gestärkt, aber auch die Bedeutung des (europäischen) Gesetzgebers betont.

Italiens rechte Regierung wollte beschleunigte Asylverfahren von Flüchtlingen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ nach Albanien auslagern. Italienische Gerichte beanstandeten jedoch das Verfahren der Einstufung von „sicheren Herkunftsstaaten“ per Gesetz. Der EuGH ließ nun die Einstufung per Gesetz zu. Die italienischen Gerichte müssen diese aber implizit bei der Prüfung von Asylanträgen kontrollieren können. Die Flucht ins Gesetz kann also keine Kontrolle verhindern.

Der EuGH bekräftigte dabei seine Vorgabe, dass ein Staat nur dann als „sicher“ eingestuft werden darf, wenn er auf dem gesamten Staatsgebiet und für alle Bevölkerungsgruppen sicher ist. Doch das ist kein Urteil für die Ewigkeit. Denn der EU-Gesetzgeber, der die EuGH-Vorgaben für „sichere Herkunftsstaaten“ zu streng fand, hat sie in der großen Asylreform bereits geändert. Ab Juni 2026 dürfen Staaten trotz Ausnahmen für bestimmte Gebiete und bestimmte Gruppen als „sicher“ eingestuft werden. Dagegen deutete der EuGH nun keine Bedenken an.

Das ist auch vertretbar, weil die Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“ ja kein Asylverfahren verhindert. Vielmehr kann ein Flüchtling weiterhin die Vermutung widerlegen und beweisen, dass er persönlich gefährdet ist.

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Bei deutschen NGOs stieß vor allem die Auslagerung von Asylverfahren nach Albanien auf Empörung. Doch das hatten nicht einmal die kritischen italienischen Gerichte beanstandet; wohl weil das Verfahren durch italienische Be­am­t:in­nen durchgeführt und durch italienische Rich­te­r:in­nen überprüft wird. Abgelehnte Asylbewerber:innen, die nicht abgeschoben werden können, sollten nicht in Albanien bleiben, sondern dann doch nach Italien überstellt werden. Das war vor allem eine teure Show und damit eher ein Fall für den Rechnungshof – wegen Geldverschwendung.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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