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Katherina Reiche gegen ErneuerbareFörderstopp für private Solardächer

Betreiber von Wind- und PV-Anlagen sollen den Netzausbau mehr mitfinanzieren, sagt die Wirtschaftsministerin. Grüne befürchten „viele Verlierer“.

Balkonkraftwerk: Solarstrom inzwischen so billig geworden, dass sich eine Förderung politisch immer schwerer rechtfertigen lässt Foto: Robert Poorten/Imago

Freiburg taz | Wirtschaftsministerin Katherina Reiche will neue Solarstromanlagen auf Hausdächern nicht mehr fördern. Dieser Vorstoß verärgert Branche und Opposition. „Neue kleine PV-Anlagen rechnen sich schon heute im Markt und bedürften keiner Förderung“, sagte die CDU-Politikerin in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Altanlagen sollen aber Bestandsschutz bekommen. Die Rentabilität der Dachanlagen ergibt sich dadurch, dass der Solarstrom vor Ort genutzt wird und die Betreiber so weniger Netzstrom einkaufen müssen.

Seit dem Jahr 2000 garantiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Betreibern von Solarstromanlagen eine Vergütung, die für 20 Jahre fix ist. Für Neuanlagen wurde der Satz stetig gesenkt, entsprechend dem Preisverfall der Solartechnik. Anfangs, als die Anlagen noch teuer waren, gab es rund 50 Cent je Kilowattstunde; aktuell bekommt eine Kleinanlage für den eingespeisten Überschussstrom noch 7,86 Cent je Kilowattstunde. Das ist immer noch mehr als der Marktwert des Solarstroms, der im vergangenen Jahr im Mittel bei 4,6 Cent lag.

Die Wirtschaftsministerin will aber nicht nur bei der Photovoltaik Neuerungen einführen: „Wind an Land und Solaranlagen müssen sich in Zukunft stärker an den Kosten des Netzausbaus beteiligen.“ Es sei nicht mehr zeitgemäß, dass Betreiber Anlagen errichten, wo sie wollten, ohne auf das Stromnetz Rücksicht zu nehmen. „All das macht unser Stromsystem unnötig teurer“, so Reiche. Deswegen wolle sie das ändern. Auch an die Einspeisevergütung, die den Betreibern gezahlt wird, wenn ihre Anlagen aufgrund von Netzengpässen abgeregelt werden, will sie ran.

Kritik kam umgehend von den Grünen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Sven Giegold sagte: „Die Freunde der dezentralen Energiewende in Bürgerhand müssen jetzt aufstehen. Egal ob Kommunen, Unternehmen, Landwirte und Klimaschützer – Reiches Politik hat viele Verlierer.“ Schon vor einigen Wochen hatte Giegold die energiepolitischen Pläne der Wirtschaftsministerin als eine „Kampfansage an die erneuerbaren Energien“ bezeichnet.

Warnung vor Aus der Energiewende

Der Bundesverband Solarwirtschaft sagte, die aktuell bekannt gewordenen Pläne würden „die Klimaziele gefährden und die Branche mit ihren rund 150.000 Beschäftigten stark schädigen“. Der Ökostromanbieter Green Planet Energy kritisierte den Vorstoß, der „die Akzeptanz für die Energiewende aufs Spiel“ setze, weil private PV-Anlagen „die Energiewende erlebbar“ machten. Ohnehin seien „private Solaranlagen eine der einfachsten Möglichkeiten, Stromverbrauch und Stromerzeugung zu synchronisieren, ohne das Netz zu belasten“.

Energiewende in Gefahr

Wie viel Strom braucht Deutschland in Zukunft? Das soll ein Energie-Monitoring zeigen, das Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nach der Sommerpause vorlegen will. Das betraute Institut lässt Böses ahnen. Warum das die Energiewende gefährdet.

Philipp Schröder, Mitgründer des Ökostromanbieters 1KOMMA5°, sagte: „Wir dürfen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen.“ Bevor man die Einspeisevergütung abschaffe, brauchen man „zuerst eine Systemmodernisierung für mehr Digitalisierung und bessere Prozesse“. Dafür seien „der flächendeckende Smart-Meter-Rollout, einfache Abstimmungen mit Verteilnetzbetreibern und klare Marktkommunikationsregeln grundlegend“.

Es fehlen die Speicher

Dass es unter einer neuen Bundesregierung unabhängig von deren Couleur Änderungen an der bestehenden Solarförderung geben würde, war absehbar. Denn erstens gibt es immer mehr Stunden, in denen der anfallende Solarstrom nicht mehr nutzbar ist, weil es an entsprechenden Speichern fehlt – die rapide zunehmende Zahl von Stunden mit negativen Strompreisen an der Börse dokumentiert das. Zweitens fehlt es immer öfter an Kapazitäten der Verteilnetze, so dass an sonnigen Tagen zunehmend Anlagen aus physikalischen Gründen abgeregelt werden müssen.

Und drittens ist Solarstrom inzwischen so billig geworden, dass sich eine Förderung politisch immer schwerer rechtfertigen lässt. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme etwa hatte erst im vergangenen Sommer wieder in einer Studie dargelegt, dass „Photovoltaik-Anlagen mittlerweile auch in Kombination mit Batteriespeichern deutlich günstiger Strom produzieren, als Kohle- oder Gaskraftwerke“. Das gilt natürlich vor allem für die großen Solarparks, doch Reiche will ihren Förderstopp bei den Kleinanlagen beginnen, weil diese direkte Abnehmer vor Ort haben.

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