Streit zwischen Thailand und Kambodscha: Eskalation im Grenzkonflikt
Plötzlich kommen an der umstrittenen Grenze zwischen Thailand und Kambodscha Raketenwerfer und Kampfjets zum Einsatz. Es gibt Tote und Verletzte.

Die beiden Seiten widersprechen sich in der Reihenfolge ihrer Angriffe. Kambodschas Ministerpräsident Hun Manet schrieb auf Facebook, Thailands Armee habe am Donnerstagmorgen Stellungen des kambodschanischen Militärs unter anderem am antiken Tempel Ta Krabei in der Provinz Oddar Meanchey angegriffen.
Kambodscha habe sich stets für eine friedliche Lösung eingesetzt, doch, so Hun Manet, „haben wir in diesem Fall keine andere Wahl, als mit bewaffneten Streitkräften auf bewaffnete Aggressionen zu reagieren“.
Thailands suspendierte Premierministerin Paetongtarn Shinawatra disste umgehend auf Instagram Hun Manets Vater, den Senatspräsidenten und Ex-Regierungschef Hun Sen, als „Opfer“. Nach thailändischer Lesart war der Luftangriff Vergeltung für Kambodschas Raketentattacke.
Die Eskalationsspirale dreht sich
Am Mittwoch waren nahe dem Grenzübergang Chong An Ma fünf thailändische Soldaten durch Landminen schwer verletzt worden. Thailand beschuldigte Kambodscha, die Minen erst jüngst gelegt und damit den von beiden Ländern unterzeichneten Ottawa-Vertrag zum Verbot von Landminen verletzt zu haben. Der auf die Kolonialzeit zurückgehende Grenzstreit eskalierte zuletzt Ende Mai, als bei einem Schusswechsel zwischen Truppen beider Länder ein kambodschanischer Soldat getötet wurde.
Den Konflikt zwischen den beiden mehrheitlich buddhistischen Königreichen bestimmen auf beiden Seiten territoriale, historische und nationalistische Faktoren. Im Mittelpunkt stehen die antiken, dem Hindugott Vishnu geweihten Tempel Ta Krabei und Preah Vihear aus dem 10./11. Jahrhundert.
Ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes, das Preah Vihear Kambodscha zusprach, erkennt Thailand nicht an und beansprucht das Weltkulturerbe sowie das angrenzende Gebiet weiterhin für sich.
Hun Manet forderte am Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats, „um Thailands Aggression gegen die Souveränität Kambodschas zu stoppen“, berichtete das Regierungssprachrohr Freshnews. Es verkündete, „die thailändischen Invasionstruppen“ am antiken Ta-Krabei-Tempel seien erfolgreich zurückgeschlagen worden. Bangkok rief derweil Thais in Kambodscha auf, das Land umgehend zu verlassen. Beide Länder wiesen die jeweiligen Botschafter aus.
Zerwürfnis auf höchster Ebene
In Thailand hat der Konflikt bereits ein politisches Opfer gefordert. Ein durchgestochenes Privatgespräch zwischen Premierministerin Paetongtarn Shinawatra und Kambodschas Ex-Premier Hun Sen hatte am 1. Juli zur Suspendierung von Paetongtarn geführt. Kritiker warfen ihr vor, sich in dem Gespräch abschätzig über das Militär geäußert und somit Thailands Souveränität kompromittiert zu haben.
Das von Hun Sen durchgestochene Telefonat mit Paetongtarn hat zu einem schweren Zerwürfnis zwischen den bisherigen Freunden Hun Sen und Thaksin Shinawatra geführt, dem Vater Paetongtarns. Früher hätte man sich zur Entschärfung der Situation auf die enge Beziehung zwischen den beiden verlassen können, kommentierte am Donnerstag Channel News Asia. Heute sei es „genau diese Beziehung, die die Lage noch schlimmer macht“.
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