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Tucholsky-Museum in RheinsbergRettet Tucholsky!

Die Zukunft des Tucholsky-Museums ist durch Sparpläne rechter Politiker bedroht. 13 Au­to­r:in­nen fordern, dass das Museum eigenständig bleibt. Ein Aufruf.

Gnadenloser und witziger Kritiker der Weimarer Kultur und Politik: Kurt Tucholsky, hier 1928 Foto: bpk

Dieser Artikel wurde gemeinsam verfasst von Trä­ge­r*in­nen des Kurt-Tucholsky-Preises und ehemaligen Stadt­schrei­be­r*in­nen der Stadt Rheinsberg in Brandenburg.

Um das Tucholsky-Museum in Rheinsberg wütet seit einigen Jahren ein Streit. Es geht dabei wohl nicht nur um Geld und um Zuständigkeiten, um Literatur und die Frage, welche Verpflichtungen ein Museum, das einem der wichtigsten Autoren der Weimarer Republik gewidmet ist, mit sich bringt. Es geht auch um den Versuch rechter Lokalpolitiker, das Erbe eines erklärten Antifaschisten zu entpolitisieren.

Kurt Tucholsky war ein ebenso gnadenloser wie witziger Kritiker der Weimarer Kultur und Politik, der Liebes- und Reiseromane verfasste und ein Kriegsgegner und Kritiker von Nationalismus, der die Nazis von Anfang an als größte Bedrohung für die erste deutsche Demokratie erkannte. In diesem Sinne ist Tucholsky ein äußerst heutiger Autor für uns, die wir die zweite deutsche Demokratie schätzen. Und nicht weniger für jene, denen ihre konkrete Ausgestaltung als plurale Demokratie ein Dorn im Auge ist.

Tucholskys Aufstieg begann mit der Novelle „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte“, die 1912 erschien. Das ist der Grund, warum die Stadt Rheinsberg ihm 1993 ein Museum widmete, es ist das einzige Tucholsky-Museum in Deutschland. Sammlung, Ausstellung und Büros des Museums sind auf dem Gelände des Stadtschlosses untergebracht, bis 2024 wurde es vom Literaturwissenschaftler Dr. Peter Böthig geleitet.

Seit 1995 existiert außerdem das Literaturstipendium „Stadtschreiber zu Rheinsberg“, welches jährlich zwei Au­to­r*in­nen zur Verfügung steht und vom Museum betreut wird. Die Auseinandersetzung mit der literarischen Gegenwart von Tucholsky kann anhand des fortlaufend veröffentlichten „Rheinsberger Bogens“ nachvollzogen werden, der von den Stipendiaten am Ende ihres Aufenthalts verfasst wird.

Anschreiben gegen die Feinde der Demokratie

Beim Tucholsky-Museum Rheinsberg handelt es sich also um einen vorbildlichen Denkort, sollte man meinen. Einen, der die Vergangenheit bewahrt und nach ihrer Bedeutung in der Gegenwart fragt. Tucholsky, lernt man hier, das ist einer, den wir immer wieder lesen müssen, weil wir von ihm lernen können, wie das geht: anschreiben gegen die Feinde der Demokratie, mutig sein, humorvoll bleiben und unter Umständen auch in Würde zu verlieren.

Tucholsky ist damit heute so wichtig wie schon lange nicht mehr. Und insofern ist es erst mal eine gute Nachricht, dass es ein Museum gibt, welches sich der Bewahrung seines Lebens und Denkens widmet.

Leider liegen die Dinge aktuell komplizierter. Denn mit dem Ende der Arbeitszeit von Dr. Peter Böthig entschied die Stadtverordnetenversammlung, die Stelle des Museumsdirektors – offiziell aus finanziellen Gründen – nicht nachzubesetzen und das Museum stattdessen dem Amt für Kultur, Tourismus und Wirtschaftsförderung der Stadt Rheinsberg unterzuordnen (ein Amt, das mit Daniel Pommerenke übrigens auch einen bekannten Rechtsextremen beschäftigt).

Das so eingeläutete Ende des Tucholsky-Museums als eigenständige Forschungseinrichtung erregte bundesweit Aufmerksamkeit. 2023 wurde das Museum auf die Rote Liste des Deutschen Kulturrats gesetzt und schließlich bot der Landkreis eine Übernahme der Kosten für die Leitungsstelle an, womit die Problematik, ginge es denn nur um eine Finanzierungsfrage, für die Stadt Rheinsberg eigentlich geklärt gewesen wäre. Dann wurde das Museum Anfang 2025 der neuen Leitung der Tourismusbehörde unterstellt.

Übernahme verschleppt

Es ist nicht die Absicht dieses Artikels, neuerlich danach zu fragen, warum etwa Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow (BVB/Freie Wähler) die Übernahme durch den Landkreis so lange verschleppte und die Verhandlungen schließlich aus der Hand gab, ebenso wenig wollen wir diskutieren, wie es überhaupt zu der ursprünglichen Entscheidung kam, die Stelle nicht nachzubesetzen. Was wir wissen, ist, wie es seitdem weiterging:

Am 9. Juli kündigte die Akademie der Künste in einem offenen Brief an den Bürgermeister an, die über 20-jährige Zusammenarbeit mit dem Tucholsky-Museum auszusetzen. Sie begründete diesen Schritt damit, „dass das Museum und die Sammlung ohne qualifizierte und wissenschaftliche Leitung nicht denselben Anspruch“ erfüllen könne, den es die Jahrzehnte zuvor erfüllt habe.

Darauf antwortete das Amt für Kultur, Tourismus und Wirtschaftsförderung am 11. Juli, man habe nun eine Person für die neu eingerichtete Stelle des „literaturwissenschaftlich-künstlerischen Projektmanagers“ gefunden. Das klingt nicht nach einem neuen Direktor und ist auch nicht so gemeint. Der Name dieser neuen Person ist Peter Graf.

Peter Graf ist Autor, Publizist und ausgewiesener Experte für die Exilliteratur des 20. Jahrhunderts. Mit seinem Verlag „Das kulturelle Gedächtnis“ hat er nicht wenige Schätze gehoben und für die Gegenwart zugänglich gemacht, etwa Bruno Franks „Lüge als Staatsprinzip“ von 1939. Auch wenn es sich bei der Personalie um ein durchschaubares Manöver handelt, um etwaiger Kritik an mangelnder Professionalität zuvorzukommen, muss man doch sagen: Peter Graf ist eine sinnvolle Besetzung.

Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Tucholsky-Museum künftig nicht mehr eigenständig ist, sondern weiterhin der Weisung des Tourismusamtes von Rheinsberg untersteht. Und eine solche politische Kontrolle würde einem Autor wie Tucholsky selbst dann nicht gerecht, wenn dieses Amt in anderen Händen wäre, als es aktuell der Fall ist.

Der Wind weht scharf von rechts

Wer sich mit Tucholsky schmücken will, sollte auch seinen Aufruf zu Toleranz, Streit, Widerspruch und intellektuelle Eigenständigkeit teilen. Mag es für den Moment vielleicht auch so erscheinen, als dürfte das Museum das eigene Programm weiterhin unbehelligt planen – der politische Wind weht scharf von rechts, wie unter anderem an der Tatsache abzulesen ist, dass die Erscheinung von Max Czolleks „Rheinsberger Bogen“, der diese Thematik aufgreift, auf Anweisung der Behördenleitung auf einen Zeitpunkt nach der nächsten Bürgermeisterwahl verschoben wurde, die am 28. September 2025 stattfinden wird.

Das mag auch mit dem Arbeitstitel des Bogens zu tun haben: „Anleitung zur Rettung eines Tucholsky-Museums“. Und genau darum geht es: dass Kurt Tucholsky für eine Art kritischer Publizistik steht, die im Herzen lebendiger Demokratien schlägt. Und die von der Publikationsreihe schon immer fortgeschrieben worden ist.

Die Stadt Rheinsberg darf sich glücklich schätzen, dass sie das Tucholsky-Museum hat. Zugleich kann die aktuelle Schieflage als Beleg dafür dienen, dass das Museum und seine Programme dringend wieder eine Struktur benötigen, die seine Forschung, seine Kuration und seine Kooperationen gegen politische Einflussnahme absichert.

Als ehemalige Stadt­schrei­be­r*in­nen der Stadt Rheinsberg oder Trä­ge­r*in­nen des Kurt-Tucholsky-Preises sind wir dem Erbe Tucholskys verpflichtet. Daher fordern wir ein eigenständiges Museum statt eines Behördenanhangs sowie eine eigenständige Leitung statt eines weisungsgebundenen Projektmanagers. Und zwar nicht, weil Tucholsky unsere Unterstützung braucht. Sondern weil wir seine brauchen. Gerade jetzt. Gerade heute.

Max Czollek, Marion Brasch, Volker Braun, Alexander Estis, Annett Gröschner, Eberhard Häfner, Katja Lange-Müller, Manja Präkels, Margarete Stokowski, Antje Rávik Strubel, Konstantin Wecker, Ron Winkler, Tom Schulz

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