Scheitern der Plastikkonferenz: Eine Katastrophe, die wir noch nicht überblicken können
Eine Einigung bei der Plastikkonferenz wäre dringend nötig gewesen. Mit Recycling ist den immer größer werdenden globalen Plastikbergen nicht beizukommen.

E s war ein Scheitern mit Ansage: Zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen in Genf sah es so aus, als könnten die UN-Staaten zu einem Kompromiss finden. Das Bündnis der Länder mit ehrgeizigen Zielen – darunter die EU – wollte, dass die Plastikproduktion auf „nachhaltige“ Mengen begrenzt wird. Und es wollte, dass jene Chemikalien reguliert werden, die nachweislich gesundheitsschädlich sind, etwa ein Viertel aller für die Kunststoffproduktion verwendeten Chemikalien. Ein weiteres Viertel ist weitgehend unbedenklich, etwa die Hälfte noch nicht ausreichend erforscht.
Die Vertreter*innen der fossilen Länder – Saudi-Arabien, Russland und auch die USA – wollten all das nicht, denn ihr Öl, mit dem sie hohe Gewinne machen, dient als Vorprodukt für Plastik. Auf ein Abkommen zum Umgang mit dem Müll hätten sie sich wohl eingelassen, ein paar nette Worte zum Recycling wären vielleicht auch drin gewesen. Aber die Verhandlungen in Genf zeigten: Eine Zusammenarbeit zwischen jenen, die mit Umweltzerstörung Profit machen wollen, und den anderen, die mit Umweltschutz Profit machen wollen, wird zunehmend unmöglich.
Europäische Politiker*innen zeigten sich enttäuscht, Umweltschützer*innen dagegen froh, dass sich die ambitionierten Staaten nicht breitschlagen ließen: „Oberste Priorität muss eine effektive Lösung der Krise sein“, sagte Moritz Jäger-Roschko, Plastikexperte von Greenpeace. „Kein fauler Kompromiss, der den Status quo zementiert und der fossilen Industrie erlaubt, weiter Kasse zu machen, indem sie die Welt mit Müll flutet.“
Ein Abkommen wäre dringend nötig gewesen: Die jährliche Produktion von Plastik könnte sich von aktuell mehr als 400 Millionen Tonnen bis 2060 nahezu verdreifachen. Diese gigantischen Mengen zu recyceln oder auch nur angemessen auf Müllhalden zu lagern, ist unmöglich. Winzige Plastikteilchen finden Forscher*innen im Ozean, in der Arktis, im menschlichen Blut und in der Muttermilch. Welche gesundheitlichen Auswirkungen dieses Mikro- oder Nanoplastik hat, ist noch nicht abschließend erforscht.
Aber Forscher*innen sehen einen Zusammenhang zwischen zur Kunststoffproduktion verwendeten Chemikalien und vermehrtem Auftreten von Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten und verminderter Fruchtbarkeit. Dazu kommen die katastrophalen Folgen für Tiere und Pflanzen, die ebenfalls krank werden.

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Beim Pariser Klimaabkommen konnten die Länder, die an Umweltschutz interessiert waren, von Öl- und Gasexporten abhängige Länder noch mit einer Mischung aus Druck und schwammiger Sprache zu fruchtbaren Kompromissen bringen. Jetzt, wo die Fossilen ihre vielleicht letzte ernst zu nehmende Offensive starten, geht das nicht mehr. Die ambitionierten Länder sollten nunmehr eigene Regeln aufstellen. Das würde die Profite der Plastikriesen mindern – und eine Katastrophe eingrenzen, deren Ausmaß wir noch nicht überblicken können.
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