Umstrittener Abbau von Grundwasserschutz: Grüne klagen gegen den Bundesagrarminister
Pünktlich zum Bauerntag meldete Alois Rainer die Abschaffung einer dort unbeliebten Verordnung – am Bundestag vorbei. Nun muss Karlsruhe entscheiden.

Die Verordnung war 2017 unter Agrarminister Christian Schmidt (CSU) eingeführt worden. Nach dem „Hoftorprinzip“ sollten Landwirte jährlich bilanzieren, wieviel Stickstoff und Phosphat in den Betrieb hineingesteckt wurde und wieviel in Form von Ernte herauskam. Das zeigte nicht nur, wer effizient wirtschaftet, sondern auch wer durch Überdüngung vermutlich das Grundwasser schädigt.
Der Bauernverband hielt die Stoffstrom-Bilanz allerdings für unnötige Bürokratie und forderte schon lange eine Rücknahme der Verordnung. Dies versprach dann auch die neue schwarz-rote Koalition: „Wir schaffen die Stoffstrombilanzverordnung ab“, heißt es knapp und deutlich im Koalitionsvertrag.
Verursacher nicht mehr nachvollziehbar
Und Agrarminister Alois Rainer meldete schon Ende Juni Vollzug. Die Bauern sollten um Buchhaltungsaufwand im Wert von 18,1 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden und wieder mehr Zeit „für die wesentlichen Arbeiten im Betrieb“ haben, so Rainer. Umweltstandards würden bei diesem Bürokratie-Abbau nicht gesenkt, versprach der Minister. Allerdings, monierten Kritiker, sei nun auch nicht mehr nachvollziehbar, wer die Hauptverursacher der Überdüngung sind.
Die Verfassungsklage der Grünen bezieht sich nun ausschließlich auf das Verfahren. Sie beanstanden. dass Minister Rainer die Stoffbilanz-Verordnung ohne Beteiligung des Bundestags abgeschafft hat.
Diese Beteiligung ist im Düngegesetz für die Schaffung und Änderung der Verordnung ausdrücklich vorgesehen. „Die Abschaffung der Verordnung ist eine besonders weitgehende Form der Änderung“, sagt der Grünen-Rechtspolitiker Till Steffen. Also müsse natürlich auch hier der Bundestag beteiligt werden. Steffen hat einen Verdacht, warum es so schnell gehen musste: „Der Minister wollte wohl schon beim Bauerntag Ende Juni Vollzug melden.“
Im Namen des Bundestages
Die grüne Oppositionsfraktion klagt nun im Namen des Bundestags dessen Rechte ein, was verfassungsrechtliche zulässig und üblich ist. Steffen hält die Klage auch für grundsätzlich. Es gebe einen Trend, Entscheidungen zur Regierung zu verlagern, um Bundestag und Bundesrat auszuschalten, etwa auch im Asylrecht. Es handele sich sogar um eine globale Gefahr, so Steffen, weil US-Präsident Donald Trump fast nur durch Dekrete am US-Kongress vorbei regiert. „Das darf in Deutschland nicht Schule machen“, betont der Abgeordnete.
Die 50-seitige Klage hat der renommierte Münchener Rechtsprofessor Christian Walter erstellt und bereits am Montagabend eingereicht. Darin hat Walter auch einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Der Eil-Antrag soll nicht nur schwere Nachteile für Parlamentsrechte verhindern, sondern auch das Grundwasser schützen, die Einhaltung von EU-Vorgaben ermöglichen und Rechtsunsicherheit in den Agrarbetrieben vermeiden. Wann Karlsruhe entscheidet, ist noch nicht abzusehen.
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