Opposition in Indien: Protest gegen Wahlbetrug
Indische Oppositionspolitiker bauen mit dem Vorwurf manipulierter Wählerlisten bei den Wahlen im letzten Jahr Druck auf die Wahlkommission auf.

„Die Wahrheit über den Wahlbetrug liegt nun vor den Augen des Landes“, erklärte Oppositionsführer Rahul Gandhi nach seiner Festnahme. Es gehe um den Schutz der Demokratie. Trotz Hitze und gesundheitlicher Zwischenfälle setzten die Demonstrierenden ihren Protest fort.
Zu den von der Kongresspartei vorgelegten Beispielen mutmaßlicher Wahlfälschung zählen eine 124-jährige Erstwählerin in Bihar, ein Mann, der in drei Bundesstaaten vier Mal abgestimmt haben soll, sowie eine Wohnung in Bengaluru (Bangalore) mit 80 registrierten Wähler:innen.
Bei einer Pressekonferenz listete der 55-jährige Gandhi bereits vergangene Woche mehrfach registrierte Personen, auffällig überbelegte Adressen, gefälschte und ungültige Adressen und Fotos auf.
Opposition: 100.250 Stimmen in einem Wahlkreis gestohlen
Im Wahlkreis Mahadevapura in Bengaluru „stellten wir fest, dass 100.250 Stimmen gestohlen wurden“, sagte er. „Eine Person, eine Stimme – das ist das Fundament unserer Demokratie.“ Die Wahlkommission habe ihre verfassungsmäßige Pflicht nicht erfüllt. So habe Premier Narendra Modi mit seiner regierenden hindunationalistischen Volkspartei (BJP) den dortigen Wahlkreis gewinnen können.
Die BJP hält dagegen, es handle sich um eine ihrer Hochburgen, die sie seit vier Wahlen verteidige. Im Juni 2024 trat der heute 74-jährige Modi seine dritte Amtszeit in Folge an – doch diesmal geschwächt und unerwartet auf Koalitionspartner angewiesen. Schon kurz nach der Wahl waren Manipulationsvorwürfe aufgekommen, doch zunächst ohne belastbare Beweise.
Aus den Reihen seiner Partei bekam Gandhi Rückendeckung: „Die Beweise, die Rahul Gandhi der Öffentlichkeit vorgelegt hat, sind unbestreitbar“, sagte der junge Landespolitiker Sachin Pilot aus Rajasthan. „Die BJP hat sich zu einem Sprecher der Wahlkommission gemacht. Wir fordern eine Untersuchung. Jeder Bürger hat das Recht dazu.“
Auch der nordindische Politiker Akhilesh Yadav (SP) appellierte an die Wahlkommission: „Die Mitglieder sollten bedenken, dass auch ihre Familien hier leben. Sie sind für die Zukunft ihrer Angehörigen verantwortlich.“ Zweifel an der Integrität des Wahlprozesses müssten ausgeräumt werden, „denn die Nation hat ein Recht auf eine Antwort“.
Hat die Wahlkommission etwas zu verbergen?
Am Dienstag forderten Abgeordnete im Parlament erneut Aufklärung über die mutmaßlichen Manipulationen. „Wir alle fragen uns, warum die Wahlkommission keine ernsthaften Antworten auf die von Rahul Gandhi aufgeworfenen Fragen geben konnte“, sagte der südindische Kongresspolitiker Shashi Tharoor. Das sorge für Bedenken und nähre, so Beobachter:innen, den Verdacht, dass es mehr zu verbergen gebe.
Unterdessen forderte die Wahlkommission Rahul Gandhi auf, Unterlagen zu seinen Vorwürfen vorzulegen. Die Regierungspartei BJP wies die Vorwürfe zurück und warf den Abgeordneten der Opposition vor, sie würden versuchen, „Anarchie und Instabilität“ zu schüren.
„Ich bin äußerst verärgert über die Oppositionsparteien. So eine negative Haltung politischer Partei habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen“, beschwerte sich der Minister für parlamentarische Angelegenheiten, Kiren Rijiju (BJP). Mit ihrem „Theater“ schade die Opposition dem Ansehen Indiens.
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