CDU-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt: Schulze statt Haseloff, aber keine Experimente
In Sachsen-Anhalt soll ein Generationenwechsel der CDU bei der Landtagswahl 2026 helfen. Schulze grenzt sich von der AfD ab, muss sich aber beweisen.

Wie die Wahl kommendes Jahr am 6. September in Sachsen-Anhalt ausgeht, beunruhigt führende Unionsmitglieder bis nach Berlin. Es geht um ein Problem, für das die CDU bislang keine erfolgversprechende Lösung hat: Wie bekommt sie die AfD klein?
Bei der Bundestagswahl im Februar bekam in Sachsen-Anhalt keine andere Partei so viele Stimmen wie die AfD: 37 Prozent. Nun hofft sie darauf, dass sie dort nach den Landtagswahlen ganz allein regieren kann. Kann Sven Schulze das verhindern?
Zur offiziellen Verkündung am Donnerstagmittag stehen Schulze und Haseloff auf der Dachterasse der Parteizentrale in Magdeburg. Die Sonne scheint, Haseloff greift zum Mikrofon und beginnt mit einem Rückblick: Schon bei der letzten Landtagswahl habe der heute 71-Jährige eigentlich nicht mehr geplant, anzutreten. Er habe es trotzdem getan, um einen Generationswechsel vorzubereiten, um einen Nachfolger aufzubauen.
AfD-Regierung wäre Katastrophe
Es sei Haseloffs Vorschlag gewesen, den 46-jährigen Landesvorsitzenden Sven Schulze zum Spitzenkandidat zu machen. Der vertrete eine klare Abgrenzung zu den extrem Rechten, weil „die von der AfD angestrebte Regierungsverantwortung eine Katastrophe wäre“, sagt Haseloff. Auf die CDU und den Spitzenkandidaten komme es an. Bundestagswahl sei nicht Landtagswahl.
Tatsächlich liegt die CDU Sachsen-Anhalt in Umfragen aktuell vor der AfD: 34 Prozent für die Konservativen, 30 Prozent für die extrem Rechten. Doch was sagen Umfragen schon aus? Vor der Landtagswahl 2021 in Sachsen-Anhalt schien es richtig knapp zu werden. Die CDU lag zwei Tage vor dem Wahltermin bei 27 Prozent und die AfD, schon im Windschatten, bei 26 Prozent. Doch dann kam der Sonntag, und die CDU kam mit großem Vorsprung vor der AfD ins Ziel: 37,1 Prozent zu 20,8 Prozent.
Im Nachgang hieß es, Haseloff habe in einem erfolgreichen Endspurt Stimmen mobilisiert. Seine Abgrenzung zur AfD habe es Wähler:innen leichter gemacht, ihre Kreuze bei der CDU zu setzen, statt bei Grünen, SPD oder Linken.
In Magdeburg wirkt es am Donnerstag ein bisschen so, als wolle Haseloff den Übergabemoment etwas dehnen. Er zieht die Sätze, bedankt sich, moderiert, spricht nochmal darüber, was die kommende Landtagswahl bedeutet und witzelt noch ein wenig. Dann übergibt er schließlich doch das Wort und Schulze beginnt.
Keine Koalition mit der AfD
Der designierte Spitzenkandidat habe ein klares Versprechen an die Wähler:innen, sagt er: „Stabilität, keine Experimente.“ Er werde die Linie von Haseloff eins zu eins fortführen. Koalition mit der AfD? Nicht mit ihm. Auch wenn Mitglieder des Landesverbands sich die Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen wünschen.
Schulze ist seit 2021 Landesvorsitzender und Wirtschaftsminister. Zuvor war er sieben Jahre Mitglied des Europäischen Parlaments, seit vergangenem Jahr ist er im Bundesvorstand der CDU. Er gilt als gut vernetzt. Gleichzeitig ist er in Sachsen-Anhalt verwurzelt. Trotzdem kennen ihn weniger Wähler:innen als den bisherigen Ministerpräsidenten Haseloff.
Auf dem Dach der Parteizentrale sagt Schulze, für den Landtagswahlkampf halte er drei Themen für wichtig: Zum einen die Migration, bei der Bundesinnenminister Alexander Dobrint (CSU) gute Arbeit mache. Zum anderen wirtschaftliche Stabilität, die vor allem den Mittelstand betreffe. Und als drittes soziale Gerechtigkeit. „Wer jeden Tag arbeiten geht und den Staat voranbringt, der muss am Ende des Tages mehr davon haben als die, die das nicht machen.“
Offiziell hat der Bundesverband der CDU den Generationenwechsel in Sachsen-Anhalt abgenickt. Carsten Linnemann, Generalsekretär des CDU-Bundesverbands, sichert Schulze selbstverständlich zu, die Partei werde ihn „nach Kräften“ unterstützen. „Wir kämpfen gemeinsam für stabile Verhältnisse – und die gibt es nur mit Sven Schulze als neuem Ministerpräsidenten“, erklärt Linnemann in einer Mitteilung. Wie genau die CDU in Sachsen-Anhalt unterstützen will, das lässt er unbeantwortet.
,,Es bleibt den Menschen kein bleibender Eindruck“
Doch am Charisma von Schulze gibt es auch Zweifel. Laut und deutlich äußert diesen zurzeit nur die Opposition. Die Linke kritisiert etwa, die Politik von Wirtschaftsminister Schulze sei erfolglos geblieben. Der Strukturwandel lasse auf sich warten und mehrere Unternehmen müssten schließen. Die Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen-Anhalt, Susan Sziborra-Seidlitz, sagt zudem, „aus seiner Zeit als EU-Abgeordneter bleibt den Menschen kein bleibender Eindruck“. Derzeit vermittle er nicht den Eindruck, „das Land wieder zusammenzubringen“.
Mario Karschunke, Generalsekretär der CDU Sachsen-Anhalt, versucht Druck abzubauen. Die Landtagswahl sei noch weit weg, die CDU noch dabei, ihr Team und die Wahlkampfstrategie zu planen. „Wir sind noch im ersten Abschnitt“, sagt Karschunke. Erst im November bestimme die Landesvertreterversammlung den Spitzenkandidaten und nächstes Jahr im April stünden dann die Inhalte fest.
Währenddessen befindet sich die AfD in Sachsen-Anhalt schon voll im Wahlkampf. Ende Mai stellte sie ihre Liste auf. Auf dem ersten Platz: Ulrich Siegmund. Der 34-Jährige war 2023 beim Treffen mit anderen Rechtsextremisten in Potsdam dabei und hat bei TikTok fast so viele Follower:innen wie Sahra Wagenknecht. Auf den ersten zehn Plätzen der Liste stehen nur Männer. Unter den ersten 30 sind es zumindest zwei Frauen. Mit ihrer Alleinregierung möchten sie eine Abschiebeoffensive starten und „linksextremen Vereinen“ die Finanzen streichen.
Sven Schulze möchte allerdings im Wahlkampf nicht so viel über die AfD sprechen. „Ich möchte, dass die CDU im Mittelpunkt steht“, sagt Schulze. Mal sehen, ob das reicht.
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