Ehemaliger Athener Flughafen: Zeitbombe auf Europas größter Baustelle
Auf dem Athener Flughafengelände soll eine ökologische Stadt entstehen. Aber Kraftstoffe sind in den Boden gesickert und verseuchen das Grundwasser.

Ein übler Geruch habe bereits im vergangenen Jahr ahnen lassen, dass Kraftstoffe von dort in den Brunnen gelangt seien, so die Schwestern. Im Mai habe sich die Situation rapide verschlechtert. Der Geruch sei unerträglich geworden, einige Pflanzen seien auf der Stelle verdorrt. „Sogar die Pfoten der Hunde sind verätzt“, sagte Eleana Theofanidou zu RU. An einem Tag sei das Öl so dickflüssig gewesen, dass einige Bewässerungsdüsen verstopft seien – zum Glück für die Pflanzen, die auf diese Weise gerettet wurden.
Die RU-Reporter machten sich auf, die Behauptung zu überprüfen und die Quelle der Vergiftungen zu suchen. An vier Tagen im Juni entnahmen sie Proben aus dem Brunnen der Theofanidou-Schwestern und schickten sie zur Analyse an die Ägäis-Universität. Ergebnis: Die Gesamtmenge an Kohlenwasserstoffen aus Erdöl betrug zwischen 6,2 und in der Spitze 368,8 Milligramm pro Liter. Das entspricht dem 6,2-Fachen bis 368,8-Fachen des deutschen Grenzwertes.
Der alte Athener Flughafen war Anfang 2001 stillgelegt worden, das Gelände ist 620 Hektar groß – dreimal so groß wie Monaco – und liegt zwischen einem Berg und dem Meer. Nur acht Kilometer von der Akropolis entfernt ist es heute eine riesige Baustelle. Das Projekt heißt „The Ellinikon“.
Umweltverantwortung lag bei Lamda
Entwickelt wird es von der Firma Lamda des einflussreichen griechischen Oligarchen Spiros Latsis. Aushängeschild ist der 207 Meter hohe Riviera Tower, künftig Griechenlands höchstes Gebäude mit 53 Etagen und 169 Wohnungen für einen Verkaufspreis von bis zu 32.000 Euro pro Quadratmeter. Gebaut werden zudem drei Luxushotels, Büros, Einkaufszentren, ein Jachthafen, Strandbäder und ein Spielkasino. Lamda verbreitet, hier wachse „eine neue Stadt, die alle Anforderungen des 21. Jahrhunderts erfüllen soll – ökologisch, technologisch, sozial“.
Doch Ende Juli räumt das Unternehmen erstmals ein, dass das während des Airportbetriebs gelagerte und im Boden versickerte Flugbenzin und Öl benachbarte Brunnen verseucht habe. Dabei hatte Lamda 2014 mit der Unterzeichnung des Kaufvertrags die Verantwortung für alle Umweltrisiken übernommen. Dass der Boden kontaminiert war, war schon bekannt: Die Athener Privatisierungsbehörde Taiped dokumentiert die Verschmutzung auf dem Areal seit 2012.
Spätestens seit Juni 2019 verpflichtet zudem ein Gesetz Lamda zur Sanierung von Böden und Grundwasser. Begonnen mit der Dekontaminierung des Areals hat das Unternehmen aber erst im März 2022 – und zwar parallel zu den Bauarbeiten. Doch für das „größte Stadterneuerungsprojekt Europas“ fehlt offenbar eine Umweltüberwachung. Keine Athener Regierung hatte Lamda dazu aufgefordert, die Dekontaminierung des Geländes vor dem Baubeginn abzuschließen.
Inzwischen hat die Firma 260 Tonnen Kraftstoff aus dem Grundwasser gesammelt. Öl, das aus Tanks, unterirdischen Rohrleitungen, Pumpstationen und anderen Einrichtungen des Flughafens ausgelaufen und unverändert in den Grundwasserspiegel gelangt ist. Nun droht neues Ungemach: Während Lamda noch versucht, das Grundwasser zu reinigen, werden am Strand riesige Mengen Wasser abgepumpt und in die Regenwasserkanäle geleitet, die Baustellen trocken zu halten. Ein solcher tiefer Aushub findet neben dem Haus von Theofanidis statt. Dort soll das Casino samt Hotel entstehen.
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