Arbeitsintegration von Geflüchteten: Sie wollen arbeiten, dürfen aber nicht
Der Asylsuchende Guelord würde gerne arbeiten und hat konkrete Angebote. Aber die Bürokratie hält ihn davon ab. Er wartet auf seine Arbeitserlaubnis.

Das erste Gespräch mit Guelord findet an einem sonnigen Tag im April 2025 statt, aber es folgen noch weitere. Denn als Asylsuchender eine Arbeitserlaubnis zu erlangen, ist ein langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang – so zumindest in diesem Fall. Aus Angst vor Auswirkungen auf seine Anträge zu Aufenthalt und Arbeit will Guelord seinen Nachnamen nicht öffentlich machen.
Er sitzt im Gemeinschaftsraum einer Unterkunft im Landkreis München, die aus Containerhäusern besteht. An den Schränken kleben von Kinderhand gemalte Bilder, die Sonne scheint durch das Fenster. „Gerade an solchen Tagen fühle ich mich schlecht. Ich habe nichts zu tun, kann die Sonne genießen, während alle Menschen beider Arbeit sind“, sagt Guelord.
Dabei hatte er bereits zwei Mal eine Arbeit gefunden, einmal als Reinigungskraft, und nun hat er über eine Personalagentur das Angebot, in einer Kantine zu arbeiten. Zuvor hatte er dort eine unbezahlte Hospitanz absolviert.
„Im Januar habe ich mit meiner Sozialarbeiterin die Dokumente vorbereitet und abgeschickt“, erklärt Guelord und lehnt sich in dem weißen Stuhl mit Metallbeinen zurück. Die Dokumente bestehen aus dem Arbeitsvertrag und einer Stellenbeschreibung, die im Behördendeutsch „Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis“ heißt. Das Formular ist mit dem Logo der Bundesrepublik, dem der Agentur für Arbeit und dem Label „Make it in Germany“ versehen, das in schwarz-rot-gold in der Ecke platziert ist.
Warten und geduldig sein
Doch bisher hat er keine Rückmeldung seitens der Ausländerbehörde und auch keine Eingangsbestätigung erhalten, trotz Nachfrage per Mail und Telefonhotline. „Ich habe Anfang Juli einen Termin, um meinen Ausweis zu verlängern. Auf dem Ausweisdokument wird auch die Arbeitserlaubnis eingetragen, vielleicht erteilen sie die mir dann “, meint Guelord, und klingt dabei weder zuversichtlich noch pessimistisch. „Meine Sozialarbeiterin hat mich darauf eingestellt, dass er länger dauern könnte“, berichtet Guelord und zieht den Vorhang ein Stück ins Fenster. „Ich bin bereit, geduldig zu sein.“
Guelords Asylantrag, den er bereits 2019 gestellt hatte, wurde abgelehnt, er klagt nun dagegen. Er habe in seiner Heimat Kongo als Kameramann die Wahlkampagne eines Gegenkandidaten des aktuellen Präsidenten Félix Tshisekedi begleitet, erzählt er. Guelord sagt, er sei deshalb inhaftiert und gefoltert worden.„Meine Familie verhandelte mit einem Wachmann und konnte mich so freikaufen. Dann floh ich nach Europa.“ Nun wartet er auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Rechtlich gesehen steht Guelord, dessen asylrechtlicher Status „Aufenthaltsgestattung“ heißt, steht bis dahin eine Arbeitserlaubnis zu. Ein Arbeitsverbot besteht in Deutschland sechs Monate ab Asylantragsstellung, eine Frist, die Guelord also lange hinter sich gelassen hat.
Antrag nicht bearbeitet
„Das lange Warten, wie es Guelord erlebt, ist kein Einzelfall“, erklärt Sozialarbeiterin Pamela Bader an ihrem mit Papieren und einem Computer vollgepackten Schreibtisch in einem kleinen Büro im Container neben dem Gemeinschaftsraum. Ihr Name sowie die genaue Unterkunft wurden anonymisiert, da der Träger fürchtet, Kritik an den Behörden des Landkreises könnte sich in finanzielle Nachteile bei der Mittelvergabe übersetzen.
Es gibt keine Statistiken zu den Bearbeitungszeiten und der Annahmequote der Arbeitserlaubnisanträge, aber zu Migration arbeitende NGOs kommen zu ähnlichen Schlüssen wie Bader. Proasyl schreibt in Bezug auf die Ausstellung der Arbeitserlaubnisse über „keine zeitnahen Termine und zu lange Bearbeitungszeiten in den Ausländerbehörden“. Und Falko Behrens von der Diakonie berichtet: „Uns erreichen in der Beratungspraxis durchaus Problemanzeigen, dass Erlaubnisse nicht erteilt werden, jedoch haben auch wir kein repräsentatives Bild.“
Oft steht auch kein rechtzeitiger Termin zur Ausweisverlängerung zur Verfügung. Auf dem Ausweis ist allerdings die Arbeitserlaubnis eingetragen. Das bedeutet, dass auch diese erlischt, wenn der Ausweis abläuft. „Somit entstehen nicht nur viel Arbeit für die Sozialberatung und das Landratsamt, sondern auch Kosten“, erklärt Pamela Bader.
Die Kosten für einen arbeitslosen Asylbewerber belaufen sich neben den Asylleistungen von knapp 400 Euro auch auf Krankenkassenbeiträge und Mietkosten. Das Gespräch mit ihr ist kurz, wiederholt kommen Klient:innen in das Büro mit der stets offenen Tür. Der Bedarf an Begleitung im Behördenwirrwarr oder bei der Arbeits- und Wohnungssuche ist groß.
An einem grauen Julitag geht es zurück zu Guelord. Schon bei der Terminabsprache bahnt sich die schlechte Nachricht an. „Je suis flexible – Ich bin flexibel“, meint er auf Französisch. Eine Arbeitserlaubnis war bei der Abholung seines neuen Ausweises in der Ausländerbehörde wieder nicht ausgestellt worden. Aber die Sachbearbeiterin sei sehr nett gewesen, habe sich Zeit genommen – im Gegensatz zu den üblichen Terminen bei der Ausländerbehörde, die nach dem immerselben Muster abliefen: „Bonjour – Bonjour – Ausweis bitte – Danke – Danke – Tschüss“.
„Sie hat mich gefragt, ob ich denn arbeiten will“, berichtet Guelord. „Als ich ihr meine Situation geschildert habe, hat sie sich nach meinem Antrag auf Arbeitserlaubnis erkundigt.“ Den hatte er im Januar eingereicht. Doch in der Zwischenzeit war die Stelle bereits anderweitig vergeben und sein Antrag nicht mehr bearbeitet worden.
Flüchtlingsrat sieht Schikane
Stephan Dünnwald, Sprecher des bayrischen Flüchtlingsrates, sieht in dem Verhalten der Behörden in diesem Fall Hinweise auf „eine Schikane“. Er weist allerdings auch darauf hin, dass die Ausländerbehörden chronisch überlastet seien: „Einerseits ist die Bezahlung in der Ausländerbehörde geringer als auf anderen Stellen des Landratsamts und es mangelt an Personal.
Auch die sich ständig ändernde Gesetzeslage behindert effektives Arbeiten in der Behörde.“ Letzteres ist wissenschaftlich durch eine Studie der Uni Hildesheim belegt, die von „hyperaktiver Gesetzgebung“ spricht, also ständige Gesetzesänderungen, bevor die Wirksamkeit vorheriger Gesetze überhaupt festzustellen ist.
Guelord hat verstanden, dass er in dieser Gemengelage pragmatisch sein muss. „Mein Traum wäre es, auch in Deutschland für die Medien zu arbeiten, aber das ist ein weiter Weg.“ Gefunden hatte er Jobs als Reinigungskraft und Tellerwäscher in einer Kantine, die er beide gerne angetreten hätte, wäre ihm die Arbeitserlaubnis erteilt worden. Laut des Arbeitsamts sind beides Engpassberufe in Bayern, und dennoch regierte die Behörde nicht rechtzeitig.
Eigentlich soll die Prüfung eines Antrags auf Arbeitserlaubnis im sogenannten Zustimmungsverfahren unkompliziert sein: Die Ausländerbehörde prüft, ob Arbeitsverbote vorliegen, und übersendet die Unterlagen dem Arbeitsamt, das die Arbeitsbedingungen innerhalb von zwei Wochen überprüft und entscheidet. Doch im Fall von Guelord ist das nicht geschehen.
Auf die Frage, wie er sich gefühlt habe, als er wieder keine Arbeitserlaubnis erhielt, sagt er sachlich: „Natürlich bin ich enttäuscht, aber ich bin es auch gewöhnt.“ Er versuche das nicht zu nah an sich heranzulassen. Nur manchmal, wenn er allein sei, dann frage er sich, warum er immer wieder abgelehnt werde, erzählt er, schaut weg und fixiert ein Bild an der Wand.
Für Guelord bedeutet Arbeit nicht nur Geld und Selbstbestimmung, sondern auch der Ausbruch aus den Tagen des Grübelns und der daraus resultierenden Schlaflosigkeit. Ein Psychologe habe ihm gesagt, er solle Sport machen. „Das hat doch keinen Sinn! Dann komme ich danach heim und es ist das Gleiche – ich will einfach arbeiten“, sagt Guelord, das erste Mal mit energischer Stimme. Dabei schaut er auf den Tisch, auf dem er begonnen hat mit einem herumliegenden Würfel zu spielen. „Morgen werde ich wieder anfangen, einen Job zu suchen.“
Guelord hat einen neuen Antrag auf Arbeitserlaubnis gestellt und wartet weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!