13-Stunden-Arbeitstag in Griechenland: Bitte nicht!
Griechenlands konservative Regierung kündigt ein Gesetz zur „Deregulierung der Arbeit“ an. Hoffentlich orientiert sich Deutschland nicht daran.
B undeskanzler Friedrich Merz macht keinen Hehl daraus, dass er angesichts der lahmenden deutschen Wirtschaft Griechenland dufte findet. Das einstige Euro-Sorgenkind hat sich brav zum mutmaßlichen „Musterschüler“ gewandelt. Seinen griechischen Busenfreund, den konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis, lobte Merz in höchsten Tönen zuletzt für die angebliche Sechs-Tage-Woche in Hellas. Dabei existiert sie so, wie vom Kanzler gemeint, hierzulande gar nicht. Zum Glück.
Nun hat Griechenlands konservative Regierung einen Gesetzentwurf zur „Deregulierung der Arbeit“ und „Flexibilisierung der Arbeitszeiten“ im Privatsektor angekündigt. Vorgesehen ist die Einführung einer 13-stündigen Tagesarbeitszeit, eine „flexible“ Verteilung der Urlaubstage, eine auf Abruf „flexible“ Beschäftigung bis zu 120 Minuten an einem Tag, eine mögliche Vier-Tage-Woche (bei gleicher Wochenarbeitszeit) und – mittels einer mobilen App (welch Innovation!) – Fast-Track-Einstellungen für „dringende Bedürfnisse der Firmen“ für eine Arbeitsdauer von bis zu zwei Tagen. Moderne Sklaverei. Verpackt im teuflisch verharmlosenden Schlagwort „Flexibilität“ samt digitalem Schnickschnack. Mitten in der EU.
Alles bloß nur griechische Grausamkeiten? Oder avanciert Hellas, in den zehner Jahren das europäische Versuchslabor, zur Blaupause für die Arbeitnehmer:innen zwischen Rhein und Oder? Bitte nicht! Rigorose Sparkurse und Hunderte „Reformen“ in Athen seit 2010 sollten das ins Straucheln geratene Euro-Land auf Vordermann bringen. Die Marschrichtung lautete: „Hey, ihr faulen und fetten Griechen! Zuerst abspecken! Durch das Tal der Tränen gehen! Dann geht’s schon wieder aufwärts!“
Aber Pustekuchen! Die griechische Wirtschaft wächst nach einem beispiellosen Absturz nur moderat auf niedrigem Niveau. Billige Arbeit, hohe Inflation: Die Kaufkraft der Griech:innen ist auf den vorletzten Platz in der EU abgestürzt. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, die arg geschrumpfte Mittelschicht kommt kaum über die Runden. Vorbilder sehen anders aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wolfram Weimers Genderverbot
Weg mit dem Wokismus
Sprache in Zeiten des Kriegs
Soll man das Wort „kriegstüchtig“ verwenden?
Parole „From the River to the Sea“
Anwält*innen fordern Ende der Kriminalisierung
Bürgergeld
Union und SPD setzen auf Härte gegen Arbeitsverweigerer
Wahlrecht in Deutschland
Klöckner will Reform der Reform
Wolfram Weimers Gender-Verbot
Warum ich mich aus meiner Nationalsprache verabschiede