Einstufung der Brandenburger AfD: Verfassungsschutz-Gutachten an rechtes Portal geleakt
Der Verfassungsschutz stuft Brandenburgs AfD als gesichert rechtsextrem ein. Das entsprechende Gutachten hat jetzt ein rechtes Online-Medium vorab veröffentlicht.

Das Brandenburger Innenministerium wollte die Echtheit des Dokuments weder bestätigen noch dementieren. „Vor der am Donnerstag geplanten Veröffentlichung werden wir uns nicht dazu äußern“, sagte ein Sprecher am Dienstag.
Im von Nius geleakten mutmaßlichen Gutachten heißt es, dass „keine Zweifel mehr an der extremistischen Ausrichtung des gesamten Landesverbands bestehen können“. Die AfD Brandenburg habe die bei der Einstufung als sogenannter rechtsextremistischer Verdachtsfall im Jahr 2020 festgestellten „verfassungsfeindlichen Bestrebungen“ im Prüfzeitraum „weiter fortgesetzt und erheblich intensiviert“. Deshalb sei der Verband als erwiesen rechtsextremistisch einzustufen.
Als Belege führt der Verfassungsschutz unter anderem eine umfassende Sammlung von Zitaten von Brandenburger AfD-Politiker*innen an. Die Äußerungen sind eingeteilt in die Kategorien „Verstöße gegen die Menschenwürde“ – allein diese umfasst 37 Seiten – sowie „Verstöße gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip“ mit 25 Seiten.
„Fremdenfeindlicher Überbietungswettbewerb“
„Die Partei gibt taktische Zurückhaltung zunehmend auf“, analysiert die Behörde. Das betreffe unter anderem migrationspolitische Forderungen, „die mit einem ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff gekoppelt sind“. Der Begriff „Remigration“ werde als „Wahlkampfslogan und Projektionsfläche“ verwendet, zudem lieferten sich AfD-Politiker*innen einen „fremdenfeindlichen Überbietungswettbewerb“, heißt es weiter.
Darüber hinaus attestiert die Behörde dem Landesvorstand um Parteichef René Springer und dem Vorsitzenden der Landtagsfraktion, Hans-Christoph Berndt, „eine intensivierte Vernetzung mit Akteuren des rechtsextremistischen ‚Vorfelds‘“, etwa der „Identitären Bewegung“, dem rechtsextremen Magazin Compact und dem offiziell aufgelösten „Institut für Staatspolitik“ des rechten Vordenkers Götz Kubitschek. Im Übrigen werden Aussagen von Springer und Berndt an mehreren Stellen als Belege für die verfassungsfeindliche Ausrichtung des Landesverbands herangezogen.
Politisches und juristisches Gezerre
Das nun vorliegende Papier ist auf den 14. April 2025 datiert. An jenem Tag war ursprünglich die Neubewertung der Brandenburger AfD durch das Landesamt für Verfassungsschutz erfolgt. Dagegen ging die AfD gerichtlich mit einem Eilantrag und einer Klage vor – die Hochstufung musste daraufhin Ende Mai ausgesetzt werden, der Vermerk konnte nicht veröffentlicht werden.
Zudem führte der Umgang mit der AfD zu einer Regierungskrise in Brandenburg: Zuerst feuerte die damalige Innenministerin Katrin Lange (SPD) Landesverfassungsschutzchef Jörg Müller wegen der Neubewertung. Wenig später musste Lange – Kritikerin der Hochstufung und vehemente Gegnerin eines AfD-Verbotsverfahrens – selbst gehen.
Auf Druck ihres Nachfolgers René Wilke zog die AfD die Klage dann Ende Juli zurück. Seitdem kann der Landesverband wieder offiziell als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnet werden. Das Gutachten durfte allerdings noch nicht verbreitet werden, weil die AfD nicht das Einverständnis der darin namentlich genannten Personen eingeholt hatte. Also musste der Verfassungsschutz noch die Namen von jenen schwärzen, die nicht als Personen der Zeitgeschichte gelten – was bis Donnerstag abgeschlossen sein sollte.
Auch in dem von Nius veröffentlichten Dokument gibt es an mehreren Stellen Unkenntlichmachungen; es ist jedoch unklar, ob diese von der Behörde vorgenommen wurden.
AfD ist für Veröffentlichung
Laut eigener Aussage befürwortet die Brandenburger AfD die Veröffentlichung des Verfassungsschutz-Gutachtens. Bereits in der vorvergangenen Woche erklärte Parteichef Springer, er freue sich auf den Tag, an dem der Vermerk „endlich“ öffentlich wird: „Damit sich jeder Bürger selbst ein Urteil über die politisch motivierte Arbeit des Inlandsgeheimdienstes bilden kann.“ Er sehe ihn als „politischen Kampfauftrag“.
Die selbst verschuldeten Verzögerungen durch die Klage und die erforderlichen Schwärzungen sowie die jetzt erfolgte vorzeitige Veröffentlichung des Dokuments nutzten Partei und Fraktion zur Stimmungsmache: Springer sprach von einem „Armutszeugnis“ für den Verfassungsschutz, die Fraktion in ihrem Newsletter von einer „Posse, die derzeit im Innenministerium veranstaltet wird“.
Die AfD Brandenburg ist nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nun der vierte Landesverband, den der jeweilige Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch einordnet. Auch auf Bundesebene hatte der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch hochgestuft. Die Bewertung ruht allerdings, bis das Verwaltungsgericht Köln über einen Eilantrag der Partei entschieden hat.
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