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EU-China-GipfelFrostige Botschaften in Peking

Bei dem Treffen stehen Streitpunkte wie Handel und Ukraine-Krieg im Vordergrund. Zumindest beim Klima dürften Brüssel und Peking einen Erfolg erzielen.

Der Präsident des Europäischen Rates, António Costa (2.v.r), spricht mit Chinas Präsident Xi Jinping (4.v.l), Donnerstag in Peking Foto: Andres Martinez Casares/Pool EPA/AP/dpa

Seoul taz | Die Auftaktaudienz bei Staatschef Xi Jinping hat sich die chinesische Seite sicher anders vorgestellt. Doch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab bereits zu Beginn des gemeinsamen Gipfeltreffens unmissverständlich den Ton an: „Mit der Vertiefung unserer Zusammenarbeit haben sich auch die Ungleichgewichte verschärft, und wir sind an einem Wendepunkt angelangt“. Eine Neuausrichtung der Beziehungen sei nicht mehr nur optional, sondern eine Notwendigkeit.

Noch vor wenigen Jahren wäre eine solch direkte Botschaft von der europäischen Union an die Volksrepublik China undenkbar gewesen. Doch die Ausgangslage hat sich seither grundlegend geändert: Die Exporte der EU ans Reich der Mitte sind seit der Pandemie regelrecht eingebrochen, zudem hat sich Xi Jinping seit Beginn des Ukraine-Kriegs als wichtigster Partner an der Seite Wladimir Putins positioniert.

Beide Streitthemen resultieren aus bewusst getroffenen, strategischen Entscheidungen Pekings: Die Handelsbeziehungen sind vor allem deshalb aus dem Gleichgewicht geraten, weil Xi Jinping seine Volkswirtschaft mit Hochgeschwindigkeit auf Autarkie umstellt und Marktbarrieren gegenüber ausländischen Unternehmen aufrecht hält.

Auch hinter Chinas Unterstützung von Russlands Kriegsmaschinerie steht ein machtpolitisches Kalkül. Außenminister Wang Yi sagte es zu Beginn des Monats beim Treffen mit EU-Spitzendiplomatin Kaja Kallas unverhohlen: China könne es nicht zulassen, dass Russland den Krieg verliert. Dann nämlich würden die USA ihre Ressourcen stärker auf die Eindämmung Chinas fokussieren können.

Xi setzt auf Zusammenarbeit gegen Trump

Am Donnerstag schließlich hat Parteichef Xi seine Sicht auf die Rolle Europas dargelegt. Beim Treffen mit Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa sagte der 72-Jährige, dass die EU und China in einer „sich verändernden und turbulenten Welt“ die „richtigen strategischen Entscheidungen“ treffen sollten.

Dies ist eine klare Anspielung auf den Handelskrieg von US-Präsident Donald Trump, der eine Chance bietet für eine gemeinsame Annäherung zwischen Brüssel und Peking. Durch gemeinsame Zusammenarbeit und verstärktes Vertrauen könne man „für mehr Stabilität und Sicherheit in der Welt sorgen“, sagte Xi weiter.

Doch die rhetorische Charmeoffensive der chinesischen Staatsführung dürfte auf taube Ohren stoßen. Denn sowohl geopolitisch als auch ökonomisch zeigt Peking – seit Jahren bereits – kein Interesse an einem Entgegenkommen, ganz im Gegenteil. Erst diese Woche hat Reuters unter Berufung auf europäische Sicherheitsbeamte berichtet, dass in China hergestellte Motoren über Scheinfirmen als „industrielle Kühlaggregate“ bezeichnet nach Russland exportiert werden, um dort bei der Produktion von Angriffsdrohnen eingesetzt zu werden.

Anspannung trotz Chancen beim Klimaschutz

„Wir sind nicht naiv“, hieß es bei einem Briefing der EU im Vorfeld des Gipfels. Man wisse schließlich sehr wohl, dass chinesische Firmen rund 80 Prozent der sogenannten „dual use“-Güter – also jener Produkte, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke eingesetzt werden können – an Moskau liefert. Am Donnerstag forderte Ratspräsident Costa nun erneut im direkten Gespräch mit Xi, dass Peking seinen Einfluss auf Moskau nutzen solle, „um den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden“.

Bislang jedoch gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass Peking tatsächlich einlenken könnte. Stattdessen nimmt man in Brüssel zunehmend jene Drohkulisse ernst, die zuletzt die slowakische Tageszeitung Pravda in einem Leitartikel auf den Punkt gebracht hat: „Es ist kein Geheimnis, dass Russland und China militärisch zusammenarbeiten. Sie haben einen gemeinsamen Feind – den Westen. Mit einem koordinierten Angriff in Europa, auf Taiwan und dem Hervorrufen von Chaos im Nahen Osten könnten sie die Kräfte der Nato, insbesondere der USA bis zur Unwirksamkeit aufsplitten“.

Trotz der angespannten Stimmung beim EU-China-Gipfel deutet sich dennoch im Bereich Umweltpolitik ein veritabler Erfolg an. So haben sich beide Seiten am Vorabend des Treffens auf eine gemeinsame Stellungnahme zum Kampf gegen den Klimawandel geeinigt, wie es aus gut informierten Kreisen heißt.

Laut dem EU-Korrespondenten der South China Morning Post handele es sich um eine positive Entwicklung, aber „keinen großen Durchbruch“. Ob die Unterzeichnung des Dokuments schlussendlich zustande kommt, wird sich jedoch erst im Laufe des Tages zeigen.

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2 Kommentare

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  • Politischer Klimawandel oder Wer mit dem Wolf tanzt

    Hier wird die Schuld für die politische Klima-Abkühlung im Verhältnis der EU zu China einseitig Peking in die Schuhe geschoben, die Tatsache verkennend, daß die Initiative für eine Klimaerwärmung im April von gerade Peking ausging, etwa mit der demonstrativen Aufhebung von Sanktionen gegen sinophobe EU-Abgeordnete und dem Vorschlag, gemeinsam gegen Trumps globalen Handelskrieg vorzugehen. Beides wurde in Brüssel schlicht ignoriert, stattdessen klar den Konfrontationskurs verschärfend. Im Widerspruch zu jeglichen strategischen Eigeninteressen tanzt Brüssel in der China-Frage brav nach der Pfeife Trumps.

    Kopfschütteln muß etwa die Forderung der EU-Granden auslösen, Peking möge doch, bitte schön, Putin einfach zum Einlenken in der Ukraine-Frage und der einseitigen Beendigung des Krieges bewegen. Wie man sich das in Brüssel vorstellt, bleibt schleierhaft: Glaubt man dort im Ernst, Putin würde auf einen bloßen Telefonanruf von Xi hin zu Kreuze kriechen wie ein geprügelter Hund? Seit wann ist Russland ein Vasallenstaat Chinas? Welches Interesse sollte Xi daran haben und v .a. welche Gegenleistung böte die EU dafür?

  • Bleibt die Frage, welche Druckmittel die EU in den Verhandlungen mit dem, von Baerbock öffentlich als Diktator bezeichneten Chinesen hat.



    Wir ignorieren das Shanghaier Kommuniquè von 1972, damit auch die von der UN beschlossene Ein-China-Politik und zeigten schonmal Präsenz im Südchinesischen Meer.



    Alles in allem wenig diplomatisch, wenn man wirtschaftlich so aufgestellt ist, wie Europa.



    Aber wir werden sehen, wohin uns unsere Außenpolitik bringt und mit welchen Mitteln man sich durchsetzt.