Direktverbindung nach London: Die Bahn ist reif für die Insel
Deutschland und Großbritannien vereinbaren eine Zugverbindung nach London. Das Experiment gab es schon einmal – und diesmal soll es klappen.

Konkret haben die Regierungen bereits eine gemeinsame Taskforce ins Leben gerufen. Diese soll die mannigfaltigen regulatorischen Hindernisse aus dem Weg räumen, etwa bei Fragen der Sicherheit und bei den Grenzkontrollen. Bis der erste Linienzug in London einfährt, wird es jedoch noch dauern. Anfang der 30er Jahre soll es losgehen.
Die Deutsche Bahn hat sich mit dem zur französischen SNCF gehörenden Unternehmen Eurostar zusammengetan. Bis zu 50 neue Züge will Eurostar nach eigenen Angaben bestellen und damit den internationalen Zugverkehr ausbauen. Für Reisende könnte eine Direktverbindung zur Alternative zum Flug auf die Insel werden: Die Fahrzeit zwischen Köln oder Frankfurt am Main in die britische Hauptstadt würde auf fünf Stunden sinken. Heute dauert sie im besten Fall anderthalb Stunden länger und ist mit einem Umstieg in Brüssel verbunden. Im schlechtesten Fall müssen Passagiere vier Mal umsteigen und mehr als acht Stunden im Zug sitzen. „Wir sind vom großen Potenzial einer Direktverbindung überzeugt“, sagte ein Bahn-Sprecher.
Es ist schon der zweite Versuch, eine Verbindung einzurichten, mit der Reisende aus Deutschland ohne Umsteigen in der englischen Hauptstadt ankommen. 2010 fuhr der erste ICE am Londoner Bahnhof Kings Cross ein. Doch der damals angekündigte Linienverkehr wurde nie aufgenommen.
Länderüberschreitende Angebote
Tatsächlich nutzen immer mehr Reisende den Zug für Auslandsfahrten. Bestes Beispiel dafür ist die erst vor einem halben Jahr aufgenommene Verbindung zwischen Berlin und Paris. Der täglich verkehrende ICE ist immer nahezu ausgebucht. „Die durchschnittliche Auslastung liegt bei über 90 Prozent“, so der Sprecher. Die meisten Fahrgäste fahren bis zur Endstation.
Doch von einem paneuropäischen Bahnnetz kann längst nicht die Rede sein. Zwar hat die EU-Kommission Korridore für den grenzüberschreitenden Verkehr definiert und erwartet bis zum Ende des Jahrzehnts eine Verdoppelung der Reisendenzahlen. In der Praxis stoßen Bahnen und Kunden aber immer wieder auf Schwierigkeiten.
Auch für die Linie von Deutschland nach London müssen noch Hürden überwunden werden. Beim ersten Versuch waren zum Beispiel die Auflagen für die Fahrt durch den Kanaltunnel noch beträchtlich. Die Züge mussten dafür wenigstens 400 Meter lang sein. Mit Komparsen musste die Bahn damals die Rettung von Fahrgästen bei einem Unfall im Tunnel simulieren.
Genauere Grenzkontrollen
Heute ist die Herausforderung eine andere: Da Großbritannien nicht mehr in der EU ist, werden die Passagiere bei der Einreise ganz anders gecheckt. Die Kontrolle der Pässe und der kostenpflichtigen elektronischen Reisegenehmigungen finden am Startbahnhof auf dem Kontinent statt. Dafür wird ein eigenes Terminal benötigt. An den favorisierten deutschen Bahnhöfen gibt es so eine Abfertigungshalle jedoch nicht.
Auch für die Bahnkunden selbst sind Fahrten ins Ausland keineswegs problemlos. Das erfahren in diesen Tagen auch junge Leute mit einem Interrailpass. Zwar können sie damit durch ganz Europa reisen. Doch für manche Züge ist eine Reservierung notwendig. Der Sitzplatz lässt sich nicht überall problemlos online buchen. Überhaupt ist es bisher oft gar nicht möglich, ein durchgehendes Ticket für längere Fahrten ins Ausland zu erwerben. Mitunter ist nur der Kauf von Tickets bei verschiedenen Bahngesellschaften für einzelne Streckenabschnitte möglich.
Doch hier ist die Deutsche Bahn zu einem Vorreiter geworden. „Bis Ende 2026 werden wir Tickets aller großen Bahnen unserer Nachbarländer direkt über bahn.de und den DB Navigator verkaufen können“, kündigt der Sprecher an. Dafür wird ein neuer technischer Standard geschaffen, der sogenannte Open Sales and Distribution Mode. Dieser ermöglicht den Datenaustausch zwischen verschiedenen Betreibergesellschaften.
Ein erster großer Fortschritt wird laut Bahn noch in diesem Jahr realisiert. 85 Prozent der internationalen Buchungen lassen sich bereits bei der DB buchen. „Reisende erhalten in diesem Fall eine einzige Fahrkarte mit durchgängigen Fahrgastrechten, zum Beispiel von Kopenhagen nach Verona oder von Brüssel nach Wien“, erklärt der Sprecher. Bis zum Jahresende will die Deutsche Bahn die noch bestehende Lücke bei den Buchungsanfragen schließen. Ein durchgängiges Ticket hat neben der leichten Buchung vor allem den Vorteil, dass die Entschädigung von Kunden im Falle von Verspätungen oder Zugausfällen klar geregelt ist. Kauft ein Fahrgast mehrere Fahrscheine bei unterschiedlichen Bahnen, geht er womöglich leer aus.
Die Bahn hat sich den weiteren Ausbau der internationalen Verkehre fest vorgenommen. Ende 2026 wird zwischen München und Rom ein Linienverkehr aufgenommen. Geplant ist auch eine Verbindung von Prag über Berlin nach Kopenhagen, die nach dem Ende der Sanierungsarbeiten zwischen Hamburg und Berlin im kommenden Mai eingerichtet wird.
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