Abgeordnete besuchen Maja T.: „Ein rechtsstaatlicher Skandal“
Mehrere Bundestagsabgeordnete besuchen Maja T. in ungarischer Haft – und fordern die Rückholung nach Deutschland. Dort gibt es neue Vorwürfe gegen T.

Sie alle verbinde die Sorge um die Situation von Maja T., sagte der SPD-Mann Roloff am Dienstag bei einem Pressegespräch im Bundestag in Berlin. Deshalb seien sie zu dritt nach Ungarn gereist.
Hoß berichtete, dass das Herz von Maja T. immer noch schwach sei. Sich lange zu konzentrieren falle T. schwer. Bei dem Gespräch seien Wärter mit im Raum gewesen und es sei klar geworden, dass ungarische Behörden kein Interesse an einer Verbesserung der Haftsituation von Maja T. hätten, so Hoß. Die Isolationshaft bestehe fort. Maja T. habe daher klargemacht, dass der Hungerstreik wieder aufgenommen werden könne.
Bundesregierung habe „Ernst der Lage erkannt“
Die drei Bundestagsabgeordneten erneuerten am Dienstag die Forderung, Maja T. wieder nach Deutschland zu holen und hierzulande ein rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen. Es müsse das Ziel sein, Maja T. „möglichst schnell aus der Isolationshaft rauszuholen“, sagte Roloff. Die Haftbedingungen in Ungarn seien „inakzeptabel“. Laut Roloff habe die Bundesregierung den „Ernst der Lage“ von Maja T. erkannt. Nun gelte es, weiter Druck auf Ungarn zu machen.
Der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg nannte es einen „rechtsstaatlichen Skandal“, dass Maja T. vor einem Jahr rechtswidrig in einer nächtlichen Blitzaktion nach Ungarn ausgeliefert wurde. „Mir ist kein Fall bekannt, wo eine Überstellung so schnell erfolgt ist“, so Limburg. Es sei die Verantwortung der deutschen Regierung und Behörden, diesen Rechtsbruch rückgängig zu machen und Maja T. wieder nach Deutschland zu holen.
Der 24-jährigen Person wird vorgeworfen, mit anderen Linken im Februar 2023 in Budapest an mehreren schweren Angriffen auf Rechtsextreme beteiligt gewesen zu sein, die sich dort damals zum „Tag der Ehre“ versammelt hatten, einem europaweiten Szeneaufmarsch. Maja T. wurde im Dezember in Berlin festgenommen und im Juni 2024 nach Ungarn ausgeliefert. Seit Februar läuft in Budapest ein Prozess gegen T., in dem bis zu 24 Jahre Haft drohen.
War Maja T. an Angriff auf Thor Steinar Laden beteiligt?
Inzwischen gibt es auch in Deutschland einen weiteren Vorwurf gegen Maja T. Nach taz-Informationen ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen T. auch wegen des Verdachts, an einem Angriff auf ein Geschäft der rechtsextremen Kleidermarke Thor Steinar in Erfurt beteiligt gewesen zu sein, am 23. April 2022. Vermummte hatten damals parallel in Magdeburg, Halle, Schwerin und Erfurt Läden der Szenemarke überfallen. In Erfurt sollen es fünf Angreifer gewesen sein, die auch eine Verkäuferin mit Faustschlägen, einem Schlagstock und Pfefferspray attackierten, im Laden wurde Buttersäure versprüht. Laut Bundesanwaltschaft entstand ein Sachschaden von mehr als 60.000 Euro.
Die Tat ist auf einem Video einer Überwachungskamera dokumentiert. Für den Angriff wurde zuletzt bereits die Thüringerin Emilie D. von der Bundesanwaltschaft vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angeklagt. Der 23-Jährigen wird ebenfalls eine Beteiligung an den Attacken von Budapest vorgeworfen. Der Prozess in Düsseldorf wird sich hauptsächlich darum drehen – denn wegen dieses Vorwurfs sind dort fünf weitere Linke angeklagt. In ihren Fällen hatte sich die Bundesanwaltschaft, anders als bei Maja T., gegen eine Auslieferung nach Ungarn ausgesprochen.
Dass wegen des Erfurt-Angriffs auch Maja T. beschuldigt ist, hatten zuerst das rechtsextreme Compact-Magazin und die rechtsextreme Kleinpartei „Freie Sachsen“ berichtet. Compact hatte bereits im Verfahren gegen die Leipzigerin Lina E. wegen Angriffen auf Neonazis aus Ermittlungsakten berichtet. In diese Akten haben neben den Beschuldigten auch die Opfer der Gewalttaten ein Recht auf Einsicht.
Die Bundesanwaltschaft wollte sich zu dem Vorwurf gegen Maja T. nicht äußern. Verteidiger Sven Richwin sagte der taz, die Ermittler würden Maja T. „allein aufgrund der Statur einer Person auf dem Video verdächtigen“. Maja T. sei dafür aber bisher nicht angeklagt und der Tatverdacht sei auch nicht so stark, dass er der Auslieferung nach Ungarn im Wege gestanden habe.
„Im Zweifel würden wir auch diesen Vorwurf gerne vor einem deutschen Gericht diskutieren, wenn deswegen diesmal Deutschland einen Auslieferungsantrag stellen würde“, sagte Richwin. „Aus gutem Grund erfolgt Rechtsprechung hierzulande nämlich nicht in den Kommentarspalten rechtsextremer Blätter, sondern in einem geordneten Verfahren.“ Zudem könne sich Maja T. „naturgemäß gerade gegen eine Vorverurteilung nicht wehren“.
Zuletzt erneut Antrag auf Hausarrest abgelehnt
Der Grünen-Abgeordnete Limburg sagte, ob die Vorwürfe gegen Maja T. zuträfen, müssten Gerichte klären. Aber jede Person habe ein Anrecht auf ein rechtsstaatliches Verfahren – und das sei in Ungarn derzeit nicht gegeben. Limburg und Hoß forderten deshalb, generell Auslieferungen nach Ungarn auszusetzen. Dies müsse auch für den Deutschsyrer Zaid A. gelten, dem ebenfalls die Angriffe in Budapest vorgeworfen werden und dem weiterhin eine Auslieferung droht. Der Fall Maja T. habe gezeigt, dass Zusicherungen von Ungarn auf eine rechtsstaatliche Behandlung „nichts wert seien“, so Hoß.
Der Vater von Maja T., Wolfram Jarosch, setzte derweil seinen Protest-Hungermarsch von Dresden nach Budapest fort. Am Dienstag wollte er das tschechische Znaim erreichen, am Donnerstag Wien. Er werde langsam schwächer, werde aber den Marsch bis Budapest fortsetzen, erklärte Jarosch. Mit dem Protest fordert er bessere Haftbedingungen für sein Kind und eine Rücküberführung nach Deutschland.
Zuletzt hatte ein ungarisches Berufungsgericht erneut einen Antrag auf Hausarrest für Maja T. abgelehnt. Wegen fortdauernder Fluchtgefahr, aber auch weil T. unter anderem mit dem Hungerstreik Druck auf das Gericht aufgebaut habe und im Verfahren „nicht das geringste Anzeichen einer freiwilligen Unterwerfung“ zeige.
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