Internationaler Gerichtshof: Wer das Klima schädigt, muss laut Völkerrecht haften
Der Internationale Gerichtshof hat ein weitreichendes Gutachten veröffentlicht. Laut Völkerrecht müssen Klimasünder haften. Verbindlich ist das nicht.

Das Gutachten wurde im Auftrag der UN-Generalversammlung erstattet. Der Auftrag erfolgte im März 2023 durch einstimmigen Beschluss. Initiiert hatte ihn der kleine Inselstaat Vanuatu, unterstützt unter anderem von Deutschland.
Der 15-köpfige IGH sollte zwei Fragen beantworten: Welche völkerrechtlichen Verpflichtungen haben die Staaten zum Schutz des Klimas? Und welche Rechtsfolgen ergeben sich für Staaten, die durch Handlungen oder Unterlassungen erhebliche Klimaschäden verursacht haben?
Das Verfahren gilt als größter Klimaprozess der Welt. Bei der mündlichen Anhörung im Dezember 2024 gaben 96 Staaten und elf internationale Organisationen Stellungnahmen ab. An diesem Mittwoch verlas der japanische Gerichtspräsident Yuji Iwasawa zwei Stunden lang die Kernaussagen des 140-seitigen Gutachtens.
Gericht verurteilt fossile Subventionen
Die zentralen Pflichten der Staaten ergeben sich aus den internationalen Klimaschutzverträgen, wie dem Pariser Abkommen von 2015. Dessen Hauptziel sei die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Der IGH bezog sich also nicht auf das ebenfalls im Vertrag erwähnte 2-Grad Ziel.
Bei der Reduzierung der klimaschädigenden CO2-Emissionen müssten die Staaten den „größtmöglichen Anspruch“ haben. Gegen die Pflicht zum Klimaschutz verstoßen auch Staaten, so Iwasawa, die neue Öl- und Gasfelder genehmigen oder die fossile Industrie subventionieren.
Für Staaten, die nicht dem Paris-Abkommen angehören, gelten ganz ähnliche Pflichten, so der IGH. Das ist insbesondere relevant für die USA, die im Januar per Dekret von Präsident Donald Trump aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen sind.
So gebe es eine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht, die Umwelt und das Klima zu schützen. Jeder Staat müsse dabei die gebotene Sorgfalt anwenden. Außerdem müssten die Staaten hierbei kooperieren, etwa durch finanzielle Unterstützung und Technologie-Transfer.
Klimasünder sind zu Entschädigung verpflichtet
Neben dem Paris-Abkommen ergebe sich auch aus den internationalen Menschenrechts-Verträgen Pflichten zum Klimaschutz, so der IGH. Eine gesunde, saubere und nachhaltige Umwelt sei nicht nur durch das Recht auf Leben und Gesundheit garantiert, sondern auch die Vorbedingung für die Nutzung aller anderen Menschenrechte, betonte Gerichtspräsident Iwasawa.
Mit besonderer Spannung war erwartet worden, welche Folgen der IGH an die Verletzung von Klimaschutz-Pflichten binden wird. Doch auch hier vertraten die 15 Richter:innen aus aller Welt eine strenge Linie: Wer Klimaschutzpflichten verletzt, muss damit nicht nur aufhören, sondern auch betroffene Staaten für ihre Probleme entschädigen. Zerstörte Biotope müssten genauso wiederhergestellt werden wie beschäftigte Infrastruktur, sagte Richter Iwasawa.
Keine konkreten Ansprüche, aber trotzdem nützlich
Der IGH betonte jedoch, dass sich aus diesen abstrakten Äußerungen des IGH noch keine konkreten Ansprüche ergeben. Jeder Fall müsse konkret geprüft werden. Insbesondere müsse die Kausalität zwischen Verletzung der Pflicht zum Klimaschutz und den verursachten Schäden festgestellt werden.
Dies dürfte schwierig sein, da es ja kein lokales oder regionales Klima gibt, sondern nur ein gemeinsames Weltklima. Der Ort, an dem solche Streitigkeiten dann ausgetragen werden, dürfte wieder der IGH in Den Haag sein – aber nur soweit sich die Staaten (wie Deutschland) freiwillig dessen Rechtsprechung unterworfen haben. Die USA sind hierzu schon lange nicht mehr bereit.
Das nun erstattet Gutachten wird im englischen „advisory opinion“ genannt, also beratende Meinung. Der Begriff deutet an, dass das Gutachten an sich keine rechtliche Verbindlichkeit hat. In der juristischen Öffentlichkeit – bei Gerichten und Wissenschaftler:innen – dürfte das Gutachten aber sehr einflussreich sein. Außerdem ist das Gutachten natürlich eine Einladung, geeignete konkrete Fälle zum IGH zu bringen.
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